Lkw-Unfälle im Fokus Tag der Verkehrssicherheit

Polizeipräsidium Westpfalz Foto: Polizeipräsidium Westpfalz
Meinung

Am Sonntag, 24. September 2023, gibt es auf der NUFAM Karlsruhe Podiumsdiskussionen zu Lkw-Unfällen am Stauende und beim Rechtsabbiegen sowie zur Gesundheit der Lkw-Fahrer.

Die Meldung des Polizeipräsidiums Westpfalz vom 25. August überrascht Insider schon lange nicht mehr. Der Fahrer eines Autotransporters hatte am Donnerstagnachmittag zuvor auf der A6 zwischen Enkenbach-Alsenborn und Wattenheim einen Unfall mit erheblichen Folgen verursacht. Kurz vor 16 Uhr hatte er auf seinem Weg in Richtung Mannheim nach der Anschlussstelle Enkenbach-Alsenborn den Hinweis auf eine bevorstehende Baustelle übersehen. Nach den bisherigen Ermittlungen krachte der Transporter ungebremst auf den sogenannten "Baustellenvorwarner", einen Lkw der Autobahnmeisterei, der mit Anhänger und entsprechender Warntafel auf dem rechten Fahrstreifen stand.

Die verheerende Bilanz: Der Autotransporter sowie die sieben geladenen Fahrzeuge brannten aus. Der Lkw der Autobahnmeisterei wurde mitsamt Anhänger und Warntafel ebenfalls massiv beschädigt. Ein weiterer Lkw einer Baufirma sowie etwa 400 Quadratmeter Wald wurden durch übergreifende Flammen in Mitleidenschaft gezogen. Auch der Fahrbahnbelag im betroffenen Autobahnabschnitt wurde beschädigt. Der Gesamtschaden dürfte geschätzt im sechsstelligen Bereich liegen. Verletzt wurde zum Glück niemand.

Seit meiner Rückfrage bei der Pressestelle der Polizei steht allerdings fest: Bei dem Unfallverursacher handelte es sich um einen in Portugal zugelassenen Renault D Wide als Zugfahrzeug mit Erstzulassung im Jahr 2021. Obwohl der Lkw laut Baujahr also mit einem modernen Notbremsassistenten (AEBS), hier von Volvo, ausgestattet war, versuchte der Lkw-Fahrer im letzten Moment nach links auszuweichen, konnte aber eine Kollision nicht mehr verhindern. Laut Polizei waren keine Bremsabriebspuren vor der Kollision mit dem Baustellenvorwarner vorhanden. Das ist, leider, der Klassiker.

Weiterhin hohe Anzahl an Stauendeunfällen

„Trotz einer mittlerweile einhundertprozentigen Ausstattung mit AEBS bei Lkw im Fernverkehr gibt es weiterhin eine viel zu hohe Zahl an schweren und tödlichen Unfällen an Stauenden auf deutschen Autobahnen“, beklagt der langjährige Leiter der Verkehrspolizei Mannheim und Mitbegründer von „Hellwach mit 80 km/h“, Dieter Schäfer.

Brancheinsider schätzen, dass allein auf Grund der aktuellen Meldungen in den Medien oder auf der von Lkw-Fahrern organisierten Facebookseite „Lkw – Unfälle und Kontrollen“ bis Ende September fast 50 Lkw-Fahrer ums Leben gekommen sind - den jüngsten Todesfall gab es erst heute auf der A2 zu verzeichnen. Bis Ende des Jahres wird wohl wieder mit mehr als 70 getöteten Fahrern zu rechnen sein. Damit näheren wir uns wieder dem Negativrekord von 2021.

Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse

„Gegen das Sterben am Stauende – Ursachen wirksam bekämpfen und Technik richtig nutzen“ heißt daher eine der drei hochkarätig besetzen Podiumsdiskussionen unter der Moderation von Thomas Rosenberger am Sonntag, 24. September, in der Auktionshalle der NUFAM 2023 in Karlsruhe. Hier ist das vollständige Programm zu finden.

„Nach dem Inferno mit zwei Gefahrguttransportern und zwei toten Fahrern Ende August auf der "Todesstrecke", der A2 bei Burg, sowie dem tödlichen Auffahrunfall mit einem Sattelzug auf der A3 bei Hamminkeln tags darauf haben wir das BMDV angeschrieben und den für die Koordination des Güterverkehrs zuständigen Staatssekretär Oliver Luksic um Unterstützung und um wirksame Handlungsoptionen gegen das Sterben am Stauende gebeten“, berichtet Schäfer. „Selbst auf eine Eingangsbestätigung warten wir bis heute. Das Sterben unter den Berufskraftfahrern geht weiter. Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse, singuläre Kampagnen reichen nicht aus. Wir brauchen ein koordiniertes Vorgehen. Die Transportbranche muss zeigen, dass ihr das Leben ihrer Fahrer etwas wert ist. Wir brauchen eine ernstgemeinte Bewegung für mehr vorausschauendes und rücksichtsvolles Fahren, die auch die Einzelkämpfer unter den Fahrern mitnimmt.“

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Die schöne Theorie der C-ITS Technik

„Zudem“, kritisiert Schäfer, „ist derzeit kein Lkw-Hersteller in der Lage, mit seinem AEBS einen Baustellenvorwarnanhänger sicher als Hindernis zu erkennen. Helfen soll zukünftig laut BMDV die in den Anhängern installierte C-ITS Technik über WLANp , die den Fahrer in Echtzeit warnen kann. Nur sind die korrespondierenden Antwortsysteme noch gar nicht in den Lkw verbaut.“

Das bestätigt auch Barend Wolf, Referatsleiter Fahrzeugtechnik beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat e. V. (DVR). „Diese Unfälle werden uns wohl leider auch noch ein paar Jahre begleiten. Daran dürfte auch die Ausstattung der Absperranhänger der Autobahn GmbH mit C-ITS so schnell nichts ändern. Auch wenn die Ausstattung wie geplant Ende dieses Jahres abgeschlossen sein sollte, können die Signale (mit dem WLANp-Standard) aktuell ohnehin nur von einigen wenigen Pkw des VW-Konzern empfangen werden.“ Ob die Lkw-Hersteller sich auf diesen Kommunikationsstandard festlegen werden, sei noch völlig offen.

Die französische Automobilindustrie hat diesen Sommer bereits angekündigt, auf 5G V2X zu setzen. „Bleibt abzuwarten, wie sich die deutsche Automobilindustrie positionieren wird“, sagt Wolf. „Es deutet sich aber an, dass das, was das Verkehrsministerium und die Autobahn GmbH mit großer medialer Begleitung für ihre Absperrtafeln geplant haben, in der Praxis nicht den gewünschten Effekt haben wird. Auch der Ansatz, den wir im DVR verfolgen, die Baustellenwarnung über bereits im Lkw befindliche Applikationen, wie z.B. Toll Collect, Here, TomTom und Co. zu den Fahrern zu bringen, wird nicht von heute auf morgen einen Effekt zeigen.“

Warum es beim Rechtsabbiegen nur Verlierer gibt

„Unter die Räder geraten. Warum es beim Rechtsabbiegen nur Verlierer gibt“. Es ist das zweite Thema, mit dem ich mich seit vielen Jahren in meinen Blogs und im Magazin FERNFAHRER wie zuletzt bei einem dramatischen Lkw-Unfall in der Hamburger Hafen-City befasse. Zu dem mir die Staatsanwaltschaft Hamburg erst kürzlich geschrieben hat, dass die Ermittlungen immer noch nicht abgeschlossen sind. Fest steht nur, dass auch moderne Abbiegeassistenten diese Unfälle nicht immer verhindern können.

Auch der „Trixi-Spiegel“, den der Lkw-Fahrer Udo Skoppeck einmal mehr im Freigelände präsentiert, ist ein weiter Blick in den Spiegel eines, wie viele Gerichtsverfahren gezeigt haben, in der konkreten und zumeist dynamischen Situation oft überforderten Fahrers. So freue ich mich, dass Matthias Pfitzenmaier, Fachanwalt für Verkehrsrecht, auf der NUFAM über die rechtlichen Aspekte aufklärt, Ulrich Welzel über die Notwendigkeit einer psychosozialen Notfallversorgung spricht und mit Dr. Matthias Zimmermann vom ADFC vielleicht eine sachliche Debatte darüber möglich ist, wie vor allem die gegenseitige Rücksichtnahme beider Verkehrsteilnehmer Leben retten kann.

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Zu langer Arbeitsalltag

Den Auftakt ab 11 Uhr macht die Diskussion zum Thema „Unfallursache Krankheit. Gesund leben on the oad. Selbsttherapie ist keine Lösung“. Leider häufen sich aktuell auch wieder die Einzelunfälle mit Lkw, bei denen im Anschluss ein internistischer Notfall festgestellt wird. Die gesundheitlichen Probleme der Fahrer sind schon lange bekannt, leider gibt es immer noch zu wenige, meist mittelständische Unternehmen, die tatsächlich durch eine Organisation der Abläufe versuchen, den Stress aus dem Alltag ihrer Fahrer zu nehmen oder regelmäßige betriebsärztliche Untersuchungen anzubieten. Beim Treffen des Kraftfahrerkreis Aschaffenburg-Miltenberg letzten Samstag klagten viele Fahrer über eine nach wie vor real existierende viel zu hohe Arbeitsbelastung mit Arbeitszeiten von bis zu 15 Stunden am Tag. Um die Versorgung unterwegs erkrankter Fahrer kümmert sich seit Jahren die Organisation DocStop. Getreu dem Motto: Nur gesunde Fahrer sind auch sichere Fahrer.

Und so freue ich mich natürlich, dass ich an diesen Tag um 12 Uhr auch kurz mit Thomas Rosenberger über meinen neuen Roman „Die Gefahr im Kopf“ sprechen kann, der offiziell am 20. September 2023 erscheint. Darin geht es nämlich neben den beiden Hauptthemen auch um die Gefahr der Lkw-Unfälle am Stauende, die Gefahr beim Rechtsabbiegen und die Gefahr durch alkoholkranke Lkw-Fahrer auf osteuropäischen Lkw, die ebenfalls in Deutschland von der Politik nicht wahrgenommen wird.

Ich freue mich auf einen spannenden Austausch in Karlsruhe!

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