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Spediteur beunruhigt wegen Staus Planzer: Mobilität muss teurer werden

Foto: Planzer Transport

Transport und Mobilität sind zu billig, findet Nils Planzer, Chef von Planzer Transport. Im Interview mit der Fachzeitschrift trans aktuell wirbt der Schweizer Spediteur für Verkehrssteuerung und Road Pricing.

trans aktuell: Herr Planzer, die Schweiz spielt im Verkehrssektor häufig eine Vorzeigerolle. Projekte wie der Gotthard-Basistunnel werden innerhalb des Zeit- und Finanzplans realisiert. Viele Transporte laufen über die Schiene, und die Bevölkerung zieht offenbar mit. Gibt es noch etwas zu verbessern?

Planzer: Es gibt eine Reihe von Infrastrukturengpässen, und es muss noch viel getan werden, um den Warenfluss zu optimieren. Die Staus in den Ballungsgebieten sind so schlimm geworden, dass wir vor zwei Jahren einen Stauzuschlag eingeführt haben. Der wird zwar akzeptiert, aber eigentlich ist das ein Kollaps des Systems, vergleichbar mit einem Körper, bei dem der Blutkreislauf nicht mehr funktioniert. Das ist ungesund für die Wirtschaft, für die Umwelt, für alle.

Was ist zu tun?

Die falsche Antwort wäre, die Kapazitäten auf der Straße massiv zu erweitern. Ich bin ganz klar für ein Mobility-Pricing. Mobilität ist – auch global – viel zu günstig. Derjenige, der Kosten verursacht, muss das erfahren, und er muss sie auch bezahlen, auf der Schiene, der Straße und in der Luft. Mobilität muss definitiv auf allen Ebenen teurer werden.

Wo wollen Sie da ansetzen?

Das Hauptproblem ist der Individualverkehr. Wir haben in der Schweiz über viereinhalb Millionen Pkw. Denen stehen etwa 52.000 Lkw gegenüber, inklusive aller Feuerwehr-, Baustellen- oder Müllautos. Bei den Lastwagen hat man mit der Einführung der Nutzungsgebühr LSVA viel erreicht. Heute wird aufgrund des Kostendrucks mit weniger Fahrzeugen mehr transportiert. Dieser Kostendruck sollte auch privat entstehen.

Wie wollen Sie es dem Pkw-Nutzer schmackhaft machen, dass das eigene Auto teurer werden soll? Der Lkw ist groß und laut und stört – aber das eigene Auto, da wird es doch emotional …

Die meisten Menschen haben ja auch Kinder, deshalb sollten wir die Weichen so stellen, dass die Welt besser wird. Wir können doch nicht achtspurig durch die Schweiz fahren, selbst wenn wir das Geld dafür haben. Wir müssen Infrastrukturen sinnvoll weiterentwickeln. Um die Städte herum ist das wegen Platzmangels kaum noch möglich. Dort muss das Verkehrsaufkommen gesteuert werden, und das geht nur über den Preis. Wer zu Hauptverkehrszeiten derzeit noch viel zu billig unterwegs sind, sollte dafür künftig zahlen. Technologisch wäre das bereits morgen möglich.

Planzer fährt 60 Prozent seiner Transporte auf der Schiene.

Ja, wir betreiben ein flächendeckendes Bahn- und ein flächendeckendes Straßensystem und versuchen, diese Zahl stabil zu halten. Das Zusammenspiel der beiden Verkehrsträger soll weiter optimiert werden, wir machen momentan noch zu viele Kompromisse. Ich möchte die Güter in den nächsten zwei Jahren restriktiver zuteilen. Langfristig wird die Zahl der von uns benötigten Eisenbahnwagen weiter steigen.

Planen Sie noch weitere Akquisitionen?

Der Markt ist bereits ziemlich konsolidiert. Wir integrieren jedes Jahr ein bis zwei Firmen und sind nicht auf der Suche. Aber wenn jemand in unserem Bereich tätig ist und nicht selbst in die Zukunft gehen will, dann schauen wir uns das immer an.

Wie ist der neue Paketdienst angelaufen?

Eher harzig. Die selbst entwickelte IT hat uns vor unerwartete Herausforderungen gestellt. Das hat Zeit gekostet, aber jetzt sind wir unterwegs und entspannter. Im Zeitraum von drei Jahren rechnen wir mit einer gewissen Rentabilität.

Das Design des neuen Dienstes weist in die Vergangenheit.

Ja, das sind Schrift und Farbe aus den Zeiten meines Großvaters. Wir wollen langfristig mehrheitlich private Kunden bedienen, und das möchten wir auch optisch abheben, beim Fahrzeug, der Kleidung oder der Kommunikation. Der Privatkunde ist eine andere Herausforderung als ein Rampen-Rampen-Geschäft, auch für die Fahrer. Deshalb arbeiten wir hier auch nicht mit Subunternehmen, sondern ausschließlich mit eigenem Personal. Der Kunde soll unser Engagement spüren.

Das hört sich nach einem Premiumservice an.

Wir möchten der teuerste Anbieter sein und die besten Löhne zahlen. Den Kunden, der den günstigsten Anbieter sucht, den möchten wir nicht bedienen, denn sonst geht die Rechnung nicht auf. Die langen Distanzen der Pakete laufen alle über die Schiene, und ich bin überzeugt, dass viele Leute bereit sind, für eine nachhaltigere Lösung etwas mehr zu bezahlen.

Setzen sie auch Lastenräder ein?

Momentan sind zehn Velos unterwegs, und mittelfristig soll es in jeder größeren Stadt welche geben. Aber das gehört eigentlich zum Marketing, Geld verdienen lässt sich damit nicht. Der Mensch ist doch letztlich immer gleich teuer, ob er jetzt auf einem Fahrrad sitzt oder in einem Lieferwagen. Ein Paketfahrzeug sollte in der Stadt etwa 100 Stopps machen. Das ist mit dem Fahrrad schlicht unmöglich.

Eigentlich sind Räder also ­Unfug?

Nein. Marketing ist ja kein Unfug. Ich finde das schön und lässig. Es gibt auch andere positive Nebenaspekte, so kann ein Auszubildender, der noch keinen Führerschein hat, mit dem Rad fahren und den Umgang mit den Kunden lernen. Außerdem tut er etwas für seine Gesundheit und verbraucht keine Energie. Es gibt einige Vorteile, aber die haben nichts mit der Wirtschaftlichkeit zu tun.

Aus der Schweiz kommt auch die Idee für das Projekt Cargo Sous Terrain, mit dem Güter für die Innenstädte in eine unterirdische Röhre verlagert werden sollen.

Damit würden wir den völlig falschen Hebel umlegen, denn das Problem sind die Massen an Pkw. Auf den Achsen, von denen im Zusammenhang mit dem Projekt derzeit gesprochen wird, sind relativ geringe Mengen an Lkw unterwegs. Mit der Initiative wollen die großen Einzelhändler bei ihren Kunden punkten, das ist eine reine Marketingkampagne. Es würde dadurch keine merklichen Verlagerungen geben. Ich kenne keinen gescheiten Logistiker, der da wirklich investiert hat, außer der Post und der SBB, aber die gehören ja dem Staat und müssen das machen, damit sie nett dastehen.

Sie sehen das auch nicht als Bestandteil einer effektiven City­logistik?

Wo ist der Unterschied, ob die Ware von unten hoch oder quer reinkommt? Es gibt vermutlich 100.000 gute, lustige, schöne oder romantische Ansätze, aber ehrlich: Ich kenne kein einziges City­logistikprojekt auf der ganzen Welt, das funktioniert. Ich möchte doch nicht meine Interna mit meinen Mitbewerbern teilen. Und das Transportproblem könnte man auch heute schon lösen. Nachts ist auf der bestehenden Schieneninfrastruktur nämlich nichts los.

Wie sieht es aus mit einer immer wieder in den Medien diskutierten Beteiligung von Planzer an SBB Cargo?

Unser Ziel ist es, dass diese Bahn in Schweizer Händen bleibt, noch besser funktioniert und sich selbst finanziert. Wir sind da offen, falls wir einen Beitrag leisten können, der Staat bleibt ja mit 51 Prozent Hauptaktionär. Niemand will, dass sich so etwas wie bei der Swissair wiederholt, das schmerzt immer noch. Die SBB ist ein Teil des Erfolgs der Schweizer Verkehrslogistik, dem sollten wir Sorge tragen.

Wie fühlt sich das an, der größte private Logistiker der Schweiz zu sein?

Wie überall gibt es auch da Vor- und Nachteile, und es fühlt sich nicht besser oder schlechter an als vor zehn Jahren. Es ist ja wichtig, eine gewisse Masse zu haben, denn wenn ich mit jedem einzelnen Packgut umherfahren muss, bin ich nicht wettbewerbsfähig. Umgekehrt steigen auch die Komplexität und die Herausforderung, die einfachen Dinge immer noch einfach zu machen. Der Anspruch, ein guter Arbeitgeber und ein guter Dienstleister zu sein, wird nicht kleiner mit der Größe. Im Gegenteil.

Zur Person

Nils Planzer ist Hauptaktio­när, Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer von Planzer Transport. Der 47-Jährige hat das Unternehmen von seinem Vater Bruno Planzer 2003 schrittweise übernommen.

Das Unternehmen

Zahlen: Planzer Transport aus Dietikon ist nach der staatlichen Post das größte private Logistikunternehmen der Schweiz und kommt auf einen Umsatz von umgerechnet mehr als 700 Millionen Euro. Planzer beschäftigt 5.200 Mitarbeiter an 77 Standorten und managt einen Fuhrpark von rund 1.900 Fahrzeugen, darunter 450 von Subunternehmern im Exklusiveinsatz. Die Lagerfläche beträgt mehr als eine Million Quadratmeter.

Sparten: Die Hälfte des Umsatzes wird mit nationalen Transporten erwirtschaftet, 15 Prozent sind international, das Lager trägt ein Viertel bei, und 10 Prozent entfallen auf Spezialtransporte. Die Marken von übernommenen Firmen wie der Maier Spedition aus Singen oder zuletzt des Basler Unternehmens Leimgruber bleiben auch im Sinne der Kundenbindung bestehen. Nach Investitionen von rund 70 Millionen Euro verfügt Planzer seit etwa einem Jahr über sein 13. Bahncenter im Kanton Waadt, wo gleichzeitig 18 Eisenbahnwagen be- oder entladen werden können.

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