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Empfehlungen der Grünen Zehn Punkte für eine starke Schiene

MegaHub Lehrte Foto: DB AG/Oliver Lang

Mehr Güter auf die Schiene bringen und die Effizienz der Bahn erhöhen – das sind die Handlungsempfehlungen von Grünen-Politiker Matthias Gastel.

1. Mehr Resilienz

Wenn gebaut wird, müssen geeignete Ausweichstrecken nicht nur zur Verfügung stehen, sondern auch elektrifiziert sein. Der Koalitionsvertrag sieht eine Elektrifizierung von 75 Prozent der Strecken bis 2030 vor, aktuell liegt der Anteil der Stromtrassen bei 60 Prozent. „Wir müssen die europäischen Güter-TEN-Netze elektrifizieren – und die Ausweichstrecken dazu, nur dann bekommen wir eine höhere Resilienz“, sagt Matthias Gastel, Verkehrspolitiker der Grünen mit den Schwerpunkten Bahn, Güterverkehr und Logistik, gegenüber der Fachzeitschrift trans aktuell. Die Große Koalition habe 173 Ausweichstrecken untersucht und nur zwei zur Elektrifizierung ausgewählt – die anderen scheiterten an der Nutzen-Kosten-Untersuchung (KNU). Gastel fordert eine andere Bewertungsmethodik. Die NKU habe sich als völlig unbrauchbar erwiesen, „danach wäre so gut wie keine Elektrifizierung wirtschaftlich“.

2. Besseres Baustellenmanagement

Es braucht eine bessere Koordination der Baustellen. „Alle Infrastruktursparten der Deutschen Bahn machen ihre eigenen Baustellen, ohne sich abzustimmen“, bemängelt Gastel, der den Wahlkreis Nürtingen-Filder im Bundestag vertritt. Damit solle Schluss sein.

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Im Koalitionsvertrag festgelegt ist, dass DB Netz, DB Station und Service zu einer neuen Infrastruktursparte zusammengelegt werden. Davon verspricht sich Gastel eine abgestimmte Planung. Es gebe weniger Schnittstellen und damit eine koordinierte Kommunikation. Der Abgeordnete setzt auch auf mehr Effizienz – wenn gebaut wird, dann richtig, weg vom Klein-Klein. „Wenn irgendwo der Bagger anrollt, soll gleich alles gemacht werden“ sagt er. Das erhöhe die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Infrastruktur. Geprüft werden solle ferner, wie der Aufsichtsrat der neuen Sparte DB Infrastruktur organisiert wird. Die Grünen regen an, dass auch Vertreter von Wettbewerbsbahnen mit dabei sind – die Infrastruktur muss schließlich diskriminierungsfrei allen zur Verfügung stehen.

3. Mehr Investitionsmittel

Der Anteil der Schiene am Modal Split soll auf 25 Prozent steigen, die Schiene günstiger werden – sofern vom Haushalt her machbar, heißt es im Koalitionsvertrag. Erstmals solle mehr Geld in die Schiene als in die Straße investiert werden, auch um prioritär die Projekte des Deutschland-Taktes umzusetzen. „Dass mehr Mittel in die Schiene als in die Straße investiert werden, ist wichtig und erstmals als Ziel formuliert“, betont Gastel. Das werde dem alternativen Verkehrsträger deutlich mehr Möglichkeiten verschaffen.

4. Mehr Gleisanschlüsse

Ein Gleisanschlussprogramm gibt es im Bundesverkehrsministerium seit Jahr und Tag. „Es reicht aber nicht, Geld zur Verfügung stellen“, sagt Grünen-Politiker Gastel.

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„Wir müssen die Förderkonditionen so gestalten, dass das Geld auch abgerufen wird“, erklärt der 51-Jährige. Der Schlüssel liegt für ihn in der Praxistauglichkeit. Gastel hält es für problematisch, dass sich Verlader verpflichten müssen, bestimmte Mengen zu garantieren. „Das lässt sich konjunkturbedingt kaum machen und hält viele davon ab, Anträge zu stellen.“ Er empfiehlt, die Förderbedingungen anzupassen.

5. Mehr Terminals, keine Maut

„Manche Unternehmen müssen erst 300 Kilometer fahren, ehe sie an einem Terminal sind“, berichtet Gastel aus Gesprächen mit Spediteuren. Dann müsse die Gesamtstrecke schon bei 800 und mehr Kilometern liegen, damit sich der Aufwand lohne. „Wir wollen die Anfahrtswege deutlich verkürzen“, sagt der Abgeordnete. Daher macht er sich für zusätzliche Terminals für den Kombinierten Verkehr (KV) stark. Dass die Lkw-Maut im Vor- und Nachlauf auf Strecken von bis zu 50 Kilometern erlassen werden soll, hängt mit dem Plan zusammen, die Terminaldichte zu erhöhen. Im Idealfall ist das KV-Terminal also maximal 50 Kilometer vom Firmensitz entfernt.

6. Gleis in Gewerbegebiete

Bei neuen Gewerbe- und Industriegebieten solle die Schienenanbindung verpflichtend geprüft werden, heißt es im Koalitionsvertrag. „Es kann nicht sein, dass sich Speditionen fernab von Schieneninfrastruktur ansiedeln und immer mehr Lkw-Verkehr produzieren. Es muss klar sein, dass verkehrsintensive Betriebe sich schienennah ansiedeln“, sagt der Abgeordnete aus Filderstadt bei Stuttgart.

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Erst recht müsse der bundeseigene Logistikdienstleister DB Schenker mit gutem Beispiel voran gehen. Eine Kleine Anfrage der Grünen (damals in der Opposition) an die Bundesregierung vom Januar 2020 hatte ergeben, dass von den zwölf seit 2010 gebauten Standorten des Unternehmens im Bereich Landverkehr kein einziger über einen Gleisanschluss verfügt oder ihn nutzt. „Das hat etwas Skandalöses an sich. Ich kann nicht immer von der Verlagerung auf die Schiene reden und mich als bundeseigenes Unternehmen davor scheuen“, kritisiert Gastel.

7.Strukturen der Bahn

„Wir schauen uns die Strukturen der Deutschen Bahn und ihrer Beteiligungen genau an“, kündigt Matthias Gastel an. Die DB müsse ihren Fokus viel stärker auf den Personen- und Güterverkehr in Deutschland und dem europäischen Ausland richten. Bei allen anderen Aktivitäten – dazu zählt auch die DB-Tochter DB Schenker – werde man genau prüfen, ob sie zu diesen Zielen beitragen oder eher dazu führen, dass der Konzern schwerer zu führen und kontrollieren ist. Gastel sieht keine nennenswerten Synergien zwischen DB Cargo und DB Schenker – erst recht nicht mehr nach dem Wechsel der Intermodal-Sparte Full Load Solutions von Schenker zu DB Cargo.

8. Digitale Kupplung vorantreiben

„Wer mal auf einem Güterbahnhof war und händisch gekuppelt hat, weiß, dass es sich um schwere körperliche Arbeit handelt“, berichtet Gastel. Das Kuppeln dauere lange und sei unwirtschaftlich. Daher setzen die Grünen auf den Siegeszug der neuen digitalen automatischen Kupplung. Sie kann Güterwagen automatisch zusammenführen und dadurch die Rangierabläufe verbessern.

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Einen Testzug schickten DB Cargo-Chefin Dr. Sigrid Nikutta und Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP) kürzlich auf die Reise durch Europa. Grünen-Verkehrsexperte Gastel kann sich digitale Lösungen auch in anderen Bereichen des Rangierbetriebs vorstellen – auch beim Steuern der Loks. „Es muss viel mehr digital und automatisiert ablaufen“, sagt er – auch vor dem Hintergrund dass es immer schwieriger würde, Personal zu finden, dass bei Wind und Wetter schwere und unfallträchtige Arbeiten ausführt.

9. Einheitliche Signaltechnik vorantreiben

Das europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS – European Train Control System) soll mehr Effizienz bringen. Statt der vielen nationalen Signaltechnik gibt es ein einheitliches System, was grenzüberschreitende Verkehre ohne Barrieren verspricht. ETCS soll auch dazu beitragen, die Kapazität des Netzes zu erhöhen, weil Abfahrten in kürzeren Abständen möglich werden. „Wir haben uns vorgenommen, den Roll-Out in Deutschland zu beschleunigen, denn Deutschland hinkt weit hinterher“, berichtet Gastel. Es brauche eine Strategie, um vorrangig auf den TEN-Netzen voranzukommen, ohne aber den Ausbau in der Fläche zu vernachlässigen. „Wir sind weit zurück und müssen vor allem auf den Neubaustrecken einen Riesensprung machen.“ Ferner wirbt der Parlamentarier für ein praxistaugliches Förderprogramm zur Umrüstung von Personen- und Güterloks.

10. Regeln anpassen

Der Lokführer braucht nicht nur eine Streckenkunde, sondern muss auch die jeweilige Landessprache beherrschen. Das schränkt die Flexibilität im Schienenverkehr stark ein, weil der Lokführer im Fall einer Baustelle nicht unbedingt mal schnell die Ausweichstrecke im grenznahen Ausland übernehmen kann – ganz anders die Flexibilität im Lkw-Verkehr, wo ein rumänischer Fahrer auf einem polnischen Lkw unkompliziert Orangen von Madrid nach Hamburg befördern kann. „Wir müssen im Bahnverkehr stärker europäisieren. Weder braucht jedes Land seine eigene Signaltechnik, noch braucht es für jedes Land die Landessprache.“ Gastel kann sich analog zum Flugverkehr eine einheitliche Sprache für Europa vorstellen, im ersten Schritt auch zwei Sprachen. „Wir müssen weg kommen von der Regelung, dass der Lokführer immer die Sprache des jeweiligen Landes sprechen muss.“ Man stelle sich das nur im Flugverkehr vor, wo mehrere Länder überflogen werden.

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