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Den Rhein für Schiffe vertiefen Das Wasserproblem bleibt trotzdem

Extremes Niedrigwasser am Rhein bei Düsseldorf Foto: Imago/Jochen Tack

Seit Wochen herrscht in weiten Teilen Deutschlands Dürre und lässt die Pegelstände der Flüsse sinken. Besonders betroffen ist Europas wichtigste Wasserstraße: der Rhein, der jetzt vertieft werden soll.

Noch ist die Lage nicht so schlimm wie 2018. Laut Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Bonn ist der Rhein weiterhin durchgängig schiffbar. Aber die Versorgung wichtiger Industriebereiche mit Benzin, Chemikalien oder insbesondere auch Kohle steht auf dem Spiel.

Schiffe sind Mangelware

Für die Binnenschiffer ist das Niedrigwasser grundsätzlich kein Problem, so deren Bundesverband BDB. Normalerweise wird dann mehr Schiffsraum in Fahrt gesetzt und weniger Ladung mitgenommen. Aber Schiffe sind derzeit Mangelware und viele wurden in den vergangenen Jahren als unrentabel verschrottet. Jetzt werden sie insbesondere für den Kohletransport zu den wegen Gasmengels wieder in Betrieb genommenen Kohlekraftwerken gebraucht, auch für Getreide aus der Ukraine, berichtet der Deutsche Raiffeisenverband.

Transporte werden teurer

Inzwischen kommt bei den ersten Raffinerien in Süddeutschland nicht mehr genügend Rohöl an, Transporte werden deutlich teurer. Für alle Terminals südlich von Koblenz berechnetbeispielsweise Contargo bis 81 Zentimeter einen Kleinwasserzuschlag per 20-Fuß-Container von 100 Euro, 40-Fuß-Container schlagen mit 135 Euro zu Buche. Sinkt der Wasserstand noch weiter, müssen die Preise frei vereinbart werden.

Wirtschaftsader stärken

Den Fluss ausbauen, den Rhein als Wirtschaftsader stärken, das ist das Ziel von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), das er – als Verkehrsminister aus Rheinland-Pfalz kommend – bereits mit ins Amt gebracht hat. „Wir müssen am Rhein punktuelle Engpässe beseitigen. Wir brauchen die Wasserstraße. Es gibt einen deutlichen Bedarf, mehr Verkehr von der Straße auf Schienen und Wasserstraßen zu verlagern“, sagte er. Von allen Projekten aus dem Bundesverkehrswegeplan besitze die Rheinvertiefung das höchste Kosten-Nutzen-Verhältnis.

180 Millionen bis 2030 verbauen

Bis Anfang der 2030er Jahre sollen die Maßnahmen umgesetzt sein, mit geplanten Investitionen von rund 180 Millionen Euro, davon seien etwa 40 Prozent für ökologische Begleitmaßnahmen vorgesehen. Im Jahr 2018 wurden die Kosten noch mit 60 Millionen Euro veranschlagt. Ein Ausbau der Fahrrinne von stellenweise 1,90 Metern auf 2,10 Meter erhöhe die Wirtschaftlichkeit der Binnenschiffer und damit die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Lkw und Bahn, sagte Wissing bereits 2017. „Die Rheinvertiefung bedeutet pro Schiff 200 Tonnen mehr, bei gleicher CO2-Emission, das heißt, wir sparen enorm an CO2 ein und haben gleichzeitig niedrigere Kosten“, betonte er.

Baggern schafft kein Wasser herbei

Manchen Rheinschiffern, Unternehmen und Wirtschaftsvertretern kann die Vertiefung des Rheins gar nicht schnell genug gehen. Sie stellen sich vor, dass damit in der Klimakrise Frachtschiffe auch bei Niedrigwasser mehr Güter transportieren können. Aber durch Baggern wird kein zusätzliches Wasser generiert. Das musste sich kürzlich auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler sagen lassen, als er auf Twitter für die Vertiefung warb. „Aus einem Liter Wasser werden keine zwei, nur weil ich das Wasser in einen größeren Eimer kippe“, war nur eine der vielen kritischen Reaktionen.

Rheinvertiefung problematisch

Die Vertiefung ist komplex und umstritten, denn die Folgen sind nicht absehbar. Das Wasser, das sich in der Fahrrinne sammelt und die Binnenschiffer kurzfristig rettet, fehlt nämlich anderswo. Der Rhein ist nicht nur eine Wasserstraße, sondern auch ein Ökosystem. Trägt man den Fels am Grund des Flusses aufwendig ab, wird es verändert, sodass es in der Umgebung zu einem Absinken des Grundwasserspiegels kommen kann, warnen Wissenschaftler und Umweltverbände.

Hochwasser abpuffern

Auen und Flussadern können geschädigt werden, die eigentlich die zu anderen Zeiten auftretenden Hochwasser abpuffern sollen. Durch eine Vertiefung erhöht sich auch die Fließgeschwindigkeit des Flusses, was bei immer öfter auftretenden Wetterextremen mit Starkregen äußerst problematisch ist. Die Hochwasserwelle wird steiler, die Pegelstände höher. Die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal mit ihren verheerenden Folgen ist gerade einmal ein Jahr her. Die zerstörte Infrastruktur ist längst noch nicht wiederhergestellt, die Schäden belaufen sich allein in diesem Bereich auf 3,8 Milliarden Euro.

Druck aus Rheinland-Pfalz

Trotzdem bekam Wissing in der vergangenen Woche Druck aus der Heimat, die Rheinvertiefung mit hohem Tempo voranzutreiben. Man habe 2018 erlebt, welch gravierende Folgen es habe, wenn Lademengen massiv reduziert würden oder der Schiffsverkehr zum Erliegen komme, sagte Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz. Der verkehrspolitische Sprecher der dortigen SPD, Benedikt Oster, sieht die Verlagerung von Frachtverkehren aufs Schiff als wirksames Mittel für den Klimaschutz. „Der Ausbau der Fahrrinne im Rhein ist daher nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch sinnvoll“, sagte er.

Politik entdeckt Bahn und Binnenschiff

Das mit der Ökologie ist aber gar nicht so einfach. Vor fast genau zehn Jahren haben die verheerenden Fluten an Elbe und Donau 2013 dazu geführt, dass die Bundesregierung ein Nationales Hochwasserschutzprogramm aufgelegt hat. Das gilt auch für den Rhein. Aber nachdem sie sowohl die Bahn als auch die Binnenschifffahrt jahrzehntelang am langen Arm verhungern ließ, entdeckt die Politik in der jetzigen Krise die beiden Verkehrsträger neu für sich. Weil die Straßen mit maroden Brücken an ihre Grenzen gekommen sind, soll jetzt auf Gleise und Wasserstraßen verlagert werden, hat sich das Berliner Verkehrsministerium vorgenommen.

Schwertransporte sollen aufs Wasser

„Wir müssen mehr Schwertransporte von den ohnehin überlasteten Straßen aufs Wasser bringen“, sagte FDP-Verkehrsstaatssekretär Oliver Luksic. Mit dem Aufbau einer Datenbank soll die Grundlage für ein intermodales Routing gelegt werden, um „die Sichtbarkeit der Alternativen zur Straße zu erhöhen“. Der Umstieg diese Transporte sei ein wichtiger Baustein, um einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten.

Vorschlag: Neue Schiffe, weniger Tiefgang

Mehr Wasser gibt es aber dadurch in Dürrezeiten nicht. Für Philipp Rahn, Bürgermeister der betroffenen Rhein-Gemeinde Bacharach, sind die Baumaßnahmen der falsche Weg. Die Rheinflotte stamme größtenteils aus den 60er und 70er Jahren, sagte er dem SWR. „Das sind alte oft dreckige und laute Dieselmotoren, die da fahren.“ Er hält neuere Schiffe mit weniger Tiefgang, die trotzdem eine größere Ladung tragen könnten, für die bessere Lösung.

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