Zusatzbeleuchtung Stilllegen unverhältnismäßig

Foto: Jan Bergrath

Leuchtende Augen hatten die Kinder bei der Rüssel Truck Show, die Ende April die schönsten Lkw gekürt haben. Leichten Groll dagegen die Fahrer, deren Fahrzeuge nun von den Behörden besonders beobachtet werden. Immerhin: Es gibt einen Hoffnungsschimmer.

Ende April bin ich zur Rüssel Truck Show gefahren. Es war auch für mich ein sehr emotionales Erlebnis. In Heft 7/2019 des FERNFAHRER, der nun Anfang Juni erscheint, habe ich es beschrieben. Gewinner sind vor allem die Kinder, die zum einen mit leuchtenden Augen die schönsten Trucks küren durften. Zum anderen können sie nun mit einer sagenhaften Summe von 43.000 Euro an Spendengeldern für den Verein krebskranker Kinder e.V. rechnen. In seinem grandiosen Filmbeitrag hat mein Kollege Norbert Böwing in der Folge 6 von Eurotransport TV diese unbeschreibliche Stimmung eingefangen. Bilder sagen manchmal einfach mehr als Worte.

Emotionen gegen Erlasse

Doch über der schönen nächtlichen Lichtshow schwebt ein dunkler Schatten, den ich schon in meinem Blog „Emotionen gegen Erlasse“ von Beginn an zusammengefasst habe. Die gesamte Festivalkultur ist in Gefahr. Die nun allseits bekannte Anweisung aus dem Verkehrsministerium in Baden-Württemberg, die sogar zu Jagdszenen durch die Polizei in Baden-Württemberg geführt hat, ist bei den deutschen Prüforganisationen angekommen. Die sind nun mehr oder weniger gezwungen, Lkw mit nicht regelkonformer Zusatzbeleuchtung die Betriebserlaubnis zu verweigern. Das, was in einer Grauzone lange möglich war, nämlich vor der Hauptuntersuchung die Lampen abzubauen, das HU-Siegel zu bekommen, und danach alles einfach wieder anzubauen, ist nach einem aktuellen BGH-Urteil auch vorbei – es gilt als Urkundenfälschung, der Prüfer macht sich strafbar.

Licht am Horizont

Immerhin gibt es einen Hoffnungsschimmer. Der Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) hat sich des Themas nun auch angenommen – auch weil er erkannt hat, dass doch sehr viele Unternehmen befürchten, der Beruf des Lkw-Fahrers würde weiter an Attraktivität verlieren, wenn für diese Fahrer, die sich „ihren“ Lkw nun einmal mit viel Licht individuell gestalten wollten, die letzte Motivation auf der Strecke bleibt. Bei einer schon jetzt bestehenden Lücke von rund 60.000 Lkw-Fahrern allein in Deutschland, wie es der BGL-Vorstandsprecher Dirk Engelhardt derzeit in Interviews mit der Presse sagt, ist jeder Fahrer, der demnächst aus Frust, dass er seine Beleuchtung abbauen muss, in eine andere Branche wechselt, einer zu viel.

Hintergrundgespräche

Im Hintergrund laufen nun über den BGL in den entsprechenden Gremien Gespräche mit dem Bundesverkehrsministerium, den Prüforganisationen und den Betroffenen, eine Lösung zu finden. Und so heißt es offiziell: "Der BGL hat am 29.4.2019 zu einem Workshop zum Thema „Zusätzliche lichttechnische Einrichtungen am Nutzfahrzeug“ eingeladen. Gemeinsam mit Vertretern aus dem Bundesverkehrsministerium, Überwachungsorganisationen, Vertretern der Länder, Nutzfahrzeugbetreibern und Truck-Veredlern hat sich der BGL über die aktuelle Situation um nachgerüstete Leuchten am Nutzfahrzeug offen ausgetauscht. Alle Beteiligten sind sich einig: „(Road) Safety first“! Im Einsatz befindliche Fahrzeuge müssen vorschriftsmäßig sein, damit die Verkehrssicherheit und Betriebssicherheit gewahrt wird und eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer – hier durch zusätzliche Beleuchtung - ausgeschlossen ist. Eindeutige und für alle Beteiligten klare Lösungen müssen entwickelt werden."

Wer eine Wahl hat, sucht einen guten Slogan

Es ist daher ein Elfmeter für jeden Journalisten, wenn ihm ein aufmerksamer Leser ein Plakat für den Wahlkampf der CDU aus Baden-Württemberg zukommen lässt, wo die Partei, die derzeit den Innenmister stellt. Dessen Polizeibeamte machen nach der Anweisung aus dem grünen Verkehrsministerium weiter Jagd auf Fahrer mit zu viel Licht am oder im Lkw, wenn wohl auch nur noch in besonders krassen Einzelfällen. Und genau diese CDU nutzt auf Wahlplakaten den sinnigen Slogan, den sich auch die Lkw-Fahrer auf den dunklen Straßen wünschen: Mehr Beleuchtung. Mehr Sicherheit.

Ein echter Skandal

Leider werden mir immer wieder diese ziemlich krassen Einzelfälle zugetragen, die selbst polizeiintern nur Kopfschütteln erzeugen. In der Rubrik „Recht Aktuell“ im FERNFAHRER 7/2019 beschreibe ich zusammen mit dem Heilbronner Fachanwalt für Verkehrsrecht, Matthias Pfitzenmaier, einen hochgradig fragwürdigen Fall – wie der Beamte eines bereits berüchtigten Autobahnpolizeireviers aus Baden-Württemberg in Abwesenheit des Fahrers ins Fahrerhaus kletterte und dort eine ausgesteckte LED Innenraumbeleuchtung einstöpselte, um daraus eine Anzeige wegen „Gefährdung der Verkehrssicherheit“ zu generieren. Ein echter Skandal.

Nicht in jedem Fall droht die Stilllegung

Immerhin hat Pfitzenmaier auch gute Nachrichten. Nicht in jedem Fall darf die Polizei einen Lkw mit zu viel Licht an Ort und Stelle stilllegen. Die Straßenverkehrszulassungsverordnung (StVZO) und die Vorschriften, auf die im Paragrafen 49a StVZO Bezug genommen wird (EG/ECE), sind technische Vorschriften, die besagen, was, wie viel und wo angebaut werden darf, so wie es auch Vorschriften für Höhe, Länge und Breite von Fahrzeugen gibt. Das ist das Eine. Hier stehen StVZO und die EG/ECE parallel als Vorschriften zur Verfügung.

„Das Andere ist die Frage, was passiert, wenn ich ein ordnungsgemäßes Fahrzeug verändere“, so Pfitzenmaier. „ Das führt nicht immer zum Erlöschen der Betriebserlaubnis. Ohne Erlöschen der Betriebserlaubnis darf die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr einen Lkw aber nicht ohne weiteres stilllegen. Dies geht nur dann, wenn der Paragraf 19 STVZO Anwendung findet.

§1(2) Die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs bleibt, wenn sie nicht ausdrücklich entzogen wird, bis zu seiner endgültigen Außerbetriebsetzung wirksam. Sie erlischt, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die

1. die in der Betriebserlaubnis genehmigte Fahrzeugart geändert wird,

2. eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist.

Besteht Anlass zur Annahme, dass die Betriebserlaubnis erloschen ist, kann die Verwaltungsbehörde zur Vorbereitung einer Entscheidung

1. die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen, Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr oder eines Prüfingenieurs darüber, ob das Fahrzeug den Vorschriften dieser Verordnung entspricht, oder

2. die Vorführung des Fahrzeugs

anordnen und wenn nötig mehrere solcher Anordnungen treffen; auch darf eine Prüfplakette nach Anlage IX nicht zugeteilt werden.

Satz für Satz – kompliziert, aber wahr

Weiter heißt es:

(5) Ist die Betriebserlaubnis nach Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 2 erloschen, so darf das Fahrzeug nicht auf öffentlichen Straßen in Betrieb genommen werden oder dessen Inbetriebnahme durch den Halter angeordnet oder zugelassen werden.

(7) Die Absätze 2 bis 6 gelten entsprechend für die EG-Typgenehmigung.

„Also“, so argumentiert Pfitzenmaier, „ich benötige entweder eine Bauartänderung durch Anbau von Teilen (Leuchten/Bügel), wobei in der Regel ein Sachverständiger die Überprüfung des Fahrzeuges auf Einhaltung der Bauartvorschriften vornehmen müsste, damit die Betriebserlaubnis erlischt.“ Mit der Folge, dass stillgelegt werden kann. Oder es besteht eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern durch den Blendeffekt oder etwa abstehende Teile.

„Letzteres“, mahnt Pfitzenmaier, „also die Gefährdung von Verkehrsteilnehmern, müsste ebenfalls positiv festgestellt werden, wofür es aber wiederum keine genauen Richtlinien gibt. Allein ein Verstoß heißt noch nicht automatisch eine Gefährdung. Bei einem Lkw ohne Bremsen ist das sicher der Fall, wohl aber nicht bei zehn zusätzlichen LED Leuchten im Kühlergrill.“

Was wiederum heißt: „Die Polizei zieht schnell den Schluss der Gefährdung oder Änderung der Fahrzeugart, um dann im Rahmen der ihr obliegenden Maßnahme der Gefahrenabwehr stillzulegen und Fakten zu schaffen. In vielen Fällen dürfte dies aber zumindest rechtlich zweifelhaft sein und lediglich ein mit 10 bis 15 Euro zu ahndender Verstoß gegen die Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) wegen Anbringens nicht zugelassener Leuchten vorliegen.“

Terminhinweis

Am Samstag, 8. Juni 2019, diskutiere ich ab 15 Uhr auf der Bühne der FERNFAHRER Road Show beim Truck Festival in Geiselwind mit Matthias Pfitzenmaier und weiteren Gästen über den Sinn und Unsinn der „Lichtanweisung“ aus Baden-Württemberg und seine Folgen für die Betroffenen.

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