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Appell von Spediteur Michael Schaaf Fünf Antworten auf den Fahrermangel

Foto: Bay Logistik

Lkw stehen still, weil Speditionen keine Fahrer finden. Wie kann die Branche den Engpass entschärfen? Michael Schaaf, Geschäftsführer von Bay Logistik aus Waiblingen, nennt fünf Maßnahmen, um dem Fahrermangel entgegenzuwirken.

Der Fahrermangel bringt die Transport- und Logistikbranche in die Bredouille. Wohin er führt, sieht die Weltöffentlichkeit gerade am Beispiel von England. Doch auch hierzulande sind die Auswirkungen des Engpasses sichtbar. Spediteur Michael Schaaf, Geschäftsführer von Bay Logistik, bemüht sich seit Jahren um mehr Fairness in der Branche, ein besseres Berufsbild und damit um Abhilfe beim Fahrermangel. In einem Leserbrief formuliert er fünf Maßnahmen, die den Engpass seiner Ansicht nach entschärfen können.

Foto: Bay Logistik/Heiko Potthoff
Fahrer als Helden: Bay Logistik legt Wert auf ein positives Image und eine positive Wahrnehmung des Fahrerberufs.

Der Fahrermangel und der daraus folgende Laderaummangel sind Themen, die nicht nur uns als Spediteure vor Herausforderungen stellt. Die aktuelle Situation in England zeigt, wie weit die Auswirkungen reichen und wie schnell die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln und Kraftstoff davon betroffen sind. Dieses Thema betrifft uns alle und weit über die Landesgrenzen hinweg.

Die Strategie, osteuropäische Fahrer aus Polen, Tschechien und der Slowakei zu rekrutieren, führte nur kurzfristig zum Erfolg. Aktuell sind es Mitarbeiter aus Litauen, Rumänien, Bulgarien und zukünftig Philippiner, die Lkw lenken sollen.

Berufsbild hat sich zum Negativen entwickelt

Das Berufsbild des Berufskraftfahrers hat sich in den vergangenen Jahren zum Negativen entwickelt. Die notwendigen Qualifikationen und die damit verbundenen Investitionen werden von der Gesellschaft nicht mehr gesehen. Dagegen spricht: Unsere Fahrer sind qualifizierte Fachkräfte, die stets selbstständig Lösungen finden müssen. Dieser Aussage müssen wir uns bewusst werden und ihrer Arbeit die notwendige Wertschätzung zukommen lassen.

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Welche Auswirkungen haben die Restriktionen und veränderten Rahmenbedingungen für Berufskraftfahrer? Wir haben uns diese Frage gestellt und haben folgende Ergebnisse gewonnen: Die Hauptursachen hierfür sind nicht etwa die neuen Arbeitszeitrichtlinien oder sonstige gesetzliche Auflagen, sondern die wesentlichen Treiber sind verringerte Öffnungszeiten der Be- und Entladestellen, Ladestellensteuerungen, längere Ladezeiten durch komplexere Abfertigungen und Personaloptimierungen an den Lade- oder Entladestellen. Zusätzliche Auflagen und Abfertigungszeiten durch die Corona-Pandemie führen zu einer weiteren Verschärfung. Fehlende Parkmöglichkeiten und die nicht mögliche Nutzung von sanitären Einrichtungen oder Firmenkantinen haben Folgen und wirken persönlich auf die Bedürfnisse der Berufskraftfahrer ein.

Um eine Veränderung herbei zu führen, sind alle Beteiligen an der Transportkette notwendig. Denn nur mit gemeinsamen Maßnahmen schaffen wir es, das das Berufsbild des Berufskraftfahrers attraktiver zu machen und damit die Produktivität für alle zu steigern. Ich sehe hier die folgenden fünf Maßnahmen, die bereits jetzt zu einer Verbesserung führen können.

  1. Wegfall oder deutliche Vereinfachung des Berufsqualifikationsgesetzes für einen einfacheren Zugang zum Beruf Fahrer. Früher hat der 2er (Lkw-Führerschein) gereicht. Heute muss ein Neueinsteiger auch noch die Berufsqualifizierung gemäß dem Fahrpersonalgesetzes mit mindestens 120 Stunden ableisten. In Summe dauert somit der Zugang zum Fahrerberuf im Güterkraftverkehr mindestens 180 Stunden beziehungsweise bedeutet ca. 8.000 Euro Investment. Unter Berücksichtigung der heute modernen Fahrzeugtechnik, Fahrsicherheitssystemen und Digitalisierung wäre es auch kein Sicherheitsrisiko, Fahrer mit weniger Fahrerfahrung einzusetzen.
  2. Wegfall von kundespezifischen Restriktionen wie Zugangstests, Selbstbeladungen, Ladestellensteuerung, überzogenen Werksregeln oder Anforderungen.
  3. Freigabe zur Nutzung von sanitären Einrichtungen und der Kantine (Essen).
  4. Lkw-Geschwindigkeit auf Landstraßen auf 80km/h anpassen.
  5. Nutzlasterhöhung im Schwerlastverkehr um zwei bis vier Tonnen mit gleitender Anpassung auch für den Kombinierten Verkehr.

Fahrer wollen fahren und brauchen keinen Bürokratismus oder erschwerte Zugangsvoraussetzungen. Sie wollen ihrer Leidenschaft des Fahrens nachkommen und damit die Produktivität deutlich steigern. Ich bin der absoluten Überzeugung, dass der Job des Fahrers wieder deutlich attraktiver gemacht werden kann. Dazu müssen alle mitziehen. Das was wir selbst tun können, haben wir schon getan, tun wir täglich und versuchen dies auch in der Zukunft. Unser Job ist Dienstleistung und am liebsten tun wir das mit Herz und Seele.

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Somit sind auch diese Zeilen ein Appell an alle Beteiligten der Transportkette mit der Bitte, das Ganze zu sehen. Denn ohne den Fahrer und den Lkw brechen die Supply Chains zusammen. Das haben uns die vergangenen Monate gezeigt und wir sollten daraus lernen, zügig handeln und dies ernsthaft respektieren.

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