Die Flotten aus Mittel- und Osteuropa sind auf dem Vormarsch. Der deutsche Mittelstand gerät unter die Räder. Bay Logistik-Chef Michael Schaaf schlägt Alarm.
Unternehmen, die ihre Lkw in Deutschland zulassen, geraten zunehmend ins Hintertreffen. Die Flotten aus Mittel- und Osteuropa profitieren gerade in der Corona-Krise ganz erheblich von ihren Kostenvorteilen. Dass deutsche Kennzeichen immer stärker verdrängt werden, beunruhigt auch Michael Schaaf, Geschäftsführer von Bay Logistik aus Waiblingen, dessen Unternehmen auf Transport und Logistik von flüssigen und granulierten Chemikalien spezialisiert und auch im Kombinierten Verkehr engagiert ist. In einem Leserbrief schlägt er Alarm. Hier das Schreiben im Wortlaut.
"Keiner kontrolliert die Einhaltung der Vorschriften"
„Wann wachen wir auf? Wollen wir das deutsche Transportgewerbe wirklich noch? Kürzlich war ich mal wieder auf der A61 unterwegs und habe wie so oft die Kennzeichen der Lkw angeschaut und wiederholt den Kopf geschüttelt. Wir haben den Laden nicht mehr im Griff, liebe Politiker da draußen. Das deutsche Transportgewerbe wird massiv vernachlässigt! Wenn ich die ca. 80 Prozent ausländischen Kennzeichen auf deutschen Straßen sehe, dann frage ich mich, wofür wir eigentlich ein Mindestlohngesetz haben, eine Kabotage-Regelung und das Fahrpersonalgesetz, wenn es so oder so keiner ausreichend und in aller Konsequenz die Einhaltung dieser Vorschriften kontrolliert.
Wir haben die Grenzen geöffnet und lassen es zu, dass osteuropäische Transportunternehmen unter anderem aus Polen, Rumänien und Litauen mit extrem niedrigen Fahrerlöhnen das deutsche Transportgewerbe verdrängen und folglich nachhaltig vernichten. Anderen westeuropäischen Ländern geht es zwar genauso, aber die dortigen Auftraggeber leben einen gewissen Patriotismus gegenüber Ihren Landsleuten.
"Aufträge verloren: Wir waren 20 Prozent zu teuer"
Wir haben zum Jahreswechsel 2019/2020 bei einem großen Kunden extrem viel an Mengen verloren. Warum? Ganz einfach: Wir waren 20 Prozent zu teuer! Wir haben uns angestrengt und alle erdenklichen Optionen gezogen, um die Mengen zu behalten, aber bei 20 Prozent unter unseren Kosten macht dies wirklich keinen Sinn.
Daraufhin haben wir damit begonnen, uns mit den angenommen Kostensätzen der osteuropäischen Transportunternehmer zu beschäftigen und zu kalkulieren. Dabei war auffällig, dass eigentlich nur die Fahrerpersonalkosten der wesentliche Treiber war, denn die restlichen Kostenbestandteile für den Lkw sind im Verhältnis gesehen weitgehend vergleichbar. Und das Ergebnis war eindeutig mit 22 bis 25 Prozent unter unseren Kosten. Selbst wenn wir nur mit dem deutschen Mindestlohn rechnen würden, wären wir lediglich sieben Prozent günstiger zu unserer effektiven Kalkulation.
Wir haben folglich erhebliche Mengen verloren – sowohl Mengen im nationalen Verkehr als auch Mengen, die wir bisher ökologisch und ökonomisch mit unseren Containern sinnvoll intermodal abgewickelt haben. Dies ist unser Beispiel, wie die osteuropäischen Unternehmer uns aus dem Markt drängen –ohne Rücksicht auf Verluste beziehungsweise Einhaltung der deutschen und europäischen Gesetze. Ist das der politische Wille? Warum wird hier kein Riegel vorgeschoben? Denn die Konsequenzen kennen und sehen wir bereits im Markt: Die Kunden sind die Profiteure und nehmen dies natürlich mit, egal ob der deutlich günstigere Transportunternehmer gegen Gesetze verstößt.
Die Politik und die Kontrollbehörde BAG lassen es zu, dass das deutsche Transportgewerbe sukzessive demontiert wird. Des Weiteren lassen wir uns noch unsere Automobilindustrie als Schlüsselindustrie kaputt machen. Die deutsche Umwelthilfe geht als Treiber voran. Aber was haben wir noch in Deutschland? Rohstoffe: Fehlanzeige, Automobilwesen: bald Fehlanzeige. Günstigen eigenen Strom: Fehlanzeige. Diese Liste kann man sicherlich noch viel weiter führen. Ich fordere deshalb eine schnelle politische Unterstützung des deutschen Transportgewerbes. Nur durch einen fairen Wettbewerb auf gleicher Basis (Fahrerlöhne) können wir überleben.
"Gute Fahrer möchten auch eine gute Bezahlung"
Wie sollen wir Fahrer bekommen, wenn diese im Verhältnis zum osteuropäischen Wettbewerb so oder so zu teuer sind? Gute Fahrer möchten auch eine gute Bezahlung, und das Leben in Deutschland ist nun mal teurer als in Osteuropa.
Was muss geschehen? Schnelles politisches Handeln. Dass dies geht, zeigt uns die Coronakrise. Da werden Regeln und Gesetze im Stundentakt beschlossen. Wann wachen wir auf und erkennen, dass Deutschland sich selbst demontiert und schwächt.
Wer sind wir? Die Politik hat es einfach nicht begriffen, dass die deutsche Wirtschaft auch einen Rückhalt benötigt und dass die deutschen Branchen unterstützt – oder soll ich geschützt sagen – werden müssen. Leider sind wir alle, die hiervon betroffen sind, mit uns so selbst beschäftigt, dass wir nicht aufstehen und uns zu Wort melden.
Wenn ich daran denke, dass unsere Bundeskanzlerin sich 90 Minuten Zeit nimmt für eine Audienz von Greta Thunberg aber nur zwei Minuten in einem aufgezeichneten Stream für die Wirtschaft, dann stimmt doch was nicht. Die Entfremdung zwischen Politik und Wirtschaft ist somit deutlich und sichtbar.
Entfremdung von Politik und Wirtschaft
Liebe Politiker: Denkt einfach mal darüber nach, wer Eure Gehälter bezahlt! Und zur Krönung führt Deutschland als einziges Land dann noch eine CO2 Steuer ein und schwächt somit wiederum durch verschlechterte Wettbewerbsbedingungen die eigenen in Deutschland ansässigen Unternehmen.
Ich wünsche mir nur faire Bedingungen. Wir können in Deutschland keine Fahrer unter dem Mindestlohn beschäftigen. Und wenn sich Fahrer für uns entscheiden, dann müssen wir diese deutlich höher als den Mindestlohn entlohnen.
Ich möchte deshalb eine Bitte an alle Betroffenen und Fuhrmannsleute als Appel richten: Steht auf und setzt Euch für uns ein!"