Neue Regeln für Lkw Größere Fahrerhäuser ab 2020

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Die nächste IAA wird spannend, denn schon ab 1. September 2020 werden nun plötzlich neue Maße für Lkw zulassungsfähig sein. Die bevorstehenden Änderungen.

Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln: Es war im Jahr 2014, als die EU die damals heiß diskutierten künftigen Längenbestimmungen für den Lkw auf die lange Bank schob. Acht Jahre sollte das Reformwerk plötzlich Zeit haben, um zu reifen. Zwar hatte sich das Europaparlament dafür ausgesprochen, schnellstmöglich Nägel mit Köpfen zu machen. Der Ministerrat spielte aber nicht mit, sondern setzte das Jahr 2022 als den Zeitpunkt der Wahl für Kabinen neuer Machart an.

Renault und Scania hatten guten Riecher

Schweden und Frankreich gerieten daraufhin bald unter Verdacht, sich unrühmlich hinter den Kulissen als Bremser betätigt zu haben. Volvo und Renault hatten ja gerade erst 2013 neue Reihen gebracht. Und bei Scania war die neue Fahrzeuggeneration zum Greifen nahe. Der vielerorts erhobene Vorwurf lautete: Es bestehe wohl einfach wenig Lust, die neuen Fahrzeuge gleich wieder umzumodeln. Merkwürdig ist daran allerdings, dass es sich aus heutiger Sicht bei Renault und Scania genau um diejenigen Hersteller handelt, die im Hinblick auf die neuen Längenmaße wahrscheinlich am besten vorbereitet sind. Vielleicht waren sie sich seinerzeit ihrer Sache einfach nicht so sicher? Möglicherweise spielten auch ganz andere Gründe eine Rolle. Fest steht, dass bei der jetzt beschlossenen Vorverlegung des Termins jedenfalls gar kein Protest mehr laut geworden ist – obwohl die Lkw nun mal so sind, wie sie damals auch schon waren. Fest steht auch, dass gerade Renault und Scania bei der Konzeption ihrer neuen Reihen wohl einen guten Riecher hatten für das, was sich dieser Tage als neuer Rahmen für die künftig statthaften Längen am Lastwagen herauskristallisiert. Doch davon später mehr.

Nicht ohne kuriose Note ist jetzt aber, dass ein erstes Vorpreschen in diese neue Richtung weder bei Renault noch Scania stattgefunden hat. Es war vielmehr der Hersteller Volvo mit einem neuen FH-Fahrerhaus namens Globetrotter XXL, der sich damit als Erster ein wenig aus der Deckung wagte. Wobei das Kürzel XXL für einen gewissen Zuwachs in der Länge steht: Exakt um 25 Zentimeter ist beim FH in XXL die Rückwand weiter von der Frontscheibe entfernt als bei der bekannten Kabine des FH. Davon profitiert das Bett nicht zu knapp, denn um 25 zusätzliche Zentimeter wächst es in die Breite. Geboten ist dann maximal ein guter Meter von Kante zu Kante – mit minimalen Einzügen hinter Fahrer- und Beifahrersitz. Auch in der Länge legt Volvo beim Bett des XXL eine Schippe drauf. Immerhin 13 Zentimeter gibt’s zusätzlich. Unterm Bett schlägt der FH in XXL zudem noch etwas Profit aus dieser Verlängerung und kann mit jeweils 50 Litern mehr Stauraumvolumen pro Außenstaufach dienen. Einziger Nachteil bei der Sache derzeit noch: Mit diesen zusätzlichen 25 Zentimetern Fahrerhauslänge passt in legalem Rahmen beim besten Willen kein Standardsattel mehr über den Königszapfen, ohne dass die zulässige Gesamtlänge für einen Sattelzug überschritten würde.

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Flaps am Heck werden künftig erlaubt, aber wohl kaum vorgeschrieben sein.

Flaps werden erlaubt sein

Auf dem australischen Markt, für den das Konzept neben Europa auch gedacht ist, kümmern solche Überlegungen rein gar nicht. Hierzulande allerdings besteht fürs Erste das genannte Handicap, das allerdings für eine ganze Reihe von Kombinationen jetzt schon keine Rolle mehr spielt. Denn ob Sattelzüge für Tank, Silo oder mit Kippmulde: Für sie ist solche traumhafte Räumlichkeit jetzt ebenso in greifbare Nähe gerückt wie für alle jene Gliederzüge, bei denen es eben nicht auf den letzten Zentimeter an verfügbarer Ladelänge ankommt. Doch nun gibt ja Brüssel seinem Herz einen Stoß und will die neuen Fahrerhaus- und Lastzuglängen doch bereits zum kommenden September möglich machen. Wie die neuen Vorschriften dann im letzten Detail aussehen werden, steht zwar noch nicht fest. Doch ist schon durchgesickert, wohin die Reise ungefähr geht. Ganz hinten am Zug werden die aerodynamisch günstigen Flügelchen – sogenannte Flaps – auf jeden Fall erlaubt. Es gibt sogar einzelne Stimmen, die davon reden, sie vielleicht doch am besten gleich vorzuschreiben. Sicher ist: Leichter werden diese sperrigen und tendenziell anfälligen Dinger einem in der Praxis das Leben nicht machen. Aber genauso steht fest, dass sie schon so fünf bis zehn Prozent Sprit sparen können. Nebenbei: Von spannenlangen Hanseln bis zwei Meter Länge war da anfangs in Brüssel die Rede. Kurz darauf wurde nur noch ein halber Meter gehandelt. Heute redet man von 40 Zentimetern.

Ebenfalls ganz im Zeichen des Spritsparens mithilfe einer besseren Aerodynamik, aber zugleich auch im Zeichen der Sicherheit (mehr Crashzone und verbesserte Sicht) steht, was Brüssel für das Fahrerhaus als Zugabe ins Auge fasst. Das ebnet zwar einer Art Kurzhauber den Weg, doch wird es damit bestimmt nicht zu amerikanischen Verhältnissen kommen. Denn das alles ist zudem mit ganz spezifischen Vorgaben verknüpft, die auf eine Verbesserung der Nahsicht nach vorn und zur Seite zielen. So soll sich das Profil des Lkw zum Beispiel etwa ab einem Meter über Unterkante Fahrerhaus um mindestens drei Grad zurücklehnen. Das heißt: Mit senkrecht stehenden Frontscheiben ist wohl Schluss. Es schweben den Brüsselern obendrein bestimmte Seitenradien an der Fahrerhausfront vor, die sich in einem Winkel von 20 Grad nach vorn zu verjüngen hat. Das könnte schnell den Todesstoß für das Konzept der streng kubischen Kabine bedeuten. Denn von einem wollen die Erneuerer der Maße ganz bestimmt nicht lassen: Nach wie vor soll der Lastzug durchs Nadelöhr des sogenannten BO-Kraftkreises passen. Und das bedeutet: Bei Kreisfahrt darf der Außenradius des Zugs 12,5 Meter nicht überschreiten, während er innen einen Radius von 5,3 Metern unversehrt zu lassen hat. Auch soll für den Standardauflieger weiterhin gelten, dass der Königszapfen 1,6 Meter hinter der Aufliegerfront sitzt und somit 12 Meter bis zum Heck verbleiben.

Innenlänge des Fahrerhauses könnte leiden

Was ist dann, wenn die Kabine an Länge plötzlich zugelegt hat? Dann bleibt eh keine andere Wahl, als in der Breite am Bug zu schrumpfen. Womit sich die von Brüssel gewünschten größeren Radien an den Ecken vorn im Übrigen schon fast von selbst ergeben. Womit auch klar wird, dass längst nicht alles, was ab 2020 an zusätzlicher Länge zugestanden ist, der Innenlänge des Fahrerhauses zugutekommen wird. Ungefähr 25 Zentimeter mehr an Innenlänge – wie eben beim Volvo FH XXL – dürften insgesamt aber vielleicht schon als zusätzlicher Spielraum fürs Interieur herausspringen. Wie weit sich die Front weiter nach vorn recken wird, hängt ganz vom jeweiligen Geschick ab, die Gesamtheit der Vorgaben unter einen Hut zu bringen. Es könnten noch einmal 25 Zentimeter drin sein. Da kommt also einiges auf die Häuslebauer bei den Lkw-Herstellern zu, wenn sie diese knifflige Aufgabe optimal lösen wollen.

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Am besten darauf vorbereitet scheinen tatsächlich Renault und Scania. Die Zahlen sprechen für sich: Mit einer Außenbreite am Bug von nur ungefähr 2,3 Metern hatte Renault anno 2013 bei der T-Reihe den Anfang gemacht – und Scania folgte drei Jahre später mit ähnlich schlankem Zuschnitt vorn bei den Fahrerhäusern von S bis L auf dem Fuße. Beide Hersteller verschenkten damit sehr wohl einigen umbauten Raum innen drin. Und lösten damit auch eine gewisse Verwunderung aus. Bei Scania kam der Umstand hinzu, dass der vordere Überhang plötzlich von 1.455 auf nur noch 1.410 Millimeter geschrumpft war. Doch all das könnte bewirken: Wenn’s denn bald bei der Kabinenlänge – aber nicht dem BO-Kraftkreis – etwas mehr sein darf, könnten genau diese Fahrerhäuser gerade wegen ihres vorn so eigenartig schlanken Zuschnitts morgen schon schlagartig als die großen Musterknaben dastehen.

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