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Fercam-Chef Hannes Baumgartner im Interview Fercam will noch mehr auf die Bahn verlagern

Foto: Thomas Küppers

30 Prozent seiner Hauptläufe fertigt Fercam auf der Schiene ab. Geschäftsführer Hannes Baumgartner sieht noch Luft nach oben. Gleichwohl sei die Sensibilität der Kundschaft gestiegen. Alle verlangten Back-up-Pläne für den Fall, dass Achsen gesperrt sind, sagt er im Interview mit der Fachzeitschrift trans aktuell.

trans aktuell: Herr Baumgartner, sind Sie ein leidenschaftlicher Radfahrer?

Baumgartner: Nein, ich bin mehr der Bergsportler und mag zum Beispiel Skifahren und Wandern. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich so nah an den Bergen wohne, in Völs am Fuß des Schlerns. Der Schlern ist bekannt als Wahrzeichen Südtirols. Aber viele unserer Mitarbeiter sind begeisterte Fahrradfahrer. Das haben wir festgestellt, als wir vor einigen Jahren Fercam-Trikots als Gadgets anfertigen ließen. Sie wurden uns quasi aus den Händen gerissen.

Ist das Faible für den Radsport in der Belegschaft der Grund dafür, dass Sie sich in diesem Jahr erstmals als Sponsor beim Giro d’Italia engagiert haben?

Das Interesse bei den Mitarbeitern, aber auch das Interesse bei den Kunden war hierfür maßgeblich. Wir haben so viele Filialen in Italien, dass wir jede Etappe einer Filiale zugewiesen haben. Jede Filiale hat einige Kunden und Mitarbeiter zum Rennen beziehungsweise zum Rennziel eingeladen, wo man aus nächster Nähe den Endspurt verfolgen konnte. Unsere Marketingabteilung hat sich hier richtig ins Zeug gelegt. Eine glückliche Fügung war, dass die Tour in Israel startete, wo wir in der Luft- und Seefracht tätig sind. Dadurch ergab sich die Möglichkeit, unseren dortigen Partner IS-Line einzubeziehen.

Vom Radsport zur Logistik: Der Name Fercam setzt sich aus den italienischen Worten Ferrovia (Eisenbahn) und Camion (Lastwagen) zusammen. Ist der Name auch 2018 Programm?

In jedem Fall, auch wenn sich die Kombination aus Straße und Schiene radikal geändert hat. Ursprünglich holte Fercam die Waggons mit Rohstoffen und Erzen an den Güterbahnhöfen ab, setzte sie auf einen Unterbau und beförderte sie per Lkw auf der Straße zu den Empfängern. Seit den 70er Jahren ist es umgekehrt: Wir befördern keine Waggons zum Kunden, sondern unsere Einheiten – also Auflieger und Wechselbrücken – über die Schiene von Terminal zu Terminal. Es gehört zur Firmen-DNA, sich mit alternativen Transportmöglichkeiten zu beschäftigen. Schon mein Großvater Eduard Baumgartner hatte damit begonnen. Es gab Versuche mit unterschiedlichen Verladetechniken und mit der Rollenden Landstraße. Seit drei Jahrzehnten engagieren wir uns gezielt im unbegleiteten Kombinierten Verkehr.

Wo stehen Sie heute?

Wir fertigen etwa 30 Prozent der Hauptläufe auf der Schiene ab. Sinn ergeben solche Transporte erst ab etwa 600 Kilometern und wenn man große Volumina hat. Deutschland–Italien ist unsere Rennachse. Kombinierte Verkehre wickeln wir aber auch mit der Fähre ab, etwa zwischen Italien und Spanien, Tunesien, oder Marokko. Mit unserer Euro-Asian-Landbridge bieten wir in Ergänzung zur Luft- und Seefracht bei Laufzeiten von 22 bis 26 Tagen und interessanten Preisen gegenüber dem Flugtransport auch Schienentransporte von und nach China an.

Sie betreiben inzwischen auch Company Trains. Wie groß ist das Auslastungsrisiko?

Das ist bei unseren Volumina weniger das Problem. Das Problem sind eher die festen Abfahrtszeiten oder das Risiko, dass alle Auflieger in einem verspäteten Zug stecken. Um hier vorzubeugen, buchen wir heute vorzugsweise 60 bis 80 Prozent eines Zuges als feste Slots. Dadurch bekommen wir flexiblere Abfahrtszeiten. Unsere Partner sind die Operateure Cemat, Hupac und TX Logistik.

Würden Sie sich gern noch stärker auf der Schiene betätigen?

Klar, da ist Luft nach oben. Wir schauen uns sukzessive unsere Warenströme an und prüfen, wo es die nötigen Mengen gibt. Für Intermodaltransporte würden sich unsere Verkehre von und nach Frankreich anbieten. Doch auf dieser Achse gab es nicht die gleiche Dynamik wie auf der Südachse. Es fehlen die Angebote und Operateure, was vielleicht auch an den häufigen Streiks in Frankreich liegt.

Wie sehr haben die Beeinträchtigungen auf der Rheintalstrecke voriges Jahr Ihr Unternehmen getroffen?

Nicht nur Rastatt, sondern auch massive Serviceprobleme stellen unsere Kunden und uns selber auf eine harte Probe. Die Sensibilität ist deutlich gestiegen. Einige forderten eine Rückkehr auf die Straße. Was inzwischen seit Rastatt jeder Kunde verlangt, sind Back-up-Pläne für den Fall, dass Achsen gesperrt werden. Doch wenn die gesamten Abläufe auf die Schiene ausgerichtet sind, kann man nicht ohne Weiteres umstellen. Wir können diese Mengen kaum auf die Straße verlagern. Auch sind die Lkw nicht verfügbar.

Wie stellt sich der Laderaummangel aktuell für Ihr Unternehmen dar?

Die Volumenzuwächse einerseits und die Engpässe bei den Kapazitäten andererseits stellen uns vor Herausforderungen. Jeder Tag ist ein Kampf; wir müssen große Anstrengungen unternehmen, um unsere Qualität und Liefertermine aufrechtzuerhalten. Wenn die positive Wirtschaftsentwicklung anhält, wird sich die Situation weiter zuspitzen. In den kurzen Wochen wie an Ostern war es überaus schwierig, überhaupt noch Lkw für Stückgut und Komplettladungen zu finden.

Was unternehmen Sie, um sich Laderaum zu sichern?

Wir investieren stark ins Frächtermarketing, unternehmen Reisen, um vor Ort zuverlässige Frächter zu finden. In Italien müssen wir zurzeit genauso intensiv suchen. Glücklicherweise haben wir mit vielen Transportunternehmen langjährige Beziehungen und auch die Verträge mit Frächtern sind langfristig ausgerichtet.

Sie sprechen den Mangel an Laderaum an, haben Sie keinen Fahrermangel?

In Deutschland gibt es kein Fachblatt, das nicht über den Fahrermangel berichtet. In Italien ist der Fahrermangel zum Glück noch nicht spürbar. Seit der Krise 2009 haben wir den Fuhrpark nicht mehr weiter ausgebaut und hatten seitdem kaum Abgänge von Fahrern – mussten also auch kaum Stellen nachbesetzen. Wir erledigen zwar nur 20 Prozent unseres Transportbedarfs im Selbsteintritt. Doch auch dafür benötigen wir einen Fuhrpark von etwa 500 Einheiten. Die eigenen Lkw kommen überwiegend auf unserer Hauptstrecke Deutschland–Italien zum Einsatz. Deutschland ist unser wichtigster Auslandsmarkt, danach kommen Spanien und Frankreich.

Zur Person

  • Hannes Baumgartner ist geschäftsführender Gesellschafter der Fercam-Gruppe und vertritt die dritte Generation der Unternehmerfamilie.
  • Am 2. Februar 2017 übernahm er die Geschäfte von seinem Vater Thomas Baumgartner, der 36 Jahre lang an der Spitze des Unternehmens stand.
  • Der 35-Jährige studierte Wirtschaftswissenschaften an der Uni Bocconi in Mailand und war danach, ebenfalls in Mailand, zwei Jahre im Controlling von BMW tätig.
  • Nach seiner Rückkehr zu Fercam arbeitete er in der Niederlassung in Paris und baute die slowakische Tochterfirma in Bratislava mit auf.
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