Häufig gestellte Frage zum Thema:

Arbeitszeit: Anfahrt zum Stellplatz

Parkplatznot Foto: Götz Mannchen
Ist die Anfahrt zum Lkw-Stellplatz Arbeitszeit?

Ich bin BKF und muss täglich meinen Lkw auf einem Stellplatz (öffentliche Straße oder woanders), aber nie an der Betriebsstätte übernehmen bzw. abends dort wieder abstellen. Die An- und Abreise zum Lkw-Stellplatz tätige ich im Privat-Pkw. Ich bekomme abends kurz vor Schichtende vom Disponenten immer mitgeteilt, wann ich den nächsten Tag zu beginnen habe. Müssen diese An- und Abfahrtszeiten zum Lkw-Stellplatz eigentlich im Kontrollgerät auch als andere Arbeitszeit nachgetragen werden oder nicht? Mein Chef hat mir gesagt, es müsse nicht nachgetragen werden. Ich hatte aber mal die Jungs vom BAG gefragt, die sagten, es müsse nachgetragen werden. Mein Problem ist, wenn ich die Zeiten nachtragen würde, hätte ich eine enorm hohe regelmäßige Arbeitszeitüberschreitung.

Das Thema ist rechtlich weitestgehend eindeutig geregelt. Die von Ihnen geleisteten Anfahrts- bzw. Rückfahrtszeiten zwischen der Wohnung und dem jeweiligen Standort des Lkw (wenn ungleich Betriebsstätte) müssen, wenn Sie selbst den Pkw lenken, als Arbeitszeit nachgetragen werden. Das Unternehmen ist verpflichtet, die Tätigkeit eines Fahrers so zu planen, dass dieser die Lenk- und Ruhezeiten (zu jeder Zeit!) einhalten kann (vgl. Artikel 10 der VO 561/2006 oder den § 20a der Fahrpersonalverordnung). Dabei sind allgemein bekannte und regelmäßig auftretende Störungen des Verkehrsflusses (z. B. Stau am BAB-Dreieck XY oder Pendlerstaus zwischen A- und B-Dorf auf der Bundesstraße XY) ebenso einzukalkulieren wie potenzielle Verzögerungen an der Be- oder Entladestelle etc. Nur vollkommen unerwartet und urplötzlich eintretende Störungen (z. B. Erdrutsch oder BAB-Vollsperrung wegen Unfall) müssen nicht in die Disposition einfließen, deshalb auch die Sonderregelung im Artikel 12 der 561/2006. Wenn der Arbeitgeber also Kenntnis davon hat, dass bei Ihnen zusätzlich zu der Arbeit im Lkw noch Arbeitszeiten durch die Anfahrt zum LKW bzw. die Heimfahrt vom Lkw entstehen, ist dies in der Arbeitszeitplanung zu berücksichtigen. Außerdem muss der Arbeitgeber eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung erstellen, in der alle mit der jeweiligen Tätigkeit verbundenen sicherheitsrelevanten Risiken dargestellt und bewertet werden. Falls Ihrem Arbeitgeber dieser Mechanismus unbekannt sein sollte, möge er sich doch bei der Berufsgenossenschaft Verkehr erkundigen.

(Regelmäßig) Länger als 10 Stunden pro Arbeitstag zu arbeiten und dabei auch noch (schwere) Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu bewegen, ergibt ohne Zweifel ein gesteigertes Sicherheitsrisiko. Darauf muss der Arbeitgeber reagieren und Abhilfemaßnahmen einleiten, insb. durch die Anpassung in der Disposition.

Sie persönlich müssen insb. darauf achten, dass Sie nicht gegen das Fahrpersonalrecht im engeren Sinne verstoßen, also die Limitierungen bei den Lenk- und Ruhezeiten sowie Fahrtunterbrechungen rechtskonform einhalten. Hier sind Sie stets persönlich haftbar. Für Verstöße gegen die Arbeitszeitvorschriften haftet grundsätzlich nur der Arbeitgeber, es sei denn, der Arbeitnehmer verstößt vorsätzlich (oder vielleicht auch nur grob fahrlässig) gegen die Vorgaben, indem er Anweisungen des Arbeitgebers, die die Einhaltung der Vorschriften bezwecken, missachtet.

Sie sollten meiner Meinung nach das Thema im Unternehmen weiterhin ansprechen und vor allem Ihre Arbeitszeiten korrekt erfassen. Bitte denken Sie daran, dass Sie belegen können sollten, dass Sie die von Ihnen wahrgenommenen Missstände und ggf. auftretenden Verstöße gegenüber den Verantwortlichen (regelmäßig) kommuniziert haben. In Zeiten des massiven Fahrermangels besteht eine nicht geringe Chance, dass seitens des Arbeitgebers Verhaltensänderungen erfolgen.

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