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„Mittelstand ins Schienbein getreten" CO₂-Maut: BGL wütend auf die Ampel

Foto: Kautetzky Spedition

Ideologisch, respektlos, bürgerfeindlich – der Branchenverband BGL geht mit der Bundesregierung wegen der CO₂-Maut hart ins Gericht.

Ärger über die Ampel: „Die Verkehrspolitik der Ampelregierung ist die absolute Katastrophe“, erklärte Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), bei einer Videoschalte am Donnerstag vor Journalisten. Die Wut entzündet sich an dem am Mittwoch vom Verkehrsausschuss des Bundestags ohne Änderungen verabschiedeten Mautgesetz. Es beschert der Wirtschaft eine jährliche Zusatzbelastung von 7,6 Milliarden Euro. Von Dezember an steigt aufgrund der neuen CO₂-Komponente die Maut für einen Euro-6-Lkw im Fernverkehr von 19 auf 34,8 Cent – eine Verteuerung um 83 Prozent. Bis zuletzt hatte der BGL auch mit seiner großflächigen Kampagne #mauteverest versucht, Anpassungen an dem Vorhaben zu erreichen – letztlich ohne Erfolg.

„Diese Mauterhöhung ist ein erschreckendes Zeichen von Ideologie und geringem Respekt vor den gesamtgesellschaftlich Betroffenen, den Betrieben und den privaten Haushalten“, erklärte der BGL bereits am Mittwoch in einer ersten Reaktion. „Die Art und Weise, wie dieses Gesetz ohne jeden wirtschaftlichen Sachverstand und ohne Rücksicht auf sachlich begründete Änderungsvorschläge aus dem maßgeblich betroffenen deutschen Mittelstand durch das Parlament gepeitscht wurde, ist blamabel.“ Am Ende müssten die Transportbetriebe und Haushalte „die Zeche für diesen wirtschafts- und bürgerfeindlichen Blindflug bezahlen“.

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Groß ist der Ärger vor allem darüber, dass die Bundesregierung im Gegenzug nicht weitere Mittel für den Umstieg auf Lkw mit alternativen Antrieben mobilisiert. Vorstandssprecher Engelhardt nannte es eine „bodenlose Frechheit“, dass sich Politiker vor die Kamera stellten und von einer Lenkungswirkung der Maut sprächen, diese aber nicht eintreten könne, weil nahezu kein Geld für den Umstieg bewilligt werde.

Nach BGL-Zahlen sind für 2024 insgesamt 624 Millionen Euro an Fördermitteln für klimaschonende Lkw vorgesehen, für den gesamten Zeitraum von 2025 bis 2028 seien es gar nur 86 Millionen Euro. Das BMDV wollte entsprechende Zahlen gegenüber der Fachzeitschrift trans aktuell bisher nicht bestätigen, weil die Haushaltsberatungen noch nicht abgeschlossen sind. Der BGL hat jedoch wenig Hoffnung, dass noch eine Aufstockung der Mittel erfolgt. „Es wird sich maximal noch in homöopathischen Dosen erhöhen, das haben uns die Haushälter klar gesagt“, betonte Engelhardt.

BGL: Ampel tritt Mittelstand ins Schienbein

Hinzu kommt laut BGL, dass die für 2024 vorgesehenen Mittel bereits überwiegend für die im Jahr 2023 bewilligten Förderanträge gebunden sind. Der Branchenverband rechnet damit auch für 2023 nicht mit einem weiteren Förderaufruf – was zu Frust bei den Unternehmen führe. „Die komplette Ampelregierung hat das mittelständische Gewerbe vors Schienbein getreten – weder ist eine nennenswerte Aufstockung der De-minimis-Mittel zu erwarten, noch beim KsNI-Programm“, sagte Engelhardt.

Auch in der Fahrzeugindustrie lösen die nahezu leeren Töpfe des KsNI-Programms Irritationen aus. „Die Bundesregierung hat uns die Chance genommen, zu dekarbonisieren“, erklärte MAN-Forschungs- und Entwicklungsvorstand Dr. Frederik Zohm, der ebenfalls an der BGL-Videoschalte mitwirkte. Die Maut könne so keinen Lenkungseffekt entfalten, damit gebe es auch keinen Spurwechsel, es bleibe beim Weiter-so. „Das ist klimapolitisch sehr bedenklich, wenn man nicht von einer Geisterfahrt reden will.“

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MAN wird ab nächstem Jahr in die Produktion seines schweren eTrucks einsteigen. Für 2024 plant das Unternehmen mit rund 200 Fahrzeugen, für 2025 dann mit 1.400 und für 2026 mit 2.600 Einheiten, wie Zohm auf Nachfrage von trans aktuell erläutert. Dabei sei aber auch klar, dass das Produktionsvolumen mit der Nachfrage und diese wiederum nicht zuletzt von der Förderkulisse abhängt. Nächste Woche wird MAN die neuen Elektro-Baureihen eTGX und eTGS in München der Presse vorstellen. Der Verkaufsstart soll am 30. Oktober beginnen.

Am ehemaligen MAN-Standort im österreichischen Steyr produziert das Start-up Volta batterieelektrische Verteiler-Lkw der Baureihe Zero. Auf trans aktuell-Nachfrage, ob MAN an einem Einstieg bei dem insolventen Fahrzeugbauer interessiert wäre, äußerte sich Vorstandsmitglied Zohm eher zurückhaltend bis ablehnend. „Bei MAN haben wir die technischen Lösungen im Angebot, um dieses Segment selbst abzudecken.“

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