Sonn- und Feiertagsfahrverbote Föderales Wirrwarr

Foto: Jan Bergrath

Schon Ende Mai enden die Ausnahmen von den Sonn- und Feiertagsverboten vollkommen unterschiedlich. Der Bundesrat muss nun zudem über einen Antrag Schleswig-Holsteins entscheiden, ob das generelle Fahrverbot für Lkw an nicht bundeseinheitlichen Feiertagen grundsätzlich aufgehoben wird. Wir fragen dazu die Fahrer.

Die anhaltende Coronakrise hat alles komplett durcheinander gebracht. Um vor allem die Versorgung der anfänglich extrem hamsterkaufenden Bevölkerung in Deutschland aufrechtzuerhalten und die internationalen Lieferketten nicht zu sprengen, hat die Politik zu höchst eigenwilligen Maßnahmen gegriffen. So haben die einzelnen Nationalstaaten unterschiedliche Regelungen zu den Lenk- und Ruhezeiten erlassen, die später von der Europäischen Kommission abgesegnet wurden. In Deutschland endet diese auch bei vielen Lkw-Fahrern selbst hoch umstrittene Lockerung nach Angaben des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) nun definitiv am 31. Mai.

Bundesweit unterschiedliche Ausnahmen

Ab Mitte März bis Anfang April wurde in Deutschland zudem das Sonn-und Feiertagsfahrverbot für Lkw jeweils in den einzelnen 16 Bundesländern ausgesetzt. Diese Ausnahme - eigentlich auch nur für ganz bestimmte genau festgelegte Güter zur Versorgung - gilt in Deutschland laut einer konkreten Liste des BAG unterschiedlich weiter. In Nordrhein-Westfalen und Sachsen endet sie demzufolge bereits am 31. Mai, in Bayern am 1. Juni, in Baden-Württemberg am 30. Juni, in Brandenburg erst am 30. September. Das ganze föderale Wirrwarr geht nun über die Ferienzeit. Erste Bundesländer wie Baden-Württemberg und auch Nordrhein-Westfalen haben nun angekündigt, das Ferienfahrverbot für Lkw über 7,5 Tonnen weiter auszusetzen. Andere Bundesländer werden folgen. Damit ist der bundesweite Flickenteppich der föderalen Lockerung wieder einmal vollkommen uneinheitlich geknüpft – wie jener der Lockerungen der Maßnahmen wie Kontaktsperren und Maskenpflicht in der Coronakrise selbst.

Vorstoß von Schleswig-Holstein

In diesem Chaos ist in weiten Teilen der Transportbranche untergegangen, dass das Bundesland Schleswig-Holstein bereits am 7. Mai einen Antrag zur Änderung der Straßenverkehrsordnung beim Deutschen Bundesrat gestellt hat, das Fahrverbot für Lkw über 7,5 Tonnen an den nicht-bundeseinheitlichen drei Feiertagen Fronleichnam (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland), dem Reformationstag (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) und Allerheiligen (Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland) aufzuheben.

Die Begründung aus dem Antrag: „Aus dieser uneinheitlichen Geltung des Feiertagsfahrverbots erwachsen gewichtige Nachteile für die Logistikbranche und das Fahrpersonal. So führt die aktuelle Rechtslage dazu, dass Lkw zwar in den nicht vom jeweiligen Feiertag umfassten Ländern verkehren dürfen, Ziele in übrigen Ländern jedoch nicht angefahren werden können. Hierdurch erforderlich werdende Fahrtunterbrechungen sind nicht immer durch planerische Maßnahmen der Transportunternehmen zu vermeiden und führen zu Mehraufwand, Zeitverzug und vermeidbaren Kosten in der Logistikbranche. Zudem ist die bestehende Regelung mit Einschränkungen für das Fahrpersonal verbunden, da dieses vor dem Übertritt in ein Land mit bestehendem Fahrverbot dazu gezwungen ist, den Ablauf des Feiertages an Raststätten, auf Autohöfen oder in anderen Übernachtungseinrichtungen zu verbringen oder es muss abgeholt und zum Ende des Feiertags wieder zum Fahrzeug gebracht werden.“

Verdi spricht sich dagegen aus

Erst am 25. Mai hat der Bundesrat auf seiner Homepage bekannt gegeben, „dass der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik dem Bundesrat empfiehlt, für den Erlass einer Rechtsverordnung gemäß Artikel 80 Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesregierung nicht zuzuleiten. Im federführenden Verkehrsausschuss ist eine Empfehlung an den Bundesrat nicht zustande gekommen.“ Zwar ist die finale Abstimmung im Bundesrat erst für den 5. Juni vorgesehen, doch Insider gehen davon aus, dass es im Plenum keine überwältigende Mehrheit für den Vorschlag geben wird und Schleswig-Holstein den Vorschlag eher zurückziehen wird, als eine Niederlage zu kassieren.

Damit hätte sich vor allem auch die ablehnende Haltung des Fachbereichs Postdienste, Speditionen und Logistik der Gewerkschaft Verdi durchgesetzt, die schon vor der offiziellen Bekanntmachung in ihrem Mitgliedermagazin getitelt hatte: „Verdi wirkt! Fahrverbote an regionalen Feiertagen bleiben.“ Die Begründung: „Statt immer mehr Lockerungen bei den sorgsam gesetzten Grenzen und Verboten zu fordern, sollten stattdessen Touren lieber so geplant werden, dass Arbeits- und Gesundheitsschutz und die Sonn- und Feiertagsruhe gewahrt werden. Sind doch unsere Lkw-Fahrer schließlich Helden des Alltags und systemrelevant!“

Zweifel beim Arbeitgeberverband in Baden-Württemberg

„Ministerien und Unternehmer argumentieren hier oft aus Sicht der Fahrer“, schreibt mir dagegen Andrea Marongiu, der Geschäftsführer des Verbandes Spedition und Logistik Baden-Württemberg e.V. So befürchten die einen, dass es für Fahrer von Nachteil wäre, nun auch an Feiertagen fahren zu müssen, und andere behaupten, es wäre für die Fahrer von Vorteil, da Sie eine Tour eher zu Hause beenden könnten anstatt auf einem Parkplatz. „Unternehmer berichten uns allerdings auch, dass Fahrer etwa am Sonntag die neue Regelung nutzend sich lieber bereits um 18 Uhr auf die Strecke machten als um 22 Uhr.“

Wurden die Fahrer tatsächlich gefragt?

Und so wirft Marongiu die Frage auf, ob die Fahrer tatsächlich zu dem Thema gefragt wurden? Ich persönlich habe eher den Eindruck, dass Verdi in Berlin vor allem an den alten Strukturen festhalten will und eher für die Fahrer spricht als mit ihnen. Denn in der Tat gibt es schon lange Stimmen von Lkw-Fahrern, die am Sonntag lieber früher losfahren würden, als die kommende Woche bereits mit einem massiven Schlafmangel zu beginnen. Aus Großbritannien, wo es gar kein Sonntagsfahrverbot gibt, ist bekannt, dass die nationale Logistik mit flexiblen Arbeitszeitmodellen für die Fahrer einen Lkw, der sieben Tage die Woche im Einsatz ist, schlichtweg besser einsetzen kann.

An den Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer ändert sich ja nichts. Auch in Deutschland arbeiten Frachtführer im Bereich der Kühllogistk, die praktisch eine ständige Ausnahmegenehmigung hat, an Konzepten, bei den sich zwei Fahren einen Lkw teilen und zum Beispiel jeweils vier Tage fahren – und vier Tage am Stück frei haben. Allerdings ist zu befürchten, dass solche guten Konzepte auch daran scheitern werden, dass viele Fahrer „ihren“ Lkw gar nicht mit einem Kollegen teilen wollen und stattdessen lieber die ganze Woche unterwegs sind, dann in den sozialen Medien aber klagen, es sei nie Zeit für Arztbesuche oder Behördengänge, solange der Disponent das nicht will.

Entspannung der Parksituation im Transitland Deutschland

Ich bin auch überzeugt, dass sich die Parksituation für die Fahrer der osteuropäischen Frachtführer entspannen könnte, die gerade an den Wochenenden zu den bekannten Problemen wie der Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw bis zum Alkoholismus führt, wenn die Lkw Deutschland im Transit jederzeit passieren könnten. Das zeigt sich bereits an den Samstagen, wenn die Autobahnen überwiegend von Lkw aus Osteuropa frequentiert sind – während die meisten deutschen Fahrer das Wochenende daheim verbringen. Fahrer befürchten dagegen, dass genau das die aktuelle Wettbewerbssituation zu Lasten der deutschen Unternehmen noch weiter verschlechtern könnte.

Foto: Jan Bergrath

Wir fragen die Fahrer

Terminhinweis: FERNFAHRER hat sich daher jetzt entschlossen, auf dem einfachen Weg über die Kommentarspalte bei Facebook die Fahrer zu fragen, ob sie selbst für oder gegen eine Aufweichung der Sonn- und Feiertagsfahrverbote sind. Die rechtzeitigen Antworten (gerne auch von Unternehmern) fließen in die Sendung von FERNFAHRER live am Donnerstag, dem 28. Mai, ein, in der wir ab 17 Uhr unter anderem mit Andrea Marongiu, dem Geschäftsführer des Verbandes Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg e.V., über dieses hoch aktuelle Thema diskutieren werden. Damit es später nicht heißt – die Fahrer wurden ja nie gefragt.

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