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Kombinierter Verkehr in neuen Dimensionen Erste Zugabfahrt im Megahub Lehrte

Foto: MegaHub Lehrte/Hans Pieper

Nach 24 Monaten Bauzeit ist das Megahub Lehrte an den Start gegangen. Es ist eine Anlage, die neue Maßstäbe im Intermodalverkehr setzt.

Die Deutsche Bahn schlägt ein neues Kapitel im Kombinierten Verkehr (KV) auf. Sie startet den Schiene-Straße-Umschlag in einer Anlage, die – was Kapazität, Leistungsfähigkeit und vor allem Technik und IT angeht – ihresgleichen in Europa sucht. Name ist dabei Programm: Megahub nennt sich das Ganze. „Die Dimensionen sind schon mega“, bestätigt Hans Pieper, Geschäftsführer der Megahub Lehrte Betreibergesellschaft, im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell.

Kapazität des Megahubs bei 269.000 Ladeeinheiten

Innerhalb von 24 Monaten ist auf der grünen Wiese bei Hannover ein Kombi-Knotenpunkt entstanden, der im Endausbau mit sechs Krananlagen für eine Umschlagkapazität von 269.000 Ladeeinheiten im Jahr ausgelegt ist. Die Baukosten beliefen sich auf 170 Millionen Euro, wovon der Bund einen Großteil übernommen hat. Zunächst drei Portalkräne mit einem hohen Automatisierungsanteil verrichten an sechs, jeweils 720 Meter langen Gleisen ihren Dienst. Der Clou der Anlage ist ein automatischer Längsförderer, der einen schnellen Umstieg von Aufliegern, Containern und Wechselbrücken zwischen den Zügen ermöglicht.

Mit dem Megahub wollen die Bahn beziehungsweise ihre Tochterunternehmen DB Netz, Kombiverkehr und Duss dem KV einen Effizienz- und Innovationsschub verleihen. Die Anlage soll Züge in nie gekannter Schnelligkeit abfertigen, Mengen intelligent bündeln, Regionen ans KV-Netz anbinden, die bisher ein geringes Aufkommen haben, und Neukundengeschäft ermöglichen – sei es aus dem Emsland, Hildesheim, Bielefeld oder Berlin.Diese Regionen verfügen zwar über intermodales Aufkommen, aber für unterschiedliche Relationen, was keinen Ganzzug rechtfertigen würde. Megahub-Geschäftsführer Pieper kann sich vorstellen, dass diese Regionen „bunte Züge“ nach Lehrte fahren, wo die Einheiten auf sortenreine Ganzzüge umsteigen, was die Auslastung steigert und die Aktivitäten wirtschaftlich macht. Er wolle mit Lehrte weder den Rangierbahnhof Maschen ablösen noch „auf Teufel komm raus“ alles über den Megahub ziehen. „Wenn ein Zug von A nach B gut gefüllt ist, brauchen wir ihn nicht in Lehrte.“

Foto: MegaHub Lehrte/Hans Pieper
Megahub mit mega Möglichkeiten: Drei Portalkräne verrichten an sechs zuglangen Gleisen ihren Dienst.

Glücklich über den Start des Megahubs sind auch die Verantwortlichen bei Hellmann. Der Zug des Logistikdienstleisters, organisiert von DB Cargo, markierte am 15. Juni den operativen Start des Terminals. Er hat Einheiten aus Osnabrück und Hannover geladen und fährt nun werktäglich über Lehrte nach Landshut und Regensburg. Für Hellmann ist die Anlage verkehrsgünstig gelegen – nur wenige 100 Meter von der Niederlassung in Lehrte entfernt. „Dank der neuen KV-Anlage können wir unsere bisher singulären Zugleistungen zu einem Netzwerk verknüpfen, indem wir angebotene Routen neu kombinieren. Das birgt für uns als Unternehmen erhebliche Wachstumsperspektiven“, sagt Dirk Baerbock, verantwortlich für Multimodalverkehre bei Hellmann.

Mit diesem Pilotzug von Hellmann und der klassischen, Terminal-typischen, Abfertigung Schiene–Straße sammeln die zwölf Beschäftigten in Lehrte unter der Leitung von Nicole Brandenburg nun Erfahrungen, ehe die weiteren Module des Terminals, darunter der Längsförderer – sozusagen eine vollautomatische Sortieranlage – als Herzstück, ihren Volllast-Betrieb aufnehmen. Die Aufgabe des Längsförderers übernehmen zwölf fahrerlose Transportsysteme (Automated Guided Vehicles, kurz AGV). Mit dem Einsatz solcher AGVs betritt die Duss als führender Terminalbetreiber Deutschlands mit 24 Anlagen und jährlich 2,2 Millionen umgeschlagenen Einheiten, Neuland. Sie sind der verlängerte Arm der Portalkräne auf dem Boden und verkehren auf einer eigenen Spur, um nicht mit Menschen und Lkw in Kontakt zu kommen. Nachdem der Portalkran eine Ladeeinheit abgeladen hat, übernimmt ein AGV den Längstransport zum Zielwagen. Erst dort nimmt der Kran die Einheit wieder auf und setzt sie auf den Zug. Dadurch wird der Kranbetrieb für Längsfahrten entlastet, Energie gespart und die Produktivität erhöht.

Foto: MegaHub Lehrte/Hans Pieper
Mit Schwungeinfahrt ins Terminal: Dieselbetriebene Rangierloks sind in Lehrte nicht mehr notwendig.

Alles andere als Standard ist auch die automatische Erfassung der Ladeeinheiten durch den ILU- oder ISO-Code und eine Schwungeinfahrt der Züge auf das Gelände. Die Loks können die Anlage durchgehend mit elektrischer Traktion befahren, es sind also keine Rangierfahren mit Dieselloks mehr erforderlich.„Wir genehmigen uns noch ein halbes Jahr Probebetrieb, bei dem wir das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten testen“, erklärt Hans Pieper, der zugleich einer der Geschäftsführer der Duss ist. In dieser Zeit erfolgen technische Abnahmen, ferner müssen die Terminalmitarbeiter die AGVs, von denen bereits zwei vor Ort sind, auf Herz und Nieren testen und Erfahrungen mit der Schwungeinfahrt sammeln, dabei klappen die Loks ihre Stromabnehmer ein, wenn sie unter den Portalkran fahren.Zum Fahrplanwechsel im Dezember sollen die Tests abgeschlossen sein und der Umschlag Schiene–Schiene starten. Geplant ist dann die Abfertigung von zunächst einem Zugbündel, das aus zweimal drei Zügen besteht. „Sie werden gegeneinander umgeschlagen, was relativ schnell passieren muss“, erläutert Geschäftsführer Pieper. Angestrebt ist, dass jeder Zug innerhalb von drei Stunden ein- und ausfahren soll, womit das Terminal neue Maßstäbe setzt. Bisher hält ein Zug im Schnitt acht Stunden an einem Terminal.

Pünktlichkeit ist im Megahub das A und O

Der Erfolg des Ganzen steht und fällt mit einer entsprechenden Pünktlichkeit. Die Züge können nicht lange aufeinander warten, sonst kommt alles in Verzug. Pieper spricht nicht ohne Grund von einer „geringen Verspätungstoleranz“ – erst recht mit Blick auf die weiteren Pläne. Im nächsten Schritt wollen die Verantwortlichen für die Anlage zwei Zugbündel pro Nacht abfertigen, also zwölf Züge.Im Blick hat der Megahub-Verantwortliche Pieper dabei Destinationen wie Italien, Skandinavien oder Süddeutschland. Er kann sich perspektivisch auch Züge nach China vorstellen. Vieles ist denkbar. Doch alles muss sich nun erst entwickeln, nachdem mit dem Hellmann-Zug der Startschuss erfolgt ist. Pieper sagt, dass ihn die Eröffnung mit besonderem Stolz erfülle. Kein Wunder: Es war ein langer Weg, die Planungen reichen bis ins Jahr 1992 zurück. Als es ernst wurde, mussten Eidechsen umgesiedelt werden, die Pleite eines Modullieferanten bewältigt und neu geplant werden – sodass alle einen langem Atem brauchten. Umso mehr wollen die Betreiber mit dem Start nun ein Zeichen setzen, gerade in der Corona-Krise, dass die Bahn ihre Weichen stellt und die Schiene die Kapazitäten für einen Umstieg bereit hält.

Megahub in Zahlen

  • Circa 120.000 Quadratmeter Grundstücksfläche
  • 20 Kilometer östlich von Hannover gelegen mit Anbindung an die A2 und die A7 als wichtige Ost-West- und Nord-Ost-Magistralen
  • 170 Millionen Euro Baukosten, überwiegender Bundesanteil als Projekt aus dem vordringlichen Bedarf im Bedarfsplan Schiene
  • 24 Monate effektive Bauzeit, symbolischer Spatenstich durch Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) am 15. Mai 2018
  • 6 zuglange Gleis zu jeweils 720 Metern, drei Portalkräne, mit Erweiterungsoption auf sechs Kräne
  • Jährliche Umschlagkapazität, mit Erweiterungsoption auf 269.000 Umschläge im Endausbau mit sechs Krananlagen.
  • 12 Mitarbeiter im Einsatz, Terminalleitung bei Nicole Brandenburg
  • Betreiber ist die Megahub Lehrte Betreibergesellschaft, eine Beteiligungsgesellschaft der Duss und Kombiverkehr. Die Duss gehört zu 75 Prozent der DB Netz AG und zu je 12,5 Prozent der DB AG und Kombiverkehr, sie betreibt Deutschland-weit 24 Terminals, beschäftigt 610 Mitarbeiter und wickelt jährlich 2,2 Millionen intermodale Ladeeinheiten ab
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