Vom 7. bis 10. März 2019 fand auf dem Stuttgarter Messegelände wieder die berühmte Retro Classics statt. Historische Lkw waren zwar nur in überschaubarer Zahl ausgestellt, ein Besuch in Halle 8 lohnte sich dennoch.
Platzhirsch Daimler, ohne den die einst nur den Lkw-Oldtimern vorbehaltene Messehalle 8 wohl schon bald den Pkw gehören würde, hatte sich für einen Streifzug durch 100 Jahre Nutzfahrzeuggeschichte entschieden. Dieser Streifzug begann mit dem Benz 1 CN, sicher dem ältesten Nutzfahrzeug-Exponat auf der diesjährigen Retro Classics. Die wahlweise vollgummi- oder luftbereifte Nachkriegsentwicklung stammte aus dem Benz-Werk Gaggenau und ging auf den Typ 1 C zurück. „1“ stand für die Nutzlast von 1,0 bis 1,5 Tonnen, „C“ für Kardanantrieb (statt Kette). Der 1 C mit 35 PS starkem 4,7-Liter-Motor wurde ab 1919 gebaut, 1921 zum Typ 1 CN weiterentwickelt und bis zur Fusion mit Daimler im Jahre 1926 gefertigt. Der Kraftfahrer im 1 CN war noch weitgehend Wind und Wetter ausgesetzt und machte seiner Berufsbezeichnung alle Ehre. Ohne jegliche Servo-Unterstützung mussten das Lenkrad, die Kupplung und die Bremsen bedient werden. Luftbereift erreichte der Langhauber eine Höchstgeschwindigkeit von 42 km/h, vollgummibereift nur 35 km/h.
Von den Roaring Twenties in die Wirtschaftswunderzeit der Bundesrepublik: Ab 1949 wurde der mittelschwere L 3250 produziert, er verwandelte sich durch Nutzlasterhöhung erst in den L 3500 und 1955 mit der Umstellung der Typenbezeichnung in den L 311. Letzteren repräsentierte ein Scheunenfund mit reichlich Patina aus den Niederlanden, mit der noch gut sichtbaren Aufschrift "Esso Nederland NV". Im Werk Mannheim wurden laut Daimler fast 146.000 Einheiten dieses robusten und vielseitigen Lastwagens produziert.
Scheunenfund aus den Niederlanden
Auch bei der nachfolgenden Fahrzeuggeneration blieben Hersteller und Kunden der Haube treu, wenn auch der kurzen statt der langen. Bekanntheit erlangte das Pullman-Fahrerhaus lediglich vorübergehend durch den LP 333 als Antwort auf die von 1958 bis 1960 gültigen „Seebohmschen Gesetze“. So fehlte der „Tausendfüßler“ auch diesmal nicht auf der Retro Classics, stand aber in Blauweiß von Mauxion Schokolade statt, wie im Vorjahr, im Grünrot von Getränke Fleischmann, am Daimler-Stand. Erneut machte er neben seinen jüngeren Verwandten, unter anderem einem MK 1831 aus den 90er-Jahren und einem nagelneuen New Actros Edition 1, eine tadellose Figur.
Bundeswehr erstmals mit KAT I auf der Retro Classics
Auch auf das Auwärter-Museum und die THW-historische Sammlung (THWhS) war als Aussteller wieder Verlass. Letztere hatte sich diesmal für einen Hanomag A-L 28 mit MKW-Kofferaufbau und vollständiger Originalausrüstung gemäß Beladeplan entschieden. Erstmals mit großem Stand vor Ort (in Halle 10) war die Bundeswehr, die neben einem sichtlich altgedienten MAN mil gl KAT I des Kraftahrausbildungszentrums Dornstadt einen DKW Munga und einen VW Kübelwagen aus ihrer Wehrtechnischen Studiensammlung in Koblenz präsentierte. Zudem lockten Glücksrad, Tischkicker und "Karriereberatung".
Keine Frage - hier ging es nicht nur um automobile Schätze, sondern auch um die Nachwuchsgewinnung. Dafür sprachen nicht zuletzt die laut Messegesellschaft insgesamt 90.000 Besucher der Retro Classics 2019. So endete auch die Daimler-Zeitreise ganz bewusst beim auffälligen Actros mit Mirror-Cam-Technologie, der den neuesten Stand der Technik abbilden und gleichzeitig Lust auf den Fahrer- oder Mechanikerberuf machen sollte.
