Der Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck sprach beim DSLV über Wege zu mehr Kreativität und Ideen in Speditionen.
Wie können Mitarbeiter von Speditionen kreativer werden? Darüber sprach kürzlich der Neurowissenschaftler und Autor Dr. Henning Beck beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) in Berlin.Fragen sind seiner Meinung nach der Schlüssel zur Lösung zahlreicher Problemstellungen. Denn um ein konkretes Problem zu lösen, muss es zunächst verstanden werden. Dabei helfen Fragen. „Je mehr Fragen man stellt, desto mehr vergrößert man die Angriffsfläche eines Problems“, erklärt Beck und verweist auf die Wissenschaft. „Die besten Wissenschaftler erkennt man daran, dass sie die besten Fragen stellen – und nicht daran, dass sie schnell Antworten geben.“
„Denkmuster engen ein und verhindern gute Ideen.“
Becks Rat: „Fragen stellen, die kein anderer stellt, und damit die Dinge in ein neues Licht rücken. Die Probleme ganz anders attackieren als die Umwelt.“ Sinnvoll ist es somit auch, fachfremde Menschen einzubeziehen. Die Folge: Manche geben Lustiges von sich, manche Sinnvolles, manche Unsinn. Letzteres sei jedoch nicht weiter schlimm. „Es geht darum, anfangs einen großen Ideenpool zu erstellen und dann zu testen, was funktioniert“, so Beck. „Es geht darum, geistig zu prototypisieren. Erst wenn ich Ideen anwende, sie ausprobiere und in die Realität versetze, werde ich verstehen, ob sie funktionieren.“ Zudem habe jede Idee, so verrückt sie auch klingen möge, irgendwo einen wahren Kern. „Je mehr man sich mit diesem wahren Kern auseinandersetzt, desto besser“, ist Beck überzeugt. Und: „Ich habe noch kein Projekt gesehen, das nicht davon profitiert hätte, einen Laien hinzuzuziehen. Der kann die naiven Fragen stellen, auf die keiner aus der Expertenrunde kommt.“Wichtig sei es auch, sich gelegentlich selbst zu provozieren. Zum Beispiel, indem man Medien konsumiere, mit deren Ansichten man überhaupt nicht übereinstimme. Beck zitierte Abraham Lincoln: „Ich mag diesen Mann nicht, ich muss ihn besser kennenlernen.“Wichtig bei kreativen Prozessen sei es auch, sich keine Denkverbote aufzuerlegen. Geschehe dies doch, sei es schwierig, neue Lösungen für alte Probleme zu finden. „Denkmuster engen ein und verhindern gute Ideen.“
Perspektivenwechsel hilft
Wenig kreativitätsfördernd ist laut Beck auch eine Nullfehlerkultur im Sinne einer Anweisung an die Mitarbeiter wie: „Mach bloß keine Fehler.“ Der Neurowissenschaftler gibt zu bedenken, dass Maschinen sehr viel besser fehlerfrei arbeiten könnten als Menschen. Dennoch werde von Menschen heutzutage oft verlangt, keine Fehler zu machen und sich damit zu verhalten wie Maschinen. „Dann wundern wir uns, wenn eine Maschine kommt und es besser macht.“ Er zitierte in diesem Zusammenhang den Erfinder des Computers, Konrad Zuse: „Die Gefahr, dass der Computer so wird wie der Mensch, ist nicht so groß wie die Gefahr, dass der Mensch so wird wie der Computer.“ Beck: „Den letzteren Weg sollten wir gerade nicht einschlagen.“ Sinnvoll ist häufig auch ein Perspektivenwechsel. Voraussetzung dafür ist es, sich von dem Problem ein Stück weit zu entfernen.
Die Kunst, von einem Problem zurückzutreten, verlangt allerdings auch ein gewisses Maß an Freiheit. Demnach ist es wichtig, sich mit einem Problem nicht permanent zu beschäftigen. „Wer das nicht tut, sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.“ Letztlich ist es besser, sich auch mal Tagträumen hinzugeben oder sich sogar zu langweilen. Jedoch gibt es im Smartphone-Zeitalter für Langeweile fast keinen Raum mehr, weder an Supermarktkassen noch an Bushaltestellen. „Und auch Seminare, wie man zum perfekten Langweiler wird, sucht man vergebens“, so Beck. Dabei entstehen gute Ideen immer dann, wenn man sie nicht bewusst erzwingen will, sondern vielmehr bei Spaziergängen, beim Kochen, Radfahren oder Duschen. Der Grund, so Beck: „Bei solchen Tätigkeiten übernimmt das Kleinhirn die wichtige Denkarbeit.“ Dadurch hat der Rest des Gehirns mehr Kapazität und geht auf gedankliche Wanderschaft.
Distanz aufbauen
Daraus folgt: Die Distanz zu Problemen fördert die Kreativität. „Maschinen können nicht kreativ sein, weil sie permanent durcharbeiten“, erklärt der Neurowissenschaftler. Oft sehe es zwar so aus, als falle jemandem eine Idee aus heiterem Himmel ein. Doch hält es Beck eher mit dem Naturwissenschaftler Louis Pasteur: „Der Zufall trifft den vorbereiteten Geist.“ Die Kunst, von einem Problem zurückzutreten, verlangt auch, sich von der ständigen Erreichbarkeit zu verabschieden. Dies kann im Smartphone-Zeitalter schwerfallen. Henning Beck verweist auf seine Erfahrungen aus dem Silicon Valley. „Die kreativsten Menschen dort sind nicht permanent erreichbar“, erzählt er. Dies helfe auch, sich besser auf das Wesentliche zu konzentrieren und geistige Übersättigung zu vermeiden. Führungskräften in Speditionen gibt Beck den Tipp, im Firmengebäude gezielt Räume einzurichten, in denen sich Mitarbeiter informell begegnen können. So sei es möglich, sich mit anderen Ansichten auseinanderzusetzen. Im Übrigen seien Großstädte pro Kopf messbar innovativer. „Nicht weil die Menschen dort cleverer sind, sondern weil die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass man einander trifft“, so Beck.