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Clevere Vernetzung hilft Digital erfolgreich im Landverkehr

Foto: j-mel-stock.adobe.com

Die Digitalisierung bietet erhebliche Potenziale im Landverkehr. Wie einheitliche Schnittstellen, digitale Zwillinge, E-CMR und andere Tools helfen, zeigte ein trans aktuell-Symposium bei der SVG Süd - mit Beispielen von Neocargo, logXpert, TIS und Instafreight.

Brücken bauen, Zwillinge zum Leben erwecken, Bäume vor der Motorsäge retten und Sicherheit bieten – all das ist mithilfe der Digitalisierung möglich. Zumindest zeigten das die Beispiele verschiedener Unternehmen vorige Woche beim trans aktuell-Symposium zum Thema Landverkehr bei der SVG Süd in Stuttgart.

Neocargo will Insellösungen beenden

Was es mit den Brücken auf sich hat? Viele Spediteure haben ihre Inseln – zumindest mit Blick auf die IT. Will man sich mit der Außenwelt vernetzen, gilt es, Brücken zu bauen. Die „Ingenieure“ in den Speditionen machen das nach bestem Wissen – doch höchst individuell, denn jeder Brückenbauer hat einen anderen Architekten.

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Hier setzt das Unternehmen Neocargo an, das aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hervorgegangen ist. Es will Standards schaffen und Speditionen helfen, sich und ihre Systeme zu vernetzen. Vor allem soll es möglich sein, Daten an andere Speditionen zu senden – also Aufträge von einem Transport-Management-System (TMS) in ein anderes zu schicken. Bei Transport Betz in Malsch (Kreis Karlsruhe) ist das Unterfangen bereits geglückt und die Disponenten haben mithilfe von Neocargo schon erste Aufträge fremdvergeben.

Transport Betz gehört zu den zwei bis drei Dutzend Speditionen, die hinter Neocargo stehen. Die meisten Partner kommen aus dem Netzwerk der Ladungskooperation Elvis. 33 mittelständische Unternehmen haben in einer ersten Finanzierungsrunde in das vor einem Jahr gegründete Start-up investiert. In Kürze folgt die zweite Runde, und Vertriebsvorständin Larissa Eger ermunterte die versammelten Speditionen, sich bei Neocargo zu engagieren. „Je mehr mittelständische Speditionen dabei sind, desto unabhängiger können wir langfristig agieren“, sagte sie.

Foto: Thomas Küppers
Neocargo-Vertriebsvorständin Larissa Eger appelliert an Mittelständler, sich ihrem Unternehmen anzuschließen. „Je mehr mittelständische Speditionen dabei sind, desto unabhängiger können wir langfristig agieren“, sagte sie.

Die Vergabe von Aufträgen ist für Eger nur der erste Schritt. Ob Schnittstellen zu Frachtenbörsen, zu Verladerportalen, zu CO2-Lösungen oder anderen Tools – fast alles sei möglich. „Wir wollen eine Art App Store sein, aus dem Sie in Ihrem TMS die Module buchen, die Sie brauchen“, sagte Eger an die Adresse der Spediteure. Die Daten seien in Datenräumen geschützt, sodass Missbrauch ein Riegel vorgeschoben ist. In diese Datenräume kann Neocargo mithilfe von Algorithmen Disponenten künftig individuelle Vorschläge machen – zum Beispiel, ob es in der Nähe des Empfangsdepots Rückladungen gibt.

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Ob sich das Ganze auch rechnet, kann der Unternehmer bei Bedarf künftig ebenfalls über Neocargo erfahren – Schnittstellen zu betreffenden Tools sollen es möglich machen. Eine Lösung ist die der IT-Experten von LogXpert, die hier ihren digitalen Zwilling (digital Twin) ins Spiel bringen. Ihr Anspruch ist es, Speditionen eine exakte Datenbasis an die Hand zu geben – eine Kostenkalkulation, die nicht mithilfe von Durchschnittswerten agiert, sondern die auf einer Vielzahl von individuellen Daten fußt. Im Fall einer Teil- oder Komplettladung speist Logxpert den Zwilling mit mehr als 20 Parametern – Angaben zu Entfernung, zu Fahrzeugprofil, Fahrzeit, Mautklasse, Be- und Entladezeiten, Auslastung, Verbrauch und vielem mehr.

LogXpert setzt beim Pricing auf digitalen Zwilling

Von Durchschnittsdaten nämlich hält LogXpert-Vertriebsprofi Arne Anderssohn, der viele Jahre bei DB Schenker und Dachser verbracht hat, nichts: Er macht das am Beispiel eines Durchschnittsalters eines vierjährigen Jungen und einer 82-jährigen Seniorin fest. Daraus könne doch niemand die Erkenntnis ziehen, dass ein 43-jähriger Mensch gerne einen Sportwagen fahre – der Junge hat noch keinen Führerschein, das Großmütterchen wohl keinen mehr.

Foto: Thomas Küppers
Von Durchschnittsdaten nämlich hält LogXpert-Vertriebsprofi Arne Anderssohn nichts: Ein Durchschnittswert von 1,60 Euro pro Lastkilometer sei nicht mehr als eine Orientierung. „Dafür machen sie keine Nahverkehrs-Tour – am Ende legen Sie drauf.“ Es komme auf Echtwerte an.

Analogie zur Speditionswelt: Ein Durchschnittswert von 1,60 Euro pro Lastkilometer sei nicht mehr als eine Orientierung. „Dafür machen sie keine Nahverkehrs-Tour – am Ende legen Sie drauf.“ Es komme auf Echtwerte an. Auch für Stückgutverkehre kann logXpert nach eigenen Angaben präzise die Kosten kalkulieren. „Innerhalb von zwei Tagen haben wir die Kunden an Bord“, sagt Anderssohn. Erstellen seine Kunden mithilfe des digitalen Zwillings Preislisten, lassen sich die jederzeit aktualisieren, wenn sich Parameter ändern. Das dynamische Pricing löse die statischen Preislisten ab – ausgedruckte Tarife, die von Klarsichtfolien geschützt in Ordnern abgelegt werden.

TIS: Mit E-CMR Zeit, Kosten und Aufwand sparen

Hier setzt Oliver Krahmer an, Produktmanager beim Telematikanbieter TIS aus Bocholt. Auch er will die Papierflut eindämmen. 800 bis 1.000 Kilogramm Papier lassen sich pro Jahr einsparen, was 24 Bäumen eine Rodung erspart. Wie? Indem Speditionen vom analogen Frachtbrief auf den E-CMR umsteigen. Verbunden mit der Papier- sind eine Zeit- und eine Kostenersparnis. Investiert eine Spedition im Schnitt rund 14 Minuten in ein Transportdokument aus Papier, summiert sich das im Jahr auf mehr als 1.500 Mann-Tage. Der Rechnung zugrunde liegt die Annahme, dass ein Flottenbetreiber 200 Lkw einsetzt, die jährlich an 260 Tagen im Fernverkehr im Einsatz sind. Für den Unternehmer dabei relevant ist die Kostenersparnis: Die Firmenkasse wird so laut Krahmer um jährlich 9.200 Euro weniger belastet.

Foto: Thomas Küppers
Oliver Krahmer, Produktmanager beim Telematikanbieter TIS aus Bocholt, hebt die Vorteile des E-CMR hervor. „Ich muss nichts mehr kopieren, abheften, verschicken“, sagt er. Die Transparenz sei jederzeit digital gegeben und alle Beteiligten im Transportprozess immer im Bilde.

„Ich muss nichts mehr kopieren, abheften, verschicken“, sagte er. Die Transparenz sei jederzeit digital gegeben und alle Beteiligten im Transportprozess immer im Bilde – etwa der Straßenkontrolleur, der alle relevanten Parameter auf dem Endgerät des Fahrers einsehen könne oder der Versender, der die Unterschrift auf dem Handy-Display beziehungsweise den Ablieferbeleg sofort erhalte.

In Deutschland ist die Arbeit mit E-CMR seit 10. Juni 2021 möglich. Eine Vielzahl an Ländern akzeptiert die digitalen Dokumente – bis Österreich und Italien mitspielen, muss sich die Branche aber noch etwas gedulden. Aktuell sieben Unternehmen in Europa bieten laut TIS-Mann Krahmer das digitale Dokument. „Ein Spediteur müsste also zu allen sieben Anbietern eine Schnittstelle haben, um alle Kunden zu bedienen“, berichtete Krahmer. Das könne er seinen Kunden nicht zumuten – weshalb sich TIS als Bindeglied dazwischenschaltet. Speditionen können ihre digitalen Frachtbriefe also über TIS abwickeln. Der Monatspreis ist gestaffelt nach der Menge der genutzten E-CMR.

Sichern von Frachtkapazitäten mithilfe von Instafreight

Wie wichtig digitale Prozesse beim Sichern von Frachtkapazitäten sind, zeigte Philipp Ortwein auf, Co-Gründer und CEO der Digitalspedition Instafreight aus Berlin. Das Unternehmen versteht sich als 3 PL- beziehungsweise 4PL, der seine Aufgabe darin sieht, vor allem große Verlader schnell mit Frachtkapazitäten zusammenzubringen, mehrheitlich auf der Straße.

Ausfälle durch Covid-Erkrankungen sowie der generelle Fahrermangel, die Auswirkungen des EU-Mobilitätspakets und des Ukraine-Krieges vor allem auf Frachtführer aus Osteurropa, aber auch die Lieferschwierigkeiten bei Fahrzeugen haben zu einer Verknappung von Frachtraum beigetragen. Wegen hoher Kraftstoff- und Personalkosten schossen die Betriebskosten um bis zu 30 Prozent in die Höhe. Laut Ortwein wurden Ladungsmengen daher eher auf dem Spotmarkt zugesagt.

Foto: Thomas Küppers
Wie wichtig digitale Prozesse beim Sichern von Frachtkapazitäten sind, zeigte Philipp Ortwein auf, Co-Gründer und CEO der Digitalspedition Instafreight aus Berlin.

Was müssen Verlader tun, um bei diesen schwankenden Verhältnissen Frachtkapazitäten zu sichern? Verlader greifen laut Ortwein gemeinhin auf Spediteure zurück, um Zugriff auf Kapazitäten zu erhalten. Und das, ohne die Komplexität des Transportgeschäfts managen zu müssen. „Mit uns können sie aber die Kompetenz aufbauen, um direkt mit den Frachtunternehmen zu arbeiten, um sich unabhängiger von den Spediteuren zu machen.“ Mit einem direkten Zugriff auf Frachtunternehmer können sie dann Kapazitäten auf solche Strecken leiten, auf denen ihre Volumina besonders groß sind. Die Stärke der Spediteure liege dann darin, für den Verlader Volatilitäten auszugleichen.

Um kürzere und einfachere Ausschreibungszyklen zu erreichen, müssen Verlader demnach auch hier mehr Kompetenz aufbauen – oder beispielsweise auf Insta-freight als 4PL-Dienstleister setzen, der Frachten schneller und besser einkaufe. Und je besser ein Verlader zwischen Einkauf, Produktion und Versand abstimme und plane, desto weniger habe die Logistikabteilung zu kämpfen.

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