Logistikkonferenz der SPD Bundestagsfraktion Ausgeliefert

Foto: Jan Bergrath
Meinung

Unter dem Motto „Liefern!“ suchte die SPD-Bundestagsfraktion bei ihrer Logistikkonferenz in Berlin nach Lösungen, um etwa die Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer zu verbessern. Dazu gehören konsequentere Kontrollen.

Es waren rund 180, in ihren unterschiedlichen beruflichen Funktionen von Gewerkschaftsvertretern über Lkw-Fahrer bis Verbandslobbyisten höchst engagierte Menschen, die am 22. April nach Berlin ins Paul-Löbe-Haus strömten. In dem Gebäude neben dem Reichstag tagen unter anderem die Ausschüsse. So wie der Verkehrssauschuss, den der SPD-Politiker Udo Schiefner nach Beginn der Ampelkoalition aus SPD, FDP sowie Bündnis 90/Die Grünen als Vorsitzender übernommen hat. Mit der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Isabel Cademartori, leitete Schiefner nach den ersten vier Impulsvorträgen die sechs Workshops in zwei Runden. Denn unter dem Motto „Liefern!“ suchte die AG-Verkehr der SPD-Bundestagfraktion auf ihrer Logistikkonferenz gemeinsam mit den Gästen Lösungen, um die Arbeitsbedingungen etwa der Lkw-Fahrer zu verbessern, den Ausbau der maroden Infrastruktur zu garantieren und die lange und noch sehr dornenreiche Transformation zum klimaneutralen Verkehr zu gestalten.

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Isabel Cadematori (rechts) begrüßt die vier Impulsredner der Logistikkonferenz: Andrea Koksis, Volker Ratzmann, Uta-Maria Pfeiffer und Dirk Engelhardt.

Das alles unter der Prämisse, dass der Güterverkehr auch in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird, obwohl im Straßentransport, bei der Bahn und im Öffentlichen Nahverkehr schon jetzt so viele Fahrer fehlen, dass Zweifel an dieser These bestehen. Die aber nie geäußert wurden. Dafür muss dringend alles weiter ausgebaut werden: die Lkw-Parkplätze, die Infrastruktur der Straße und, als Hoffnungsträger, der Kombinierte Verkehr.

Die Mauterhöhung und ihre Folgen

Allerdings ist die SPD selbst Teil der Bundesregierung, die aktuell so zerstritten wirkt, dass die Gefahr droht, die kleine FDP, die ausgerechnet mit dem Justiz-, Finanz- und Verkehrsministerium an entscheidenden Hebeln der Macht sitzt, könne diese über kurz oder lang platzen lassen. Insbesondere die im Oktober 2023 vom Deutschen Bundestag beschlossene drastische Mauterhöhung wurde entgegen aller Bedenken der Transportbranche auch von der SPD im Verkehrsausschuss mitgetragen – partiell zugunsten der Güterbahn bei späterer Streichung der Förderung klimafreundlicher Lkw-Antriebe. Was die Probleme der Straßentransporteure natürlich seither noch vergrößert hat. Denn gerade im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung der Logistik und einer Zunahme der Ausschreibungen über den reinen Preis drängen Frachtführer aus Osteuropa durch günstigere Personal- und teilweise Dieselkosten immer stärker in den deutschen Markt.

Bekannte Forderungen als Impulse

So hätte das Aufeinandertreffen der geladenen Impulsgeber Andrea Kocsis, die stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Volker Ratzmann, Executive Vice President Corporate Public Affairs der DHL Group, Uta-Maria Pfeiffer vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), nicht sein können. Engelhardt ist mittlerweile bekannt für seine markigen Worte im Zuge einer weiter fortdauernden BGL-Medienkampagne. „Während Aldi dem Sozialdumping im Transportgewerbe den Kampf ansagt“, so der Brummi-Chef plakativ wenige Tage zuvor und unabhängig von der Konferenz, drehe DHL mit seiner Staatsbeteiligung an der Preisspirale nach unten und habe seine Frachtführer per Rundschreiben mit Wirkung ab 11. März um Verständnis gebeten, dass man die Frachtraten um fünf Prozent reduziere.

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Die Ausgabe der EU-Fahrerscheinigungen für Fahrer aus Drittstaaten auf litauischen und polnischen Lkw ist explodiert.

Wofür diese aktuell gar kein Verständnis haben und sich darüber beklagen, dass sie immer öfter durch meist osteuropäische Frachtführer auch auf nationalen Touren ersetzt würden. Doch die mögliche konfrontative Debatte blieb aus, Ratzmann betonte anhand einer viel zu langen Firmenpräsentation, wie sehr sich DHL, an dem die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) nur noch 16,8 Prozent der Aktienanteile hält, also außerhalb eines direkten Einflusses des Staats steht, über die Flottenerneuerung den kommenden Aufgaben auf dem Weg zur Klimaneutralität stelle. Als letzter Auftaktredner fasste Engelhardt daher noch einmal die Forderungen und Sorgen des deutschen Mittelstandes zusammen: darunter die Bekämpfung des Fahrermangels, den Einsatz für faire Wettbewerbsbedingungen und die Reinvestitionen der Mautmilliarden in Straßeninfrastruktur und Lkw-Stellplätze.

Auf deutschen Autobahnplätzen hausen Fahrer unter unzumutbaren Bedingungen

Erschreckend, aber nicht neu, daher die Zahlen auf einer der BGL-Folien, die das explosive Wachstum der Ausgabe von EU-Fahrerbescheinigungen an Fahrer aus Drittstaaten vor allem in Litauen und Polen dokumentiert, ein rapide wachsendes Problem eben auch für die Überlastung der Lkw-Parkplätze an und abseits der Autobahnen und in den Terminals des Kombinierten Verkehrs, wie ich es in meinem Blog-Artikel „Die illegale Einsamkeit des Langzeitparkers“ bereits ausführlich beschrieben hatte. Nach wie vor sind Tausende Lkw-Fahrer aus Drittstaaten unter dem Motto „Anywhere for You“ ausschließlich in Westeuropa unterwegs.

So forderte auch Andrea Kocsis mehr Kontrollen und eine bessere Koordination der zuständigen Behörden, bei dem der Zoll immer noch auf das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) angewiesen ist, um bei Kontrollen etwa der Einhaltung des Mindestlohns überhaupt die digitalen Tachos auslesen zu können. Sie will sich weiter für eine „Sozialmaut“ einsetzen, bei der Speditionsfirmen mindestens einen Cent je gefahrenen Kilometer abgeben müssen, um die oftmals prekären Arbeits- und Sozialbedingungen der Lkw-Fahrer auf den Straßen zu verbessern und stellte ernüchtert fest: „Einzig das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz bringt Bewegung in die Unternehmen.“

SPD fordert von der Bundesregierung konsequentere Kontrollen

Wie paradox die parlamentarische Demokratie mitunter sein kann, zeigt sich im ersten Workshop unter Leitung von Udo Schiefner selbst, der sich nun seit 2013 als einer der wenigen Bundespolitiker für die Verbesserung der in manchen Bereichen der Logistik immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer einsetzt. Vor ziemlich genau einem Jahr hatten die Ampel-Fraktionen im Bundestag in einem Entschließungsantrag (Drucksache 20/6423) zunächst das FDP-geführte Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) grundsätzlich dafür gelobt, dass „durch die Intensivierung der Schwerpunktkontrollen an neuralgischen Logistikpunkten durch das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) mit den jeweiligen Landespolizeien und dem Zoll ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit geleistet wurde“. Dem ist mitnichten so. Die Zahl der Lkw-Unfälle am Stauende bleibt hoch, und wenn, wie Anfang der Woche, am frühen Montagmorgen ein betrunkener Fahrer eines Sattelzuges in der Zufahrt zum Rastplatz Elztal-Nord der A 48 in zwei dort parkende Lastzüge rast, ist das nur die Spitze des Eisbergs.

Forderung nach höheren Bußgeldern

In der Debatte zeigte auch Anna Weirich vom DGB-Beratungsprojekt „Faire Mobilität“ noch einmal auf, wie inkonsequent die Kontrollen von BALM und Zoll eben sind. Beide unterstehen der FDP-geführten Bundesregierung, die Frage von Udo Schiefner, ob besserer Kontrollen und höhere Bußgelder eine Lösung gegen die fortschreitende Wettbewerbsungleichheit sein können, wurde natürlich mit ja beantwortet. So ist das Konferenzmotto natürlich auch eine Aufforderung an die Bundesregierung, hier endlich zu liefern. Bemerkenswert dabei ist vor allem die Tatsache, dass die Fraktion der FDP unter Christian Lindner in einer kleinen Anfrage aus 2021 an die damalige Große Koalition genau diese mangelnden Kontrollen hinterfragt und Verbesserungen gefordert hatte. Aber solange etwa das BALM mit seinen aktuellen Kontrollzahlen zum Thema Kontrolle des Verbotes der Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit das BMDV in dem Glauben lässt, es gäbe keine wirklichen Probleme, wird wohl auch nichts weiter passieren. Eine Erhöhung des Kontrollpersonals und eine bessere Kontrolle der Fahrzeugbewegungen über die Nutzung der Mautdaten waren daher weitere konkrete Lösungsvorschläge an Udo Schiefner – die dieser allerdings sicher nicht zum ersten Mal gehört hat.

Kritik aus der EU

Während also auch der Lösungsansatz vorgetragen wurde, die Möglichkeiten der European Labour Authority (ELA) für den Straßengüterverkehr in Zukunft zu nutzen, kam in einem beindruckenden Bericht des Bayrischen Rundfunks (BR) zunächst der ganze Wahnsinn des Wettbewerbs auf der Straße zur Sprache. In einem Interview zum Beitrag betonte der EU-Beschäftigungskommissar Nicolas Schmit deutlich, dass auch Deutschland die Schutzvorschriften für Lkw-Fahrer als größtes Transitland endlich besser kontrollieren müsse. „Ich nehme die Mitgliedsstaaten in die Pflicht“, so Schmit“, „ich nehme die Dienste in die Pflicht, die damit beauftragt sind, die sozialen Normen zu kontrollieren, aber auch die Sicherheitsnormen, die gerade in diesem Bereich angewandt werden müssen."

Weitere Verzögerungen

Doch in Deutschland verzögert das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium weiterhin die Umsetzung des EU-Mobilitätspaketes. Die Novelle von Fahrpersonalgesetz (FPersG) und Fahrpersonalverordnung (FPersV), die auf verbindliche Vorgaben anstelle von Bußgeld-Empfehlungskatalogen setzt, soll immerhin im Herbst als Referentenentwurf vorliegen. „Ob sich die Bußgelder so erhöhen, dass sie im Sinne der SPD-Fraktion Wirkung zeigen, bleibt abzuwarten“, berichtete im Vorfeld der Konferenz bereits der Background Verkehr & Smart Mobility des Berliner Tagesspiegel.

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Udo Schiefner setzt sich seit 2013 für die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen der Lkw-Fahrer ein.

Auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz scheint die flächendeckende Wirkung, wie sie sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgestellt hat, noch nicht erreicht zu haben. Zwar hatte Aldi Süd in der Tat die Frachtführer Lukmaz und Agmaz des seit dem Fahrerstreik im vergangenen Jahr in Gräfenhausen umstrittenen polnischen Unternehmers Lukasz Mazur aussortiert. Doch nach einer von der Polizei bestätigten tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Unternehmer und einem usbekischen Fahrer, der seinen angeblich nicht bezahlten Lohn einforderte, am Wochenende auf einem Rastplatz in Bayern, stellte sich nach Medienberichten heraus, dass der Lkw mit italienischer Pastasauce auf dem Weg zu einem Logistikzentrum in Baden-Württemberg war – für Aldi Süd.

Mazur hatte 2023 zusammen mit seiner Frau unter dem Namen Mlogystika ein neues Transportunternehmen angemeldet. Das stand offenbar noch nicht auf der Liste. Doch ein Entzug der Lizenz wäre nur in Polen möglich. Falls sie sich nach dem polnischen Recht überhaupt durchsetzen ließe. Solange alle bisherigen Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen weiter nicht greifen oder politisch vielleicht gar nicht gewollt sind, und so in letzter Konsequenz den in der ganzen EU drohenden Fahrermangel erhöhen und die Liefersicherheit in der Logistik gefährden, bleiben viele Fahrer weiter „ausgeliefert“.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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