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Ungleiche Förderung der Verkehrsträger Kombiverkehr kritisiert Fehlentscheidungen

Foto: Kombiverkehr

Die Kombiverkehr-Chefs Robert Breuhahn und Armin Riedl sehen die Schiene gegenüber der Straße benachteiligt und mahnen bei der Bundesregierung Korrekturen an. Ihre Forderungen erläutern sie im Interview mit der Fachzeitschrift trans aktuell.

trans aktuell: Herr Breuhahn und Herr Riedl, voriges Jahr haben Sie den 50. Geburtstag von Kombiverkehr gefeiert. Nach dem Jubiläumsjahr herrscht wegen Corona nun überall Katerstimmung. Wie erleben Sie dieses Wechselbad der Gefühle?

Breuhahn: Das Kontrastprogramm könnte kaum größer sein. Es war schön, dass wir die 50 Jahre gefeiert haben. Hätten wir es nicht getan, würden wir es nun ­bereuen. Der Übergang von diesem großen Ereignis zur Krise ist extrem. Erstmals in der Firmengeschichte von Kombiverkehr findet unsere Gesellschafterversammlung präsenzlos statt. Zum Zeitpunkt der Planung im Frühjahr gab es aber keine andere Option. Sie ist daher dieses Jahr ein eher anonymer, formeller Akt.

Riedl: Die Gesellschafterversammlung fehlt uns sehr. Wir waren an den jährlichen Rhythmus gewöhnt, und sie war immer die Krönung des Geschäftsjahres.

Auf der Veranstaltung hätte ein neuer Verwaltungsrat gewählt werden sollen – was nun per Briefwahl erfolgt ist. Bedeutet die Neuwahl einen großen Einschnitt für das Unternehmen, besonders aufgrund der Tatsache, dass die langjährige Vorsitzende des Verwaltungsrats, Gudrun Winner-Athens, nach 18 Jahren an der Spitze nicht mehr kandidierte?

Breuhahn: Die Wahl eines neuen Verwaltungsrats ist für uns zunächst nicht so einschneidend. Laut Satzung steht alle drei Jahre eine Wahl an. Wir hatten das große Glück, über einen langen Zeitraum einen Verwaltungsrat mit stabiler Besetzung zu haben, was Kontinuität ermöglicht hat. Aber es stimmt: Das Ausscheiden von Gudrun Winner-Athens bedeutet einen Umbruch. Aber im nächsten Jahr wird es auch eine Veränderung in der Geschäftsführung geben.

Herr Breuhahn, da Sie Ihre Nachfolge selbst ansprechen: Wie sieht der weitere Zeitplan aus, und wann werden Sie Alexander Ochs – zurzeit noch bei Bayernhafen beschäftigt – bei Kombiverkehr begrüßen?

Breuhahn: Mein Nachfolger steht mit Alexander Ochs nun fest; auch, dass er schwerpunktmäßig den Vertrieb verantworten wird. Ich darf ihn persönlich noch einen gewissen Zeitraum begleiten. Irgendwann freue ich mich dann auf meinen Ruhestand. Noch ist es aber zu früh, um mich damit auseinanderzusetzen. Bis Ende des nächsten Jahres werde ich Kombiverkehr in jedem Fall zur Verfügung stehen.

Riedl: Wir haben ein Jahrzehnt auch mal zu dritt die Geschäfte bei Kombiverkehr geführt. Das Geschäft ist ein spezielles, und vor uns liegen große Aufgaben, nicht zuletzt wegen Corona.

Apropos Corona: Wie sehr macht das Virus Ihrem Unternehmen zu schaffen?

Breuhahn: Das erste Quartal war zufriedenstellend, dann kam Corona. Der Verkehrsrückgang beläuft sich nun auf etwa 10 bis 15 Prozent, abhängig von den jeweiligen Ländern. Sehr stark ist unser internationales Geschäft betroffen, vor allem Verkehre von und nach Italien sowie zur Iberischen Halbinsel. In diesen Ländern gab es durch Corona stärkere Einschränkungen, was sich auf die Mengen auswirkt. Deutlich positiver sind die ­Skandinavienverkehre. Ein Plus von zehn Prozent gibt es auf der Achse nach Schweden.

Foto: Kombiverkehr
Kombiverkehr-Geschäftsführer Robert Breuhahn: Züge fahren zurzeit zu 85 bis 90 Prozent pünktlich.

Riedl: Auf dieser Achse befördern wir unter anderem Lebensmittel, die sehr stabil laufen. Wir sind nicht mehr so Automotive-lastig, dieses Segment ist weitgehend im Direktvertrieb der Eisenbahnen angesiedelt. Unsere breite Produktpalette ist ein Glücksfall. Das Spektrum reicht von Chemie über Entsorgung und Lebensmittel bis zum Baumarktbedarf. Etwas abfedern konnten wir die Entwicklung auch, indem wir Desinfektionsmittel, Zellstoff sowie Krankenhaus- und Hygienebedarf befördert haben.

Und worauf stellen Sie sich weiter ein? Wagen Sie eine Prognose?

Breuhahn: Wenn ich eine sichere Prognose geben könnte, wäre ich Milliardär. Ich befürchte, das kann keiner. Auch unsere Spediteure sind unsicher, wie es weitergeht, wie unsere vielen Gespräche zeigen. Viele rechnen nicht vor 2022 damit, wieder das Vorkrisenniveau zu erreichen.

Daher ruft auch Kombiverkehr nach Unterstützung durch den Bund. Noch aber finden diese Rufe kein Gehör. Was läuft Ihrer Ansicht nach schief?

Riedl: Wir erkennen im Bundesverkehrsministerium nur eine geringe Bereitschaft, die Schiene zu unterstützen. Die Förderungen der Politik setzen die falschen Schwerpunkte und Signale. Es findet zum Beispiel eine Direkt­unterstützung des Bundes für den Straßengüterverkehr statt, weil Gas-Lkw bis Ende 2023 von der Maut befreit werden. Doch der Schienenverkehr bleibt von einer direkten Unterstützung ausgenommen – sieht man von der Kapitalerhöhung der DB mal ab. Die zusätzlichen Investitionsmittel wirken erst in ein paar Jahren.

Was ist an der Förderung der Gas-Lkw so problematisch?

Riedl: Wir sind nicht explizit gegen die Förderung der Gas-Lkw, aber das Ausmaß der Förderung ist erheblich. Es gibt einen vergünstigten Steuersatz, eine Beihilfe beim Kauf und zusätzlich eine vollständige Mautbefreiung. Wir fordern auch gar nicht, Gas-Lkw zu bestrafen, sondern den Kombinierten Verkehr mit ihnen gleichzustellen. Damit verbunden sind drei Forderungen. Erstens: Vor- und Nachläufe von der Maut befreien. Zweitens: den Spediteuren und Transportunternehmen für die Nutzung des umweltfreundlichen Kombinierten Verkehrs eine Prämie geben. Und drittens: die Kosten für den Umschlag in den Terminals halbieren – wie ja auch die Trassengebühr halbiert wurde.

Immerhin gibt es nun ein Förderprogramm für Innovationen im Schienengüterverkehr über 30 Millionen Euro. Ein Tropfen auf den heißen Stein?

Riedl: Das Förderprogramm hat nichts mit Corona zu tun, sondern seinen Ursprung im runden Tisch zum Masterplan Schienengüterverkehr. Wir brauchen deutlich mehr. Corona hat gezeigt, dass es die Eisenbahnen sind, denen es in der Krisensituation gelingt, Transportketten mit Minimalkontakt oder komplett kontaktlos aufrechtzuerhalten. Als Geschäftsführer von Lokomotion kann ich sagen, dass jede Lokomotive nach jeder Fahrt am Brenner vor einem Fahrerwechsel desinfiziert wird. Unsere Partnerbahnen praktizieren das auch so. Der Kombinierte Verkehr ist also nicht nur der umweltfreundlichste, sondern auch der pandemiesicherste Verkehrsträger. Vor diesem Hintergrund ist die Förderpolitik des Bundes völlig unverständlich.

Foto: Kombiverkehr
Kombiverkehr-Geschäftsführer Armin Riedl: Gas-Lkw nicht bestrafen, aber den Kombinierten Verkehr mit ihnen gleichstellen.

Breuhahn: Wenn die Regierung den Schienenverkehr stärken will, trifft sie gerade eine Reihe von Fehlentscheidungen. So wird die Schiene keinen Schub erfahren. Aktuell hat der Straßenverkehr zu viele Kapazitäten. Was an zusätzlichen Volumen kommt, geht auf die Straße. Den Benchmark für die Schiene gibt die Straße vor. Und hier können wir nicht mithalten, weil der Marktpreis kontinuierlich nach unten rutscht. Der Kombinierte Verkehr kann unter diesen Voraussetzungen seine Stärken nicht ausspielen.

Aber mit einer Qualität punkten, die man so lange nicht gekannt hat. Wo liegen Sie bei der Pünktlichkeit aktuell?

Breuhahn: Wir sind bei der Qualität in einer Phase, die ich seit 20 Jahren fordere. Die Züge fahren zu 85 bis 90 Prozent pünktlich, national wie international. Unsere Vorgaben und die Vorgaben der Kunden werden erfüllt. Wenn die DB diese Qualität durchhält, haben wir eine Sorge weniger, denn die häufig unzureichende Qualität ist für viele ein Argument, um die Schiene nicht zu nutzen.

Riedl: Ein weiterer positiver Nebeneffekt von Corona ist, dass wir die Zeit genutzt haben, um deutlich digitaler zu werden. Wir haben das Abwicklungsgeschäft weiter digitalisiert und ermöglichen eine 100-prozentige kontaktlose Agentur- und ­Sendungsabfertigung. ­Genauso wenig haben wir in der Coronakrise bei unseren Aktivitäten in Richtung KV 4.0 nachgelassen. Wir sind dabei, den ersten Teil des Pakets abzuschließen.

Was umfasst der erste Teil alles?

Riedl: Es handelt sich um die Programmierung einer Fahrplandatenbank, das ist die erste Funktionalität des Projekts KV 4.0. Wir brauchen dazu nicht nur ein zwischen den Partnern abgestimmtes Meldungsszenario, sondern auch ein begleitendes Organisationsmodell. Wir denken hier an eine kleine Gesellschaft, die das betreibt. Erfahrungen mit Start-ups haben wir ja, auch Kombiconsult und Lokomotion haben in dieser Form begonnen.

Wer sind die Partner, und wie können Ihre Kunden von KV 4.0 profitieren?

Riedl: Unsere Projektpartner sind DB Cargo, SBB Cargo, Lokomotion, Hupac und KTL Ludwigshafen sowie unsere Kunden ­Hoyer, Bertschi und Paneuropa. Als Erstes profitieren unsere Kunden davon, dass sie einen völlig neuen Standard mit einer nicht gekannten Detailtiefe bekommen. Bezog sich der Fahrplan früher auf eine ganze Periode, sieht man zukünftig die Fahrplandaten für jeden einzelnen Tag – teilweise verbunden mit Lokwechseln und Baustellen. Das alles zu harmonisieren und die Daten für die Kunden nutzbar zu machen, ist eine gewaltige Aufgabe. Wir bekommen eine völlig neue Qualität der Auskunft.

Und wann möchten Sie bei der digitalen Fahrplandatenbank Vollzug melden?

Riedl: Wir legen großen Wert darauf, dass wir Dinge nicht nur ankündigen, sondern auch ­Taten folgen lassen. Auf der nächsten Gesellschafterversammlung möchten wir das Projekt mit seinen ganzen Funktionalitäten vorstellen. Wir möchten zeigen, zu welchen Innovationen der Kombinierte Verkehr fähig ist – auch, um ihn und seine Rolle für die gesamte Wirtschaft weiter zu stärken und um ihn stärker ins Bewusstsein zu rücken.

Zu den Personen

  • Robert Breuhahn (Jahrgang 1952) ist ebenfalls seit 1993 Geschäftsführer von Kombiverkehr. Bei dem KV-Operateur aus Frankfurt am Main ist ­Breuhahn seit 1977 tätig. Er absolvierte eine Ausbildung zum Speditionskaufmann und schloss danach an der DAV ein Studium als Betriebswirt ab.
  • Armin Riedl (­Jahrgang 1961) ist seit 1993 ­Geschäftsführer von Kombiverkehr und seit 2000 auch Chef der Bahngesellschaft Lokomotion. Riedl begann 1990 als Assistent der Geschäftsführung bei Kombiverkehr. Nach Abitur und Bundeswehr hatte er Wirtschaftswissenschaften studiert.
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