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Zugmaschine Elias mit 200 Kilometer Reichweite Ansorge Logistik baut eigenen E-Lkw

Foto: Matthias Rathmann 11 Bilder

Ansorge Logistik hat mit den Projektpartnern Sensor-Technik Wiedemann und Toni Maurer eine rein elektrische Zugmaschine gebaut.

Mission erfüllt: Vor zwei Jahren hatten die Verantwortlichen bei Ansorge Logistik angekündigt, bis zur diesjährigen IAA einen rein elektrisch angetriebenen Lkw auf die Straße zu bringen. Pünktlich zur großen Nutzfahrzeugmesse meldet das Unternehmen aus Biessenhofen nun Vollzug. Gemeinsam mit den ebenfalls im Allgäu beheimateten Partnern Sensor-Technik Wiedemann aus Kaufbeuren und Toni Maurer aus Türkheim hat Ansorge Logistik den für Einsätze im Kombinierten Verkehr und kurze Shuttle-Verkehre konzipierten Lkw zum Laufen gebracht.

Noch dreht das Fahrzeug zwar nur auf dem Firmengelände seine Runden, doch das soll sich bald ändern. „Im Januar wollen wir mit Shuttle-Verkehren in Biessenhofen anfangen“, kündigt der Geschäftsführende Gesellschafter von Ansorge Logistik, Wolfgang Thoma, im Gespräch mit trans aktuell an.

Läuft alles nach Plan, soll die Zugmaschine spätestens Mitte nächsten Jahres Auflieger von und zu den Kombi-Terminals Ulm und München bewegen. Dazu ist eine Reichweite von rund 200 Kilometern erforderlich, die das E-Fahrzeug den Berechnungen zufolge problemlos darstellen kann. Neben der Reichweite standen der volle Fahrerkomfort, der Zugriff auf die gängigen Assistenzsysteme und ein Gesamtgewicht von 44 Tonnen für Vor- und Nachläufe zur Schiene im Lastenheft.

Ehe es aber nun in den Speditionsalltag geht, erfolgt ein ausgiebiger Praxistest. Schritt für Schritt soll der Radius des auf Elias getauften Fahrzeugs im markanten Ansorge-Rot dann erweitert werden. Vorher gibt es den Sattelschlepper auf dem IAA-Stand des auf Umbauten und Sonderfahrzeuge spezialisierten Werkstattbetriebs Toni Maurer (Freigelände, R59) zu sehen.

Ehreiziger Fahrplan zum Aufbau des Elektro-Lkw

Dessen Geschäftsführer Karl Maurer gibt zu, dass der Fahrplan zum Aufbau des emissionsfreien Pilotfahrzeugs ziemlich ehrgeizig war. „Die eine oder andere Nacht habe ich deswegen nicht geschlafen“, berichtet er. Umso glücklicher ist er, den Lkw nun auf seinem Werkstattgelände in Aktion zu sehen. „Ich bin hellauf begeistert, wie ruhig und sauber das Fahrzeug läuft“, sagt er. Und auch Thoma spricht von einem „atemberaubenden Moment“ und zückt das Handy für Fotos, als der Elias an ihm vorbei fährt.

Dritter im Bunde ist Wolfgang Wiedemann, Inhaber des Unternehmens Sensor-Technik Wiedemann, das sich mit seiner Expertise in den Bereichen Steuerungstechnik und Elektrifizierung in das Projekt einbrachte. „Für uns war sofort klar, dass wir mitmachen würden“, erklärt Wiedemann. Mit den passenden E-Motoren beziehungsweise der nötigen Batterietechnik rüstet sein Team schon seit Jahr und Tag Fahrzeuge aus – seien es Busse, Pistenraupen oder geländegängige Geräteträger. Die Umrüstung eines Schwer-Lkw war aber auch für Wiedemann Neuland, umso mehr hat ihn diese Aufgabe gereizt. „Wir wollten zeigen, dass man einen Elektro-Lkw bauen kann. Hier sehen wir auch einen Markt“, sagt der Unternehmer mit Blick auf die anziehende Nachfrage von Transport- und Logistikdienstleistern nach Lkw mit alternativen Antrieben.

Foto: Matthias Rathmann
Ansorge-Chef Wolfgang Thoma will den Elias ab Januar für Shuttle-Verkehre einsetzen.

Im Fall des Elias steuerte Sensor-Technik Wiedemann zwei Elektro-Synchronmotoren mit jeweils 140 kW und zwei Batterietröge mit zusammen 200 kWh bei. Platz wäre auch noch für eine doppelt so hohe Batteriekapazität, sollte Ansorge Logistik die Reichweite erhöhen wollen, was dann aber mit einem deutlichen Mehrgewicht verbunden wäre. „Aktuell bringt es der Elias auf etwa 8.200 Kilogramm, das entspricht in etwa dem Gewicht einer vollgetankten konventionellen Zugmaschine“, erläutert Ansorge-Chef Thoma.

Den Vergleich mit einer herkömmlichen Zugmaschine stellen die Projektpartner häufiger an. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das innovative Fahrzeug in vielen Punkten nicht von einem analogen zu unterscheiden ist. Der Fahrzeugbauer MAN stellte den Partnern dafür sein Flaggschiff TGX mit größter Fahrerkabine zur Verfügung. „Darüber sind wir sehr dankbar, denn beim Komfort wollten wir keinerlei Abstriche machen“, sagt Thoma. Wer Fahrer finden und halten wolle, müsse sie hofieren und angenehme Arbeitsbedingungen bieten.

Getriebe bleibt dem Elektro-Lkw Elias erhalten

Dem trägt auch der Umstand Rechnung, dass das Getriebe an Bord blieb. „Dadurch kann der Fahrer mit dem normalen Anfahrdrehmoment starten, was zum Beispiel auch beim Start am Randstein oder am Hang von Vorteil ist“, berichtet Werkstattprofi Karl Maurer. Das Fahrzeug ist ferner mit den neuesten Assistenzsystemen ausgestattet – an der Sicherheit wollten die Partner ebenfalls nicht sparen.

Dass das Projektteam auf einen MAN aufbaute, half auch in anderer Hinsicht. „MAN ist der einzige Hersteller, der uns den vollständigen Zugriff auf seinen CAN-Bus gestattete“, sagt Wiedemann. Damit kann das Fuhrparkmanagement bei Ansorge Logistik über die Cloud die gleichen Fahrer- und Fahrzeugdaten wie von einem Diesel-MAN abrufen. Trotzdem räumt Wiedemann ein: „Die Integration unserer Software in das Fahrzeug war für uns im gesamten Projekt die härteste Nuss.“ Letztlich wurde aber auch sie erfolgreich geknackt.

Im zweijährigen Projektzeitraum haben die Allgäuer Unternehmen umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Sie kommen ihnen beim Bau von möglichen weiteren E-Fahrzeugen zugute. Denn bei einem Elias soll es bei Ansorge nicht bleiben. Das gilt erst recht, weil Firmenchef Wolfgang Thoma die Vision hat, die komplette Supply Chain emissionsfrei darzustellen. Im Hauptlauf auf der Schiene ist das mit dem Ökostrom der Bahn meist schon der Fall. Nun gelte es, auch die Nachläufe auf der Straße klimaneutral abzuwickeln. Genauso kann sich der Spediteur vorstellen, die Vorteile des E-Lkw mit denen des Lang-Lkw zu vereinen und macht sich hier erneut für 60 Tonnen in Verbindung mit Kombinierten Verkehren statt. Doch in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen Ansorge Logistik, Sensor-Technik Wiedemann und Toni Maurer künftig in die Fertigung von E-Lkw einsteigen werden, muss nun die weitere Nachfrage zeigen.

Ansorge-Chef Thoma: Logistik bleibt Kernkompetenz

Fest steht für Thoma nur: „Wir werden anders als DHL nicht unter die Fahrzeugproduzenten gehen, unsere Kernkompetenz bleibt die Logistik.“ Ansorge Logistik verstehe sich eher als Steigbügelhalter und nehme mit Freude zur Kenntnis, dass nun Bewegung in den E-Fahrzeugbau komme. Die etablierten Hersteller hätten ihn vor Jahren abblitzen lassen. „Es ist traurig, dass sie nicht aus ihrem Ingenieursgeist heraus tätig werden, sondern erst der Dieselskandal sie dahin treiben musste.“

Nun geht es für den Logistiker darum, mit dem Fahrzeug auch bei den Kunden zu punkten. Amortisieren wird sich der Stromer, dessen Entwicklung und Bau einen siebenstelligen Betrag verschlang, wohl niemals. Immerhin spart sich Ansorge damit ab Januar die Lkw-Maut und erwartet deutlich niedrigere Wartungs- und Betriebskosten. Ein Zuschuss zu den Investitionskosten durch das bayerische Wirtschaftsministerium half ebenfalls bei der Projektkalkulation.

Doch statt allein auf die Kosten zu schielen, müsse man die Potenziale betrachten, rät Thoma. Zum einen hätten sich einige Neukunden erst aufgrund der Innovationskraft an Ansorge gewandt. Zum anderen geht er davon aus, dass in Zeiten von Einfahrverboten aufgrund von Lärm und Stickoxiden künftig der Logistikdienstleister das Rennen macht, der die geforderten Fahrzeuge hat. Muss der Diesel draußen bleiben, kommt die große Stunde des E-Lkw. Der Elias jedenfalls fährt schon mal vor.

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