Die FDP in Baden-Württemberg warnt davor, bei den Lkw-Antrieben der Zukunft alles auf die Karte Elektromobilität zu setzen. Was sie stattdessen fordert.
Diesel, Strom, Wasserstoff oder E-Fuels? Was tankt der Lkw in Zukunft? Die FDP in Baden-Württemberg dringt darauf, sich hier alle Optionen offen zu halten, sieht diese Technologie-Offenheit aber in Gefahr. Ihr FDP-Verkehrsexperte Dr. Christian Jung kritisierte bei der Jahresversammlung des Verbands des Württembergischen Verkehrsgewerbes (VV Württemberg) am Dienstag in Leinfelden-Echterdingen eine „All-Electric-Ideologie aus Baden-Württemberg“. Diese sei in der Logistik „keinesfalls durchführbar“. Jung sprach von einer Technologiefestlegung der „Besserwisser am grünen Tisch“.
Für Anwendungen in der Logistik brauche man nicht eine Antriebsart, sondern eine Vielfalt der Antriebe, führte Jung aus. Kleine Reichweiten funktionieren für ihn beim Pkw, nicht aber beim Lkw. Reichweiten von unter 1.000 Kilometern mit einem Tank- oder Ladevorgang hält der Liberale für die Logistik für ungeeignet. Und auch E-Fuels sind für Jung Teil der Lösung. „Wer Klimaschutz ernst meint, kommt daran nicht vorbei.“
FDP: Eisenbahnromantik beim politischen Wettbewerb
Mit Blick auf den Verkehrsträger Schiene gibt es laut dem FDP-Landtagsabgeordneten in der Politik ebenfalls falsche Vorstellungen. „Bei politischen Wettbewerbern herrscht eine Eisenbahnromantik vor“, beklagte er und sprach von Entscheidungsträgern, „die ahnungslos von der Logistik sind“. Jung selbst würde sich eine starke Schiene wünschen. Er wisse, wie froh viele Speditionen seien, wenn sie auf eine leistungsfähige Bahn zählen könnten.
Große Skepsis gegenüber alternativen Antrieben generell legte Unternehmer Wolfgang Anwander an den Tag, Vizepräsident des Landesverbands Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT).

Wer werde so verrückt sein, für Lkw das Doppelte zu bezahlen, fragte er und wies auf die zwiespältigen Erfahrungen vieler Unternehmen mit LNG-Fahrzeugen hin. Den Verbrenner sieht Anwander im Übrigen noch nicht im Aus. Er erwartet, dass die Hersteller in absehbarer Zeit mit effizienten Euro 7-Dieselmotoren auf den Markt kommen werden, die vielleicht die bessere Option seien. Beim Wasserstoff-Lkw falle zum Beispiel auch ein Zweitmarkt Afrika komplett weg, da es dort keinerlei Tankinfrastruktur gebe. Anwander befürchtet, dass es noch viel Arbeit sein wird „den Staat zu überzeugen, dass wir kein Harakiri machen wollen.“
Rolf Hamprecht fordert Planungssicherheit
Der neue VV Württemberg-Vorsitzende Rolf Hamprecht machte sich mit Blick auf die künftigen Lkw-Antriebe ebenfalls für mehr Klarheit stark. „Die Politik muss uns Planungssicherheit geben, sonst wird niemand in der Lage oder willens sein, die entsprechenden Investitionsentscheidungen zu treffen“, sagte er.
Unabhängig von manchen skeptischen Stimmen treiben die Hersteller ihre Aktivitäten in Richtung Batterie und Brennstoffzelle voran. Kevin Sammer, Projektleiter für Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw bei Daimler Truck, gab ein Update zu den Planungen seines Hauses. Die H2-Trucks würden so ausgelegt, dass sie mit einem Diesel mithalten könnten, sagte er mit Blick auf Befürchtungen, diese Fahrzeuge kämen zum Beispiel nicht den Brenner hoch. Auch in Sachen Zuverlässigkeit nahm er den versammelten mehr als 100 Transportunternehmern und Gästen entsprechende Ängste: „Die Brennstoffzelle soll 1,2 Millionen Kilometer halten“, sagte Sammer. Das gleiche Ziel gibt Daimler Truck auch für den neu vorgestellten batterieelektrischen eActros LongHaul aus, der 2024 in Serie gehen soll.
Daimler: H2-Truck soll Diesel ebenbürtig sein
Dem Diesel ebenbürtig soll auch die Tankzeit beim H2-Lkw sein. Daimler Truck peilt im ersten Schritt eine Zeit von 15 Minuten, später von nur zehn Minuten an. Ob der Wasserstoff flüssig oder gasförmig in den Tank fließt beziehungsweise strömt, muss sich laut Sammer erst noch zeigen. Bei den Entwicklern und Betreibern von Wasserstoff-Tankstellen bekomme man keine eindeutige Antwort, welcher H2-Aggregatszustand das Rennen macht. „Das wird abhängen von der Region“, vermutet Kevin Sammer. „Gibt es dort Pipelines, wird eher gasförmiger Wasserstoff angeboten. Kommt er per Lkw-Lieferung, wird er eher flüssig sein.“
Präferenz von Daimler Truck ist flüssiger H2. Der Truck könne dadurch mehr Energie aufnehmen und seine Reichweite vergrößern. Es sei auch die preiswertere Variante. Es würden zum Beispiel keine Carbontanks benötigt, sondern kämen auch Edelstahltanks infrage. Ebenfalls unklar ist für den Daimler Truck-Projektleiter die Frage, wie sich der H2-Preis entwickelt. Es gebe Prognosen in Richtung drei Euro pro Kilogramm. In dem Fall sei der H2-Lkw für Betreiber absolut wirtschaftlich – auch weil keiner davon ausgehen kann, der Diesel- und der Strompreis spürbar sinken wird.