Zusatzbeleuchtung Emotionen gegen Erlasse

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath
Meinung

Das Thema Zusatzbeleuchtung am Lkw polarisiert weiter. Nahezu alle Lkw der Rüssel Truck Show, wo sagenhafte 43.000 Euro Spendengelder für krebskranke Kinder gesammelt wurden, waren streng genommen illegal beleuchtet. Soll die Festivalkultur mit den Show-Trucks auf Dauer bestehen bleiben, hilft nur ein tragfähiger Kompromiss.

Ja, es war ein hoch emotionaler Moment, als die Veranstalter der Rüssel Truck Show auf der Bühne der FERNFAHRER Road Show bekannt gaben, dass sie in diesem Jahr die stolze Summe von 43.000 Euro an Spenden für den Verein der krebskranken Kinder Kassel e.V. erzielt haben. Ein Grund dafür, daran besteht kein Zweifel, sind auch die 435 Lkw aus der deutschen und internationalen Show Truck Szene, die für die rund 6.000 Zuschauer schlicht und einfach die größte Attraktion waren.

Bei Tag, aber vor allem bei Nacht, wenn sie, das ist das Problem, in allen denkbaren Farben und in voller Strahlkraft leuchten. Der Bericht in der HNA kann getrost als großer Imagegewinn für das gesamte Transportgewerbe verbucht werden, das derzeit von einer schlechten Nachricht nach der anderen heimgesucht wird. Doch der schöne Schein ist nur ein leuchtender Tropfen auf das heiße Thema der Zusatzbeleuchtung.

Überwiegend illegal beleuchtet

Ulrich Wild aus dem Referat 42 des Verkehrsministeriums in Baden-Württemberg, der nun bald in den Ruhestand gehen soll, wie ich unter der Hand erfahren habe, hätte beim Gang durch die Reihen sicher auch seine Freude gehabt. Nicht, weil die Lkw ihrer stolzen Besitzer einfach schön anzusehen sind und bei den Fans, Zuschauern und Kindern als potentielle Nachwuchsfahrer, Emotionen wecken. Sondern um sachlich festzustellen, dass nach grober Schätzung wohl 99 Prozent der dort aufgereihten Laster illegal beleuchtet sind. So wie ich es bereits in meinem Blog „Ausgeleuchtet“ beschrieben habe. Dort ist auch seine Anweisung an die Überwachungsorganisationen sowie die „betroffenen“ Unternehmer und Fahrer hinterlegt, die er nun quasi als schweres Erbe hinterlassen wird. Was das rein rechtlich etwa auch für die Prüforganisationen selber bedeutet, habe ich zusammen mit dem Fachanwalt für Verkehrsrecht, Matthias Pfitzenmaier, im Recht Aktuell des FERNFAHRER 5/2019 bereits erörtert.

Christina Petters Foto: Christina Petters

Diskussion auf der FERNFAHRER-Bühne

Daher hatte ich mich recht spontan dazu entschlossen, nach Kassel zu reisen, und mit einigen der von dieser Anweisung „Betroffenen“ auf unserer Bühne zu diskutieren. Das waren, Jörgen Fischer von Jumbo Fischer, Markus Renken von der Spedition Huhndorf aus Merzen, über die ich im FERNFAHRER 6/2019 ausführlich berichte, Sven Acker von Buck Transporte aus Trochtelfingen, Michael Finkbeiner von Kaiko Transporte aus Freiburg, bei dem derzeit vor allem der Frust über die auch aus meiner Sicht übertriebene Jagd auf derartige Fahrzeuge vor allem in Baden-Württemberg zusammenläuft. Spontan kamen auch noch Robert Mahrle vom Organisationsteam der Rüssel Truck Show und Betreiber des Zubehörhandels PERO sowie Joachim Scholz von der Fahrschule Schobloch aus Weingarten auf die Bühne. Ausschnitte der Diskussion sind auf Eurotransport TV in der Sendung vom 16. Mai zusehen.

Ein Standardwerk für die richtige Beleuchtung

Schnell wurde eins klar: Im Grunde verstoßen viele beleuchtete Lkw schon seit etlichen Jahren und wohl auch im vollen Wissen um die Straßenverkehrszulassungsverordnung (StVZO) gegen die dort verfassten Vorschriften für lichttechnische Einrichtungen. Wer sich wirklich einmal im Detail mit diesem hochkomplexen Thema auseinandersetzen will, dem empfehle ich wirklich das dazu anerkannte Standardwerk „Lichttechnische Einrichtungen an Kraftfahrzeugen und deren Anhängern“ aus dem Kirschbaum-Verlag, das auch den Überwachungsorganisationen für ihre technischen Abnahmen dient. Es zeigt vor allem eins auf, wie sich mittlerweile die deutsche StVZO und die einzelnen europäischen Richtlinien zum Licht ergänzen – oder widersprechen.

So verständlich Aussagen von Fahrern sind, dass sie ihre Beleuchtung nie und nimmer abbauen würden oder vor Gericht um ihre Daseinsberechtigung kämpfen, die Behörden sitzen schlicht am längeren Hebel. Die lange gelebte Duldung der Grauzone ist nach der Anweisung aus Baden-Württemberg wohl vorbei, selbst wenn sich viele Verkehrspolizeidirektionen bei Kontrollen nicht in dem Maße um das Thema Licht kümmern, wie bereits bekannte Polizisten etwa aus Münster, Heidenheim oder Sigmaringen, die es womöglich als ihre Lebensaufgabe begreifen, rigoros und unerbittlich bis zur Stilllegung vor Ort gegen zusätzliches Licht vorzugehen. Ich muss hier auch erwähnen, dass auch mir Polizisten eine Kampagne gegen die StVZO vorgeworfen haben.

Daher betone ich noch einmal: Es wurde über Jahre leider versäumt, die „Betroffenen“ selbst rechtzeitig und umfassend über die vielen Änderungen bei den Vorschriften zu informieren, sie „mitzunehmen“ oder mit ihnen vielleicht auch darüber zu diskutieren – das blieb einem Kreis der Experten in Fachausschüssen vorbehalten. Bis heute sind die Richtlinien zum Licht sehr restriktiv, bis heute, so meine Meinung, gibt es keine Statistik, dass zu viel Licht zu konkreten Unfällen geführt hat. Wohl aber sind Ablenkungen und Verwirrungen denkbar, wenn Lkw nach vorne komplett blau erstrahlen, wie es Bilder eindrucksvoll belegen oder eine ganze Batterie an roten Leuchten an der kompletten Seite angebracht ist. Ebenso sinnlos und vollkommen übertrieben sind bis zu 20 Fernscheinwerfer vorne.

Wer soll als Fahrer noch durchblicken?

Dass es heute zu Teil höhere Mathematik ist, wie ein Lkw legal beleuchtet ist, habe ich bereits beschrieben, in meinem Blog über einen Lkw Deutschen Bundestages. Die Pressestelle aus Berlin hatte mir nach Veröffentlichung noch nachgereicht, dass die Beleuchtung des MAN des gemieteten Promotion-Trucks bei MAN selbst so neu geschaltet wurde, dass nur maximal erlaubte sechs von insgesamt acht Lampen tatsächlich leuchten. Doch das ist, wie ich nun kürzlich in einem Expertengespräch lernen musste, auch wieder nicht richtig, denn nach der StZVO müssen alle Lampen, die an einem Lkw verbaut sind, wirklich leuchten. Sonst zählt auch das nämlich zur immer wieder zitierten Gefährdung der Verkehrssicherheit. Wer soll da noch als Fahrer wirklich durchblicken?

Vorne weiß, seitlich gelb, hinten rot

Es ist, wie mir auf der Bühne aber auch in vielen anderen Gesprächen zu diesem Thema mittlerweile immer wieder gesagt wird, auch die Festival-Szene selber, die es in einer lange geduldeten Grauzone der nicht legalen Zusatzbeleuchtung nach und nach „übertrieben“ hat. Von „Zirkuswagen“ und „Kirmesbeleuchtung“ ist dann die Rede, wenn blaue, gelbe, rote und weiße Lichter munter durcheinander in alle Richtungen strahlen. Markus Renken hat daher, wie die meisten seiner Kollegen bei Huhndorf, eine klare Auffassung: „Nach vorne weiß, zur Seite gelb und nach hinten rot“, betont er. „Dann habe ich persönlich kein schlechtes Gewissen, wenn ich unterwegs bin.“

Spannend wird nun sein, zu beobachten, wie die Prüfer der Überwachungsorganisationen bei der nächsten HU reagieren. Denn sie müssen nun nach der Anweisung selber dokumentieren, in welchem Zustand sie einem Lkw die Plakette erteilt haben – sonst fällt es bei einer Kontrolle, zumal in Baden-Württemberg, auf sie selbst zurück. Markus selbst ist zuversichtlich. Sven Acker sieht es weniger optimistisch: "Ich werde nach derzeitigem Stand meine Zusatzbeleuchtung wohl einfach abbauen müssen.“ So wie es derzeit viele FERNFAHRER-Leser befürchten. Die Unternehmer, denen die Lkw letzten Endes gehören, wollen kein Risiko eingehen – sie wollen und müssen mit dem Lkw letzten Endes Geldes verdienen. Wie viele Fahrzeuge allein in Deutschland wirklich betroffen sind, wäre vielleicht mal eine amtliche Untersuchung wert.

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath

Ein Kompromiss muss her

Daher mahnte vor allem Jörgen Fischer an, dass auf Dauer ein Kompromiss gefunden werden muss. Mit einer durchaus aufsehenerregenden aktuellen Beklebung des silbernen Kühlzuges der Spedition Raddatz aus Jork im alten Land, mit dem Lkw-Fahrer Michael Dolch auf der Tour nach Frankfurt noch einen Abstecher zum Rüssel gemacht hat, vertritt Fischer die These „Mehr Licht – mehr Sicht – mehr Sicherheit“.

Also grundsätzlich die These einer Online-Petition, die bereits über 5.000 Leute gezeichnet haben, die aber, trotz aller Hinweise auch von mir immer noch nicht beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages angekommen ist – also schlicht und einfach im Nirwana verglüht. „Vernünftiges Licht ist eine Lebensversicherung“, sagt Dolch. Aus seiner Zeit als Schwedenfahrer weiß er, dass bestimmte Zusatzbeleuchtung wirklich erforderlich ist. Auch er plädiert für klare Regeln, was die Farbgebung angeht. Sein Zug mit dem Volvo FH 4 450 ist der beste Beweis, dass dezente angebrachte Beleuchtung auch sehr schön und edel aussehen kann.

„Aber der gesuchte Kompromiss kann kein Rückschritt zu weniger Sicherheit sein“, betonte Fischer. „Und weniger Licht kann weniger Sicherheit bedeuten.“ Fischer warnt daher auch davor, durch diese technischen Weiterentwicklungen des „Baumann-Schalters“, also durch eine fahrgeschwindigkeitsabhängige Kopplung mit der Feststellbremse oder der Gangschaltung, das Zusatzlicht komplett zu deaktivieren. „Es müsste dann gewährleistet sein, dass gewisse Leuchten dort in Betrieb genommen werden können, wo sie im internationalen Fernverkehr unabdingbar sind. Beispiele wären weitere und leistungsstarke Zusatzfernscheinwerfer in Skandinavien oder Rundumleuchten bei österreichischen Tunneln mit ADR-Ladung.“ Dazu kann ich nur sagen: Es wäre im Grunde wünschenswert, wenn der Gesetzgeber, vielleicht in Zusammenarbeit mit einer Prüforganisation, den Unternehmern und Fahrern helfen würde, hier durch entsprechende Tests sogar einen gesetzeskonformen Standard zu entwickeln.

Ein Licht am Ende des Tunnels

Journalismus, das möchte ich zum Abschluss hier schreiben, kann heute immer noch etwas bewirken – nicht nur allein durch das geschriebene Wort, das bei gewissen Themen allerdings Inhalte dorthin vermittelt, wo sie in dieser Form vielleicht nicht so bekannt sind. Und daher kann ich, ohne weitere Erläuterung folgende Botschaft mitteilen: Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels. Der Tunnel wäre in letzter Konsequenz die radikale Umsetzung der „wilden“ Verordnung aus Baden-Württemberg, und die wäre mittelfristig das Ende der Festivalkultur. Und ja, vielleicht würde auch der eine oder andere Fahrer tatsächlich den Beruf komplett aufgeben, wenn er den Lkw, mit dem er unterwegs ist, nicht mehr so individuell gestalten kann, wie er es möchte.

Ich bin selber hocherfreut über die Emotionen, die solchen Shows mit vielen Spendengeldern auslesen, auch ich mag schöne und toll beleuchtete Lkw. Doch mit Emotionen lässt sich nur bedingt etwas gegen die Erlasse eines Rechtstaates ausrichten. Augenmaß war bislang bei den meisten Kontrollen das Credo, ist es zum Teil immer noch. Aber, wie ich bereits schrieb, am Ende hilft nur ein sinnvoller Kompromiss, wenn es gelingt, mit den Leuten, die darüber zu entscheiden haben, sachlich und in Ruhe zu sprechen.

Die gute Nachricht ist daher schlicht eine Mail aus Frankfurt, wo auch der Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung, BGL, dessen Vorstandssprecher Dirk Engelhardt einen Tag bei der Rüssel Truck Show zu Gast war. Darin heißt es knapp: "Der BGL hat am 29.4.2019 zu einem Workshop zum Thema „Zusätzliche lichttechnische Einrichtungen am Nutzfahrzeug“ eingeladen. Gemeinsam mit Vertretern aus dem Bundesverkehrsministerium, Überwachungsorganisationen, Vertretern der Länder, Nutzfahrzeugbetreibern und Truck-Veredlern wurde sich über die aktuelle Situation um nachgerüstete Leuchten am Nutzfahrzeug offen ausgetauscht. Alle Beteiligten sind sich einig: „(Road) Safety first“! Im Einsatz befindliche Fahrzeuge müssen vorschriftsmäßig sein, damit die Verkehrssicherheit und Betriebssicherheit gewahrt wird und eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer – hier durch zusätzliche Beleuchtung - ausgeschlossen ist. Eindeutige und für alle Beteiligten klare Lösungen müssen entwickelt werden."

Ich kann insofern verraten, dass es um gute und konstruktive Lösungen geht, über die ich, sobald sie spruchreif sind, entsprechend berichten werde. Bis dahin bitte ich um Geduld. Besonders erfreut hat mich noch die nachträgliche Mail eines der Teilnehmer: „Durch Ihre aktuelle Berichterstattung zum Thema „Zusatzbeleuchtung“ ergibt sich für mich ein aktuelles Bild der gelebten Praxis, was meine von Vorschriften geprägte Blick- und Herangehensweise einerseits bestätigt, andererseits aber auch zum Nachdenken angeregt hat.“ Das ist schön zu lesen.

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