Corona-Pandemie fordert nächsten Lockdown Alarmstufe Rot in der Transportbranche

Foto: Markus Gödde
Meinung

Kaum hat sich die Logistik nach dem Lockdown im Frühjahr halbwegs erholt, steht sie seit dem 2. November mit den von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen vor den alten Problemen.

Die Versorgung der Lkw-Fahrer selbst, die die Lieferketten ja aufrechterhalten sollen, wird wieder eingeschränkt, es häufen sich die Klagen über unzumutbare Zustände vor und in den Be- und Entladestellen. Bei FERNFAHRER live diskutieren wir daher mit dem Präventionsexperten der BG Verkehr, Dr. Jörg Hedtmann, was Fahrer und Unternehmer jetzt bedenken müssen.

Als der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger, am 9. Oktober bei einer Rede im Deutschen Bundestag verkünden konnte, dass die Neufassung des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes endlich mit Verspätung aus einer EU-Richtlinie umgesetzt wurde, nutzte er die Chance, sich bei den Berufskraftfahrern, die im Lockdown im Frühjahr diesen Jahres „Großes geleistet hatten“, zu bedanken. Von einem Tag auf den anderen war auch die Versorgung für die „Versorger der Nation“, wie sich viele Lkw-Fahrer selbst begreifen, auf und neben den Autobahnen zusammengebrochen. Zusammen mit dem Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) e.V., war es immerhin gelungen, an neuralgischen Punkten im Rahmen der Aktion „Logistik hilft“ nach und nach Sanitärcontainer aufzustellen.

Neue Hotline für Fahrerbeschwerden

Doch bis heute beklagen sich Fahrer und Unternehmer unisono, dass sie vor allem bei den großen Verladern, etwa der Chemie oder der Industrie, immer noch nicht auf die Toilette dürfen und teils stundenlang dicht gedrängt in schlecht belüfteten Räumen oder in langen Schlangen vor der Tür auf die Abfertigung warten müssen. In der Sendung 40 von FERNFAHRER live mit PSts Bilger kündigte BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt daher an, diese und andere Missstände über eine App, den Rampenguide, nun wenigstens öffentlich zu machen. Dabei wird der BGL nun aktuell von den Kraftfahrer-Kreisen unterstützt, die sich ab sofort an einer gemeinsamen Aktion beteiligen. „Bei Corona-Problemen an Autohöfen, Raststätten, Be- und Entladestellen, wo euch keine Sanitäranlagen zur Verfügung gestellt werden, könnt ihr Euch an die folgende Telefonnummer 08009555777 und die E-Mail: corona-probleme@kraftfahrerkreise.de wenden“, erläutert Sven Fritzsche, der auch zu Gast in der 42. Sendung von FERNFAHRER live am 5.11. sein wird. Siehe Terminhinweis.

Viele Hilferufe aus dem Gewerbe

Im Vorfeld zu diesem Blog habe ich viele schlechte Nachrichten von besorgten Lkw-Fahrern aus dem Transportgewerbe erfahren. So müssen sie in den Zentrallagern des Einzelhandels zwar selbst Masken tragen, die dortigen Mitarbeiter allerdings nicht. Auch dürfen Fahrer an manchen Standorten anscheinend keine eigenen Warnwesten tragen, dafür die blauen - vorher nicht desinfizierten - des Lebensmittelkonzerns. Wer sich weigert, dem drohe Hausverbot. Desinfektionsmittel wird sehr unterschiedlich bereitgestellt. Einen krassen Fall hat mir Wolfgang Müller geschildert. Bei einer Fahrt mit der Rollenden Landstraße von Italien nach Freiburg musste er mit ihm wildfremden Fahrern aus aller Herren Länder in einem ziemlich runtergekommen Abteil eines alten Waggons schlafen, das nur notdürftig mit einem Plastikschutz getrennt war. Und immer wieder kommt die Frage, wer denn dafür die Kosten zu tragen hat, wenn sich die Fahrer in Erfüllung einer Tour für einen Auftraggeber plötzlich testen lassen müssen. In Bayern war die Frage lange Zeit ungeklärt, wer sich überhaupt testen lassen muss.

Neue Einschränkungen der Gastronomie seit dem 2. November

Nun gibt es mit der Entscheidung der Bundesregierung, seit dem 2. November für einen Monat lang auch die Gastronomie komplett zu schließen, dieselben Einschränkungen wie vor Monaten, wie wir sie aktuell in dieser Meldung bereits beschrieben haben. BGL-Vorstandsprecher Engelhardt wollte sich „bei der zuständigen Politik dafür einsetzen, dass es immerhin bundeseinheitliche Beschränkungen oder Ausnahmeregelungen gibt und keinen neuen Flickenteppich.“ Heute hat mich Alexander Quabach, Geschäftsführer der Vereinigung deutscher Autohöfe, (VEDA) e.V. darüber informiert, dass der in der letzten Woche versendete Brandbrief der VEDA in Baden Württemberg zum Erfolg geführt hat. „Das Land hat die Autohöfe mit Betriebskantinen gleichgestellt und eine Verpflegung der Übernachtungsgäste im Gastraum erlaubt“, so Quabach. „Die Verpflegung in der Gaststätte ist ausschließlich übernachtenden Lkw-Fahrern vorbehalten. Bitte sorgen Sie dafür, dass diese Auflage streng befolgt wird.“ In allen anderen Bundesländern bliebt Stand heute immerhin die Grundversorgung von Lkw-Fahrerinnen und -Fahrern gesichert“, hat die Tank & Rast versichert.

Erste Eindrücke aus dem Ausland

Lkw-Fahrer Markus Gödde, der im Kühlzug gerade zwischen Spanien und Schweden unterwegs ist, meldet als ersten Eindruck aus Spanien: „Es gibt wieder eine Ausgangssperre, nur dieses Mal ist sie auf die Region bezogen“, so Gödde. „Das heißt, dass wir die Region Murcia nicht verlassen dürfen. Die Ladenbetreiber dürfen unter Berücksichtigung weiterer Maßnahmen ihr Geschäft weiter geöffnet haben! Restaurants oder Bars müssen um 23 Uhr schließen, da ab Mitternacht bis sechs Uhr morgens eine totale Ausgangssperre gilt. Ab 22 Uhr ist kein Verkauf von Alkohol mehr möglich. Raststätten haben überwiegend geschlossen“. Und zu Frankreich schreibt er: „Man merkt die zweite Welle in Frankreich, der Verkehr hat rapide abgenommen. Raststätten verkaufen nur Sprit und ein paar Sachen aus dem Shop! Restaurants haben geschlossen.“ Von einem landesweiten Streik der Fahrer, wie er in den sozialen Medien bereits angedroht wurde, war zumindest diesen Montag nichts zu spüren.

Grenzen bleiben für Lkw offen

Als in der ersten Welle der Pandemie die Verbraucher plötzlich wie von Sinnen Mehl, Nudeln und vor allem Toilettenpapier horteten, die Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schickten, was plötzlich den Bedarf an Tiefkühlpizza wie Pilze aus dem Teig schießen ließ, brachen recht schnell die globalen und nationalen Lieferketten zusammen, die Frachtpreise rauschten in den Keller. Die Nationalstaaten schotteten sich urplötzlich ab, die Grenzen wurden geschlossen. Das wird diesmal nicht passieren, hat die EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean in einem Interview mit dem Background, dem täglichen online-Newsletter für Mobilität & Logistik des Berliner Tagesspiegel versprochen. „Brüssel will sicherstellen, dass Privat- und Berufskraftfahrer ein Land über die TEN-V-Transitkorridore durchqueren können“, so Vălean. „Das Transportpersonal soll beim Grenzübertritt unterstützt werden, damit es seiner Arbeit nachgehen kann. Auch für Menschen, die nicht der Transportbranche angehören, soll eine „Minimum-Konnektivität“ sichergestellt werden, damit alle diejenigen, die aus beruflichen oder familiären Gründen reisen müssen, das auch tun können.“

Keine zweite Lockerung der Kabotage

Grundsätzlich sieht sich die deutsche Logistik in der Lage, diesmal nicht unter die Räder zu kommen. Das Problem bliebt aber weiter der miserable Frachtpreis, der sich in weiten Teilen der Komplettladungen (FTL = Full Truck Load) bis weit unter den Selbstkostenpreis für deutsche Unternehmer von mindestens 1,20 Euro pro Kilometer entwickelt und sich erst nach und nach halbwegs erholt hatte. Vor allem namhafte Logistikkonzerne hatten die Chance genutzt, ihrerseits gegenüber den Kunden die Preise angehoben und gleichzeitig die Raten für ihre Frachtführer auf bis zu 80 Cent oder tiefer gesenkt. Insbesondere über Frachtenbörsen. In der ersten Phase reagierte auch das Bundesverkehrsministerium ohne Sachverstand, indem es sogar die Kabotageregelungen aufheben wollte. Kabotage erlaubt es, dass gebietsfremde Lkw nach einem grenzüberschreitenden Transport drei innerdeutsche Transporte durchführen dürfen, bevor sie das Land mit der nächsten Ladung verlassen müssen. „Diese Lockerung“, so versprach Bilger, „wird es diesmal nicht mehr geben. Allerdings ist es europarechtlich weiter nicht möglich, in Deutschland einen Mindestfrachtpreis festzulegen.“

Gesundheitsschutz für Fahrer

Bereits im Frühjahr hat die BG Verkehr auf Ihrer Homepage erste Regeln und Hinweise für die Unternehmen und ihre Beschäftigten bereitgestellt und ständig aktualisiert. Wer sich bei den seriösen Medien informiert, der trifft auf eine Tag für Tag exponentiell steigende Zahl von Neuinfektionen, mit ihr eine steigende Zahl von tatsächlich erkrankten Menschen und es steigt auch die Zahl der Toten. In ganz Europa werden nun die Intensivpfleger knapp. Es herrscht, blickt man allein auf die interaktiven aktuell veröffentlichen Karten mit der Ausbreitung der Pandemie Alarmstufe Rot.

Terminhinweis:

Wir können als Journalisten der Fachpresse die Entwicklungen der Corona-Krise leider nicht beeinflussen, wir können sie lediglich beschreiben und in konkreten Fällen konkrete Fragen beantworten, wie sich in unserem Fall die Zielgruppe der Berufskraftfahrer selbst schützen kann. Dafür steht uns in der 42. Sendung von FERNFAHRER live am 5.11. ab 17 Uhr der Präventionsexperte der BG Verkehr, Dr. Jörg Hedtmann zur Verfügung. Er diskutiert mit den Fahrern Sven Fritzsche, Markus Gödde, Wolfgang Müller und Manfred Pietsch. Ihr habt die Möglichkeit, am Tag der Sendung Eure persönlichen Fragen während der Sendung live zu stellen, wir bemühen uns, um Antworten des Experten.

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