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Elektromobiliät nicht uneingeschränkt "grün" Emissionen bei der E-Mobilität

Foto: Thorsten Wagner

Kritische Rohstoffbeschaffung, CO2 bei der Stromgewinnung, Platzverbrauch für die Ladesäulen – die E-Mobilität bringt auch Probleme mit sich.

Elektromobilität kann die Luftverschmutzung eindämmen. Aber eine umweltschonende Form des Transports ist sie grundsätzlich nicht. Denn auch wenn am Einsatzort der Fahrzeuge keine direkten Emissionen entstehen, ist der ökologische Fußabdruck bei der Rohstofferzeugung bedeutend, der grüne Strom reicht für den Betrieb bei weitem nicht aus. Außerdem könnte die von der EU angestrebte stärkere Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen auf eine noch größere Abhängigkeit von asiatischen Batterien hinauslaufen.

Der Hauptgrund für die Käufer von Elektrofahrzeugen ist die Sorge um die Umwelt, betont die Unternehmensberatung McKinsey in einer Analyse zur Elektromobilität vom Mai. Aber die allgemein verbreitete Vorstellung, mit einem Stromer ökologisch unterwegs zu sein, sei unter bestimmten Aspekten nahezu komplett falsch. So werde der Verbrauch an fossilem Diesel und Benzin auf der Straße in den nächsten zehn bis 15 Jahren auch mit E-Mobilität kaum reduziert, die Zahl herkömmlicher und E-Autos sowie der zurückgelegten Kilometer steige weltweit an. Ein positiver Effekt entstehe hauptsächlich durch effizientere Verbrenner und leichtere Fahrzeuge.

Während Erdöl verstärkt von der Chemie- und Luftfahrtindustrie gebraucht wird, erlebt McKinsey zufolge ein anderer fossiler Energieträger mit der E-Mobilität einen enormen Aufschwung: Erdgas. Wenn künftig die Hälfte der Fahrzeuge auf US-Straßen elektrisch unterwegs ist, steigt dadurch der Stromverbrauch um über 20 Prozent. Dieser Mehrbedarf werde in den USA zu 80 Prozent mit Schiefergas gedeckt, das mit dem unter Umweltaspekten hoch umstrittenen Fracking produziert wird.

Kohle-Strom für E-Mobile

Aber auch in Deutschland ist E-Mobilität keineswegs CO2-frei. Der größte Teil der elektrischen Energie (36,6 Prozent) wurde 2017 nach Angaben des Berliner Wirtschaftsministeriums aus Kohle gewonnen. Die Erneuerbaren Energien lagen bei 33,3 Prozent, und ihr Ausbau wird derzeit nicht überzeugend vorangetrieben. China, das den Ausbau der E-Mobilität massiv forciert und auch deutsche Autobauer zum Umlenken zwingt, will nicht zuletzt die Zahl seiner Atomkraftwerke bis 2030 von derzeit 42 auf 110 Einheiten hochfahren, um den Einsatz von Kohle als wichtigstem Energielieferanten zu verringern.

Heikel ist auch die Beschaffung der Batterierohstoffe, deren Bedarf rasant ansteigt. Um ihre Förderung auszubauen rechnet McKinsey mit Investitionen in Höhe von umgerechnet 86 bis 130 Milliarden Euro. Es wird aber noch Jahre dauern, bis hier neue Größenordnungen entwickelt sind, gleichzeitig bleibt die Nachhaltigkeit in der Lieferkette ein großes Thema. Ein Abbau, ohne in Ökosysteme einzugreifen, ist schlechterdings nicht möglich.

Insbesondere bei Kobalt bewertet die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) die Marktsituation als „kritisch“, befürchtet werden erhebliche Versorgungsprobleme. Der Preis für eine Tonne Kobalt habe sich in den vergangenen zwei Jahren vervierfacht, erschwerend kommt hinzu, dass der derzeit nicht zu ersetzende Rohstoff zu 60 Prozent in der politisch instabilen Demokratischen Republik Kongo gewonnen wird. Immer wieder wurden hier zudem Missstände wie Kinderarbeit, prekäre Arbeitsbedingungen und fehlender Arbeitsschutz kritisiert.

Lieferengpässe befürchtet

Was Lithium angeht, so rät die DERA Unternehmen, die es selbst verarbeiten oder einsetzen, zu langfristigen Lieferverträgen oder Projektbeteiligungen, um Lieferengpässe oder starke Preissteigerungen abzufedern. Andernfalls gebe es „unkalkulierbare Risiken in der Beschaffung“, zumal die Abnehmer auf lediglich drei Unternehmen angewiesen seien, die weltweit etwa 80 Prozent des Rohstoffs lieferten. Autobauer BMW hat sich bereits auf diesen Weg gemacht, andere Hersteller sind mit ihren Plänen gescheitert.

Da chinesische Händler den Lithium-Markt größtenteils leer kaufen, werden die Akkus auch künftig hauptsächlich in Asien hergestellt, obwohl die EU sich vorgenommen hat, eine eigene Produktion auf die Beine zu stellen und zu fördern. Derzeit jedenfalls kommt mehr als ein Drittel der Batterien aus China, ein gutes Viertel aus Japan und etwa 16 Prozent aus den USA. Eine internationale Studie von Berylls Strategy Advisors weist nach, dass bereits 2020 zwei von drei Batteriezellen aus chinesischer Fertigung stammen. Zu 80 Prozent aus China kommt das ebenfalls für Batterien benötigte Grafit.

Platzproblem durch Ladestationen

Ein ganz anderes Problem ist der Bedarf an öffentlichen Ladestationen. Er steigt in Europa und China dramatisch an und könnte ein Platzproblem werden, unterstreicht McKinsey. Es reiche bei weitem nicht aus, nur die bisherigen Tankstellen umzurüsten oder gleich große neue Stationen zu bauen. Mit den erforderlichen 120-Kilowatt-Schnellladestationen kämen die Stromnetze zudem nur mit, wenn weitgehend zu Schwachlastzeiten „getankt“ wird. Schnellladungen schwächen das System, denn ein Fahrzeug verbrauche so 80 Mal so viel Strom wie ein einziger Durchschnittshaushalt.

Eine Gruppe von deutschen und österreichischen Verkehrsprofessoren macht sich unterdessen für eine umfassende Analyse der Wirkung von Elektromobilität stark. Es bestünden langfristig Chancen zur Verbesserung des Klima- und Umweltschutzes, aber es gebe auch viele ungeklärte technische Fragen und kontraproduktive Effekte, die berücksichtigt werden müssten. Nach den Gesetzen der Physik sei ein emissionsfreies Bewegen großer Massen nicht möglich, das gelte auch für den Elektroantrieb, halten sie fest. Deshalb müssten Infrastrukturen im Sinne einer Verkehrsreduktion geplant werden. Andernfalls sei „jede zukünftige denkbare automobile Fortbewegung – auch die elektrische – mit einer global untragbaren Belastung verbunden“, betonen unter anderen Prof. Klaus J. Beckmann, ehemaliger Chef des Berliner Instituts für Urbanistik, und Prof. Helmut Holzapfel, der das Zentrum für Mobilitätskultur in Kassel leitet. Die 15 Hochschullehrer können sich ihre kritische Position leisten. Sie sind emeritiert und müssen keine Drittmittel aus der Wirtschaft mehr einwerben.

„Kobalt teuersten Rohstoff“

Michael Schmidt von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) über Herausforderungen bei der Rohstoffgewinnung für E-Batterien

Michael Schmidt von der DERA.
trans aktuell: Durch die Elektromobilität steigt die Nachfrage nach Rohstoffen. Welche sind das, und welche müssen als besonders risikoreich in der Beschaffung eingestuft werden?

Schmidt: Dies sind vor allem Nickel, Kobalt, Lithium, Mangan und Grafit. Aber auch Kupfer und Aluminium spielen eine Rolle. Es sind hierbei aber nicht zwingend die Metalle, die im Vordergrund stehen, sondern eben spezielle weiterverarbeitete Produkte oder Produktqualitäten wie Nickelsulfat, Lithiumkarbonat, Kobaltsulfat oder Kugelgrafit. Als besonders „risikoreich“ stellt sich derzeit die Beschaffung von Kobalt dar. Das Metall wird einerseits als Nebenprodukt der Nickel- und Kupferproduktion gewonnen - die Förderung kann also nicht beliebig gesteigert werden, da sie direkt an den Nickel- beziehungsweise Kupfermarkt gekoppelt ist. Auf der anderen Seite ist die Demokratische Republik Kongo mit einem Anteil von etwa 60 Prozent an der weltweiten Bergwerksförderung der größte Kobaltproduzent. Vor allem der nicht industrielle Kleinbergbau stellt sich hierbei problematisch dar.

Lässt sich etwas zur Preisentwicklung der Rohstoffe sagten, die ja vermutlich direkt auf die Batteriepreise durchschlagen?

Vor allem die Preise für Kobalt und Lithium sind in den letzten beiden Jahren signifikant gestiegen. Der Rohstoffanteil an den Gesamtkosten einer Batteriezelle kann je nach Zelltyp bis zu 60 Prozent betragen. Kobalt stellt dabei den mit Abstand teuersten dieser Kathodenrohstoffe dar. Interessanterweise sind aber die Produktionskosten für Lithium-Ionen-Batterien, ausgedrückt in US$/kWh in den letzten Jahren deutlich gesunken. Als Zielvorgabe wird in der Industrie häufig ein Wert von 100 US-Dollar pro kWh kolportiert.

Ziel der EU ist es, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und ihren Produzenten auch für den Transport zu verringern. Können E-Fahrzeuge da eine Lösung sein?

Batteriebetriebene Fahrzeuge können einen Teil dazu beitragen. Dies jedoch nur wenn die benötigte Energie aus regenerativen Quellen stammt.

Können die Batterierohstoffe nach ihrer Nutzung in Fahrzeugen und anschließend als Stromspeicher problemlos einer Wiederverwertung zugeführt werden?

Ja, das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien ist großtechnisch möglich und entsprechende Prozesse stehen bereits zur Verfügung. Vor allem die Metalle Kobalt, Kupfer und Nickel können wirtschaftlich zurückgewonnen werden. Das Recycling von Lithium ist aktuell noch nicht wirtschaftlich darstellbar. Bei einem Markthochlauf der E-Mobilität wird, unter Berücksichtigung der potenziellen Lebensdauer der Batterien, das Recycling und die Wiederverwertung in Zukunft jedoch eine wichtige Komponente im Rohstoffkreislauf darstellen.

Zur Person

  • Michael Schmidt arbeitet seit 2012 bei der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
  • 2008 machte er an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg seinen Abschluss als Diplom-Geologe
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