Arbeitsunfälle beim An- und Abkuppeln Sicher Kuppeln

Foto: Jan Bergrath
Meinung

Immer wieder gibt es schwere Unfälle beim Anhängen von Anhängern und Aufsatteln von Aufliegern. Bei FERNFAHRER LIVE besprechen wir mit der BG Verkehr, wie diese Unfälle zu vermeiden sind, und mit Jost, welche technischen Möglichkeiten es bereits gibt.

Mehrmals am Tag kuppelt der junge Kölner Berufskraftfahrer Jan Gaede den Anhänger seines Gliederzuges an und ab. Das hat Jan, den wir bereits im FERNFAHRER 4/21 als „Profi im Profil“ vorgestellt haben, bei Remondis in Köln von der Pike auf gelernt. Besonders das Rangieren mit dem Drehschemelanhänger ist für ihn jedes Mal wieder eine neue Herausforderung. Falls er nicht "solo" zum Kunden fährt, so ist sein Job in den manchmal beengten Verhältnissen vor Ort durchaus Präzisionsarbeit.

Gut eingespielt, wie Jan nun einmal ist, braucht er etwa 45 bis 55 Minuten, um zwei leere Container abzusetzen und zwei beladene Mulden wieder aufzunehmen. Dazu bedient er per Fernbedienung den über einen Nebenantrieb gesteuerten hydraulischen Hakenlift des Meiller-Aufbaus. Das ist ein komplexer Vorgang, weil Jan im Prinzip nur mit dem Motorwagen arbeiten kann. "Es bedeutet immer wieder, zuerst den Anhänger abzukoppeln, die vordere Mulde abzusetzen, danach die hintere Mulde auf den Motorwagen zu ziehen und sie abzusetzen. Beim Aufnehmen der beladenen Mulden ist es später genau andersherum.“

Das Wissen um die Gefahr

Jan weiß natürlich um die Gefahr, die besteht, wenn es etwa schnell gehen muss. Oder wenn, wie so oft, die Deichsel tiefer ist als das Kupplungsmaul des Anhängers. Die Verlockung ist groß, die Feststellebremse zu lösen und den Anhänger einlaufen zu lassen. So wie es vor gut einem Jahr laut Medienberichten etwa in Österreich passiert ist, als ein 41-jähriger Lkw-Fahrer auf einem Firmengelände zwischen dem Zugfahrzeug und dem Anhänger eingeklemmt und tödlich verletzt worden ist. Ein 21-jähriger Arbeiter fand ihn nach rund 20 Minuten. Die Feuerwehr befreite den Verunglückten, Reanimationsversuche durch den Notarzt blieben jedoch erfolglos, informierte die Polizei.

Der Mann wollte auf einem abschüssigen Schotterweg den Anhänger an den Lkw ankuppeln. Offensichtlich stoppte der 41-Jährige das Zugfahrzeug vor der Deichsel und beabsichtigte diese durch Lösen der Druckluftbremse in die Anhängevorrichtung gleiten zu lassen. Dabei drehte die Deichsel aber nach rechts weg, der Anhänger rollte gegen das Heck des Lkw und klemmte den Mann zwischen beiden Fahrzeugen im Bereich des Brustkorbes ein. Für ihn kam jede Hilfe zu spät.

Auflaufen nach Toreroart

„Manchmal fehlt den Fahrern auch das technische Verständnis für den Gesamtablauf“, sagt Ralf Brandau, Regionalleiter Prävention der BG Verkehr in Wuppertal im Trailer zur 57. Sendung von FERNFAHRER LIVE am 22. April, „auch das Thema Unterlegkeil ist ganz unbeliebt bei den Fahrern. Fahrer lassen den Anhänger dann zum Motowagen auflaufen. Der Fahrer löst die Feststellbremse, um die Deichsel nach Toreroart in das Kupplungsmaul laufen zu lassen. Wenn das schief geht, wird der Raum zwischen Anhänger und Motorwagen sehr, sehr eng.“ Jan Gaede ist das zum Glück noch nicht passiert. Auch Frank Kirch, der seit über 35 Jahren mit Gliederzügen unterwegs ist, beteuert, dass er so eine gefährliche Situation bislang selbst noch nicht hatte. „Aber über die Jahre habe ich von einigen Kollegen gehört, denen es passiert ist. Entweder sie waren tot, oder sie haben sich erheblich verletzt, so dass sie nicht mehr als Fahrer arbeiten konnten.“

Verlorene Auflieger

Auch ein zweites Phänomen beunruhigt die BG Verkehr ebenso, wie Christina Scheib, die selbstfahrende Unternehmerin aus Bayern, die mittlerweile den BGL-Süd repräsentiert, sowie den Kühlzugfahrer Ralf Kalabis-Schick von der hessischen Spedition Kauteztky. Nicht nur, dass immer öfter während der Fahrt plötzlich Auflieger sogar mitten auf der Autobahn verloren gehen, wie es ebenfalls immer wieder in den Medien hier und hier berichtet wird. Auch schwere Verletzungen sind immer wieder wie hier zu beklagen.

„Eine nicht angezogene Handbremse war das Problem beim Auflieger“, so Brandau. „Den kann ich natürlich nicht auflaufen lassen, denn der Auflieger steht auf seinen Stützen. Das Problem ist hier, dass der Fahrer das ordnungsgemäße Verriegeln der Kupplung nicht so gut beobachten kann wie eben bei einem Anhänger. So kann es passieren, dass am Ende der Königszapfen auf der Verriegelung der Sattelplatte sitzt. Wenn dann die Bremse im Auflieger aufgeht, setzt er sich in Bewegung, und wenn dann er Fahrer noch auf der Arbeitsfläche steht, wird es auch sehr, sehr eng.“ Zumal gerade bei Kühlaufliegern der Raum zur Rückwand der Zugmaschine eh schon enger geworden ist. „Was auch damit zu tun hat, dass immer mehr Lkw-Fahrer an Umfang gewinnen," sagt Ralf, der, wie Christina, ebenfalls beklagt, dass sich diese Missgeschicke in der Transportbranche häufen.

Technik, die helfen kann

So ist es eine schöne Fügung, dass der Zulieferer Jost vor zwei Wochen erst das neue automatische Kupplungssystem KKS vorgestellt hat. „Unser System macht das Zusammenführen von Zugmaschine und Auflieger praktisch zum Kinderspiel“, sagt Michael Fischer, Leiter der Produktentwicklung bei Jost, der ebenfalls in die Sendung geladen ist. Er spricht von einem Gewinn an Effizienz, Komfort und natürlich an Sicherheit. Ein kurzer Film zeigt, wie das System funktioniert. Spediteur Willi Kellersohn aus Lindlar würde es sofort einsetzen. Mit allen Gästen zusammen wollen wir daher auch die Frage klären, ob es auf absehbare Zeit eine automatische Lösung auch für Gliederzüge mit Drehschemelanhänger gibt. „Wir arbeiten daran“, verspricht Fischer und weist auf eine interessante technische Lösung bei den Tandemzügen hin – den Drawbar Finder hier in einem Video. „Mittels visueller Führung in zwei Richtungen ermöglicht der Drawbar Finder ein präzises Ankuppeln und vermeidet so Schäden an Zugfahrzeug und Trailer“, erläutert Fischer. „Auch wir von Jost freuen uns, an der Sendung bei FERNFAHRER LIVE teilzunehmen, um gemeinsam zu versuchen, diese Arbeitsunfälle beim Anhängen und Aufsatteln möglichst zu vermeiden.“

Terminhinweis

Die 57. Sendung von FERNFAHRER LIVE startet am 22. April 2020 um 17 Uhr wie immer bei Facebook. Es diskutieren: Ralf Brandau (BG-Verkehr), Michael Fischer (Jost), Willi Kellersohn (Spedition) sowie die Fahrinnen und Fahrer Christina Scheib, Jan Gaede, Frank Kirch sowie Ralf Kalabis-Schick. Fragen von Zuschauern sind über die Kommentarfunktion möglich.

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