Aus Sicht von „Allianz pro Schiene“ gibt es zehn Gründe, warum es mit der Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene nicht klappt.
Bis 2030 will die Bundesregierung den Marktanteil der Bahnen im Güterverkehr auf 25 Prozent steigern. Dies gelingt nur mit der Verlagerung vom Transport von der Straße auf die Schiene. Bisher halten die Güterbahnen einen Marktanteil von 19 Prozent. Der gemeinnützige Verband „Allianz pro Schiene“ nannte in einem Gespräch mit Fachjournalisten zehn Gründe , warum die Verlagerung auf die Schiene nicht schneller vorankommt – und präsentierte zugleich zehn Lösungen.
1. Zweithöchste Stromsteuer in Europa
In Europa müssen Güterbahnen nur in Österreich mit 1,5 Cent pro Kilowattstunde eine noch höhere Stromsteuer zahlen als in Deutschland. Konkret: 1,14 Cent pro Kilowattstunde, insgesamt 141 Mio. Euro pro Jahr. Deutschland sei damit Vize-Europameister bei der steuerlichen Belastung der Güterbahnen. Hier könne eine Entlastung der Güterbahnen bei der Stromsteuer Abhilfe schaffen, so die „Allianz pro Schiene“.
2. „Eiserner Vorhang“ für E-Loks nach Polen und Tschechien
Von den insgesamt 24 Grenzübergängen im Schienennetz nach Tschechien und Polen sind lediglich drei elektrifiziert. E-Loks werden systematisch ausgebremst. Das Problem: Durch Umwege oder Lokwechsel vor der Grenze wird der Gütertransport auf der Schiene preislich unattraktiv, die Güter werden grenzüberschreitend per Lkw transportiert. Als Lösung schlägt der Verein vor, Grenzübergänge zu elektrifizieren.
3. Fehlende Überholgleise
Autobahnen sind mindestens zweispurig in jede Richtung. Schienenstrecken haben dagegen häufig nur ein Gleis pro Richtung, das sich langsame Güterzüge mit schnellen Personenzügen teilen müssen. Damit die Personenzüge überholen können, weichen Güterzüge auf Überholgleise, die vergleichbar sind mit Haltebuchten an Straßen, und warten. Von diesen Überholgleisen gibt es zu wenig und sie sind häufig so kurz, dass 90 Prozent des Schienennetzes für Güterzüge mit der EU-Standardlänge von 740 Metern nicht befahrbar sind. Das Problem: Güterzüge können ihre Längenvorteile und damit ihre Preisvorteile gegenüber dem Lkw nicht voll ausschöpfen. Als Lösung schlägt die „Allianz pro Schiene“ vor, das gesamte Schienennetz für 740-Meter-Güterzüge ertüchtigen.
4. Veraltetes Kupplungssystem
Die Güterwaggons werden nahezu weltweit automatisiert aneinander gekuppelt, nur in Europa noch wie vor 100 Jahren per Handarbeit. Das Problem: Die Zusammenstellung von Güterzügen ist in Europa zeitaufwändig und teuer. Die Lösung nach Ansicht der „Allianz pro Schiene“: Die EU muss die flächendeckende Umrüstung aller Güterwaggons auf die Digitale Automatische Kupplung (DAK) bis 2030 vorschreiben und fördern.
5. Gewerbegebiete ohne Gleisanschluss
Jedes Gewerbegebiet bekommt mit Steuergeld einen Straßenanschluss. Gleisanschlüsse gibt es nur mit finanzieller Beteiligung der Unternehmen. Das Problem: Gleisanschlüsse werden häufig gar nicht erst gebaut. Eine Lösung könne sein, neue und aufkommensstarke Gewerbegebiete dürfen nur mit Gleisanschluss zu genehmigen.
6. Lkw profitieren von Mautlücke
Lkw fahren jenseits der Bundesfernstraßen mautfrei. Güterbahnen zahlen auch auf Nebenstrecken Maut. Das Problem: Güterbahnen sind im Wettbewerb mit dem Lkw finanziell benachteiligt. Der Lösungsvorschlag der „Allianz pro Schiene“: Lkw-Maut auf allen Straßenkategorien einführen.
7. Dieselsubvention
Für Dieselkraftstoff müssen 19 Cent weniger Steuern gezahlt werden als für Benzin. Da es beim Lkw anders als beim Pkw keine Korrektur über unterschiedliche Kfz-Steuersätze gibt, profitieren Lkw uneingeschränkt von dieser Subvention. Das Problem: Güterbahnen, die ihre Transportleistung zu 93 Prozent elektrisch erbringen, kämpfen preislich gegen einen subventionierten Dieselantrieb auf der Straße. Die Lösung ist aus Sicht der „Allianz pro Schiene“ die Abschaffung des Dieselsteuerprivilegs. „Die Chancen dafür stehen bei der gegenwärtigen Bundesregierung gleich null“, erklärte Geschäftsführer Dirk Flege gegenüber trans aktuell. Er hofft darauf, mit diesem Anliegen bei der nächsten Bundesregierung ab Herbst 2021 mehr Gehör zu finden.
8. Kaufprämien für Lkw
Für den Kauf von E-Lkw oder Gas-Lkw zahlt der Staat einen Zuschuss, für den Kauf von Güterzug-Lokomotiven nicht. Zusätzlich sind diese Lkw komplett von der Maut befreit. Das Problem: In Kombination mit weiteren Ermäßigungen für alternativ angetriebene Lkw gerät die energieeffizientere Güterbahn preislich zunehmend ins Hintertreffen. Die „Allianz pro Schiene“ fordert deshalb keine Kaufprämien und Mautbefreiungen mehr für Lkw.
9. Fehlende Kostenwahrheit
Umwelt- und Unfallschäden des Gütertransports werden großteils auf die Gesellschaft oder folgende Generationen abgewälzt. Lkw verursachen nach Berechnungen der „Allianz pro Schiene“ pro transportierter Tonne und Kilometer 4,5 Cent dieser so genannten „externen Kosten“, Güterbahnen 2,0 Cent. Demnach verursache der Straßengüterverkehr in Deutschland jährlich 28,7 Milliarden rd. Euro Folgeschäden, der Schienengüterverkehr 2,6 Mrd. Euro. Die „Allianz pro Schiene“ hält hier eine verursachergerechte Zuordnung der tatsächlich anfallenden Kosten im Gütertransport für alle Verkehrsträger füe zielführend.
10. Fehlendes digitales Einstiegsportal für Neukunden
Schienengüterverkehr ist für Neukunden komplizierter als Straßengüterverkehr, argumentiert die „Allianz pro Schiene“. Ein Online-Portal, das die Schienenangebote verschiedener Unternehmen bündelt und für die Versender von Waren leicht zugänglich macht, gibt es nicht. Dies führe dazu, dass Insbesondere kleinere Unternehmen, die keinerlei Erfahrung mit Schienengüterverkehr haben, abgeschreckt werden oder ohne Hintergrundwissen kein passendes Angebot für den Transport ihrer Güter auf der Schiene finden. Die „Allianz pro Schiene“ schlägt vor, die Branche solle schnellstens eine unternehmensübergreifende digitale Plattform für Einsteiger auf den Weg bringen.
Allianz pro Schiene
Die Allianz pro Schiene e.V. ist ein gemeinnütziger Verband zur Förderung des Schienenverkehrs. Das Bündnis vereint Non-Profit-Organisationen, die sich aus ideellen Gründen für den Schienenverkehr einsetzen und ihn verbessern wollen (Mitglieder), und Firmen, die unternehmerisch im Bereich des Schienenverkehrs tätig sind (Fördermitglieder). Der Verband arbeitet auf nationaler Ebene und mit europäischer Ausrichtung.
Die „Allianz pro Schiene“ sieht sich als treibende Kraft in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zur Vergrößerung des Schienenverkehrsanteils am Gesamtverkehr (Modal Split). In den nächsten fünf Jahren strebt der Verband für die Schiene in Deutschland einen Marktanteil von mindestens 15 Prozent im Personenverkehr und mindestens 25 Prozent im Güterverkehr an.