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Interview Standortverlagerung aus Profisicht

Marcus Gastbeitrag Foto: Marcus Transport GmbH
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Firmenumzüge bedeuten einen großen und stets zeitkritischen Arbeitsaufwand – Marcus-Transport-CEO Hendrik Bormann über das Prozedere aus Logistiker-Sicht.

Herr Bormann, Sie führen zusammen mit David Niessen die Marcus Transport GmbH. Was ist das für ein Unternehmen?

Bormann: Unser Logistikunternehmen wurde 1936 in Wuppertal gegründet und wir haben uns auf die „harten Fälle“ der Logistik spezialisiert. Wir führen Firmenumzüge oder auch ganze Standortverlagerungen durch. In diesem Bereich bieten wir eine besondere Expertise für Schwer- und Maschinentransporte sowie die dazugehörige Montage und Demontage. Zusätzlich haben wir ein weiteres Standbein mit der Vermietung von Flurförderfahrzeugen, Schulungen und ähnlichen verwandten Themen.

Allerdings ging das mit den Spezialtransporten erst in den 1960ern los. Gegründet wurde die Firma als ein bahnamtliches Rollfuhrunternehmen – also eine Spedition im Auftrag der damaligen Reichsbahn.

Ab Januar 2023 expandieren wir zudem mit einer Zweigstelle in Köln-Merkenich.

Wie laufen denn die Geschäfte in Sachen Betriebsumzüge?

Bormann: Ohne Übertreibung sehr gut. Seit den 1970ern bedienen wir das Segment Betriebsverlagerungen. Mittlerweile komplett aus einer Hand, also inklusive Planungsarbeiten, Prioritätensetzung, Kalkulation und allen anderen Aufgaben, die rings um einen Firmenumzug anstehen. In den vergangenen rund zehn Jahren haben wir gut über 25.000 Maschinentransporte, Verlagerungen etc. durchgeführt.

Mittlerweile haben wir uns dadurch nicht nur ein sehr kompetentes Team aufgebaut, sondern auch einen entsprechenden Fuhrpark angeschafft. Ich sage dazu immer, Firmenumzüge sind schon für sich genommen eine Mammutaufgabe. Es wird definitiv nicht einfacher, wenn daran noch mehrere Dienstleister beteiligt sind. Deshalb bieten wir alles aus einer Hand an.

Was für Firmen treten an Sie heran?

Bormann: Das ist wirklich ganz unterschiedlich. Vom kleinen Schreinerbetrieb, der in eine größere Werkstatt ein paar Straßen weiter umzieht, bis zum Industrieunternehmen an der oberen Grenze der KMU-Definition, das seinen Firmensitz ans andere Ende Deutschlands verlagert, war prinzipiell alles dabei.

Wir machen hier aber auch keinen Unterschied: Ein Auftrag ist immer ein Auftrag. Egal, ob „nur“ eine viele Tonnen schwere Maschine bewegt werden muss oder eben der ganze Betrieb inklusive Büros und Kantine.

Was bewegt Firmen, den Standort zu wechseln?

Bormann: Gründe dafür gibt es viele. Beim Großteil ist, meiner Erfahrung nach, der bisherige Standort einfach an den Grenzen der Ausbaufähigkeit angelangt. Dann ist beispielsweise kein Platz mehr vorhanden, um eine neue Fertigungsstraße aufzuziehen. Bevor man diese an einem entfernteren Standort für sich installiert, fällt häufig die Entscheidung, lieber das gesamte Unternehmen zu verlagern, damit alles weiterhin zusammenbleibt.

In jüngerer Zeit merken wir allerdings, dass auch das Thema Fachkräftemangel ein (mit-)auslösender Faktor ist, teilweise selbst bei lange in einer Region residierenden Firmen. Viele finden vor Ort schlicht keine Nachwuchskräfte mehr. Wenn es dann nicht gelingt, neue Mitarbeiter von außerhalb anzulocken, wird der Firmenumzug sozusagen überlebensnotwendig.

Ein weiterer Punkt ist das Thema Internet. Kaum eine Firma kommt heute noch ohne sehr gute Verbindungen aus. Allerdings ist es mit damit gerade im ländlichen Raum ja oft so eine Sache. Heißt, wir hatten auch schon Aufträge, bei denen eine Firma hauptsächlich den Standort wechselte, um nicht digital abgehängt zu werden.

Was sind die größten Herausforderungen bei Firmenumzügen?

Bormann: Da gibt es zwei. Einerseits ist jedes Unternehmen und dadurch jeder Auftrag anders. Natürlich haben wir zwar einen großen Erfahrungsschatz, aber trotzdem ist jede Firma einzigartig, weshalb auch jeder Auftrag neue Anforderungen stellt. Da muss man flexibel und teilweise ziemlich kreativ sein.

Andererseits bedeutet jeder Firmenumzug für das jeweilige Unternehmen Umsatzeinbußen. Der alte Standort wird abgebaut, der neue wird aufgebaut. Es gibt einfach keine Möglichkeit, dass eine Firma dennoch über den ganzen Umzug hinweg mit voller Leistung operieren kann – und sei es nur, weil am neuen Standort die Büros anders verteilt sind und sich das Personal erst einmal orientieren muss. Es tickt deshalb bei jedem Auftrag die Uhr – sowohl für uns als auch den Auftraggeber.

Das ist mit ein Grund, warum Marcus Transport ein so großes Team hat. Nur dadurch können wir nötigenfalls an beiden Standorten gleichzeitig arbeiten. Unser Anspruch ist, die Ausfallzeiten und Umsatzeinbußen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.

Lässt sich ein Betriebsumzug mit einem Privatumzug vergleichen?

Bormann: Ja und nein. Es muss immer der gesamte Inhalt eines Haushalts oder Unternehmens beziehungsweise einer Abteilung bewegt werden. Aber Betriebsumzüge sind meist zeitkritischer und arbeitstechnisch herausfordernder. Gerade wenn das Thema Maschinen, Fertigungsstraßen etc. ins Spiel kommt, steigt der Komplexitätsgrad steil an.

Bei einem Privatumzug verpackt man alles in Kartons, dann kann es losgehen. Aber wenn beispielsweise bei einem Metallbauer zunächst eine Presse zerlegt werden muss, die schon stand, als der aktuell älteste Mitarbeiter angestellt wurde, um auf transportable Abmessungen zu kommen, wird es ungleich komplexer.

Dann gibt es Fälle, in denen wir zur Verkürzung der Ausfallzeiten einen Halleninhalt nicht einfach Stück für Stück vom Tor bis an die hintere Wand verlagern können, wie es logistisch am einfachsten wäre. Stattdessen muss man beispielsweise erst eine tonnenschwere Maschine aus der Hallenmitte entnehmen, weil sie am neuen Standort zuerst einsatzbereit sein muss. Ringsherum läuft der Betrieb ungebremst weiter. Oft wird das zu einer Millimeterarbeit mit tonnenschwerem Gewicht am Kranhaken. Dank unseres umfangreichen Maschinenparks mit vielen Spezialstaplern und -kranen sind wir jedoch für solche Herausforderungen gut aufgestellt.

Erneut muss ich hier auf unser Team verweisen. Das sind alles äußerst flexible Fachleute mit viel Praxiserfahrung, die nötigenfalls „um die Ecke“ denken können. Sie brauchen nicht unbedingt eine Anleitung, um die besagte Presse zu zerlegen und sie am neuen Standort wieder zu einem funktionierenden Ganzen zusammenzubauen. Ohne solche Leute geht es einfach nicht.

Gibt es überhaupt feste Schemata, nach denen man als Speziallogistiker solche Umzüge angehen kann?

Bormann: Absolut. Die Arbeit beginnt immer damit, dass wir eine gründliche Ortsbegehung machen. Wir besprechen mit dem Kunden, was seine Zielsetzungen sind, wie er sich die Sache vorstellt. Dann analysieren wir, inwiefern sich diese Wünsche mit der logistischen Machbarkeit vereinen lassen.

Die wenigsten Firmenbetreiber haben große Erfahrungen mit Betriebsumzügen. Daher ist es wichtig, dass wir als Dienstleister einerseits unsere Kompetenz einbringen, aber andererseits die Sorgen, die es bei vielen Unternehmern gibt, nicht einfach vom Tisch wischen, bloß weil wir es als Routinier besser wissen.

Da ist es vorteilhaft, dass wir alles aus einer Hand anbieten. Wir müssen uns nur mit den betrieblichen Notwendigkeiten koordinieren und können ansonsten frei agieren, wie es für die praktische Umzugsarbeit und damit den Auftraggeber am besten ist.

Wir erstellen deshalb Ablauf- und Zeitpläne. Die machen nicht nur unsere Aufgabe einfacher, sondern helfen vor allem dem Betrieb, indem einerseits die Ausfallzeiten gering bleiben und andererseits stets transparent bekannt ist, welche Phase wie lange dauert.

Übrigens sind diese ständig neuen, sich wandelnden Herausforderungen ein wichtiger Grund, warum der Job für uns als Team so spannend ist. So wichtig der Erfahrungsschatz auch ist, so wenig gleicht ein Auftrag dem nächsten. Im Prinzip verlagern wir Firmen von A nach B, aber jeder Job ist trotzdem ganz einzigartig. Über Langeweile hat sich jedenfalls noch keiner im Team beklagt.

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