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Fahrverbote am Brenner Tirol verschärft Lkw-Regelung

Richtung Brenner in Tirol Foto: Matthias Rathmann

Tirol verschärft das Lkw-Fahrverbot. Nun bereiten Länder Klage gegen Österreich vor.

Zum 1. Januar 2020 verschärft das österreichische Bundesland Tirol zum Schutz von Bevölkerung und Umwelt die Lkw-Fahrverbote über den Brenner. Auch die Verkehrssicherheit und intakte Infrastrukturen sollen mit der Maßnahme unterstützt werden. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) befürchtet eine „Wirtschaftsblockade un­geahnten Ausmaßes“ und hat die EU-Kommission aufgerufen, unverzüglich ein Vertragsverlet­zungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzuleiten, damit der freie Warenverkehr gewahrt bleibe.

Hilferuf des BGL

Bislang hatte sich die Brüsseler Behörde angesichts der härteren Gangart Tirols beim sektoralen Fahrverbot als Vermittlerin gezeigt. In dem seit Jahren immer wieder hochkochenden Transitstreit sieht sie sich jetzt mit einem Hilferuf des BGL konfrontiert. Es drohten „Versorgungsengpässe für die Bevölkerung und die Wirtschaft nördlich wie südlich der Alpen“, heißt es in einem Brief der Verbandsspitze an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Viele kleine und mittelständische Transportunternehmen, die sich auf Italienverkehre spezialisiert hätten, fürchteten um ihr Fortbestehen.

In der Tat haben die Tiroler bei ihrem Kampf gegen die Lawine von jährlich rund 2,5 Millionen Transit-Lkw in der sensiblen Alpenregion den Druck auf die Branche erneut erhöht. Die bisherigen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität reichten nicht aus, um die von der EU festgesetzten Grenzwerte einzuhalten, betont das Land. Und so sollen weitere unverderbliche Güter wie Papier, Mineralölerzeugnisse, Kohle oder Getreide auf die Schiene verlagert werden, denn Rohstoffe und Primärgüter werden als „bahnaffin“ gesehen.

Auch Euro-6-Lkw betroffen

Damit aber nicht genug. Da derzeit bereits weit über 80 Prozent der Transit-Lkw der Euro-6-Norm entsprechen, werden auch hier die Schrauben weiter angezogen. Den Brenner sollen nur noch neueste Lkw der Klassen Euro 6c und 6d mit Erstzulassung nach dem 31. August 2018 passieren. Das trifft laut BGL nur auf 16,6 Prozent der deutschen Lkw zu, alle anderen wären raus aus dem Geschäft – es sei denn, die Unternehmen wechselten auf die Rollende Landstraße (RoLa) oder zum unbegleiteten Kombinierten Verkehr (UKV). Ein Lkw-Verkehr ohne lokale CO2-Emissionen ist derzeit noch keine Option.

„Die deutschen Transportunternehmen sind grundsätzlich bereit, einen Teil ihrer Verkehre zu verlagern“, betont der BGL. Er erwartet aber riesige Engpässe auf der Schiene. Zwar hat Tirol eine Erhöhung der RoLa-Kapazität von 200.000 auf 450.000 Einheiten bis 2021 angekündigt. Bezweifelt wird jedoch, dass es genügend Trassen und Spezialwaggons geben wird. Auch der UKV sei bereits an der Kapazitätsgrenze. Während die Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe sich zuversichtlich zeigt (siehe Interview unten), geht auch das bayerische Verkehrsministerium davon aus, dass die derzeit zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht genügen, um alle ab Jahreswechsel nicht mehr zugelassenen Transporte auf die Schiene zu verlagern.

RoLa-Kapazität erhöhen

„Wir gehen aber davon aus, dass Tirol seiner Verpflichtung aus dem Zehnpunkteplan, die Kapazitäten der RoLa schrittweise deutlich zu erhöhen, nachkommen wird“, sagte ein Sprecher. Der Bund und Bayern unterstützten Österreich bei seinen Bemühungen, bei der Kommission höhere Beihilfesätze für die RoLa zu ermöglichen. Die war 2018 durchschnittlich zu 82 Prozent ausgelastet, ihre Nutzung längere Zeit rückläufig. EU-Vorgaben verhindern bisher eine höhere Förderung der RoLa, außerdem sind die Bedingungen auf der Straße auch durch die österreichische Spritbesteuerung sehr günstig. So stieg das Transportaufkommen hier auch aufgrund zahlreicher Umwegverkehre immer weiter an.

Einstweilige Anordnung

Sollte Brüssel nicht aktiv werden, müsse ein nationales Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet und eine einstweilige Anordnung erwirkt werden, hatten die bayerischen Logistikverbände LBS und LBT an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) appelliert. Danach sieht es derzeit nicht aus.

Aus München hieß es, man dürfe nicht übersehen, dass Tirol nach Verhandlungen mit der EU-Kommission bereits zurückgerudert sei und entgegen ursprünglichen Plänen Euro-6c- und -6d-Lkw wieder zugelassen habe. „Aus bayerischer Sicht besteht jedoch ein großes Interesse daran, dass die relevanten Rechtsfragen auf europäischer Ebene gründlich geklärt werden, zumal beim sektoralen Fahrverbot auch in seiner jetzigen Ausgestaltung Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen bleiben“, sagt ein Sprecher des bayerischen Verkehrsministeriums.

Schiene stärken

Um das zunehmende Verkehrs­volumen im Brennerkorridor zu bewältigen, kommt es nach Einschätzung des Ministeriums in Zukunft darauf an, den Schienengüterverkehr nachhaltig zu stärken. Bayern trage hierzu mit den Breco-Projekten bei, mit denen markt­fähige Angebotskonzepte für den UKV über den Brenner entwickelt und vorhandene Trassen im Schienennetz besser genutzt werden sollen, sagt der Sprecher.

Darüber hinaus unterstütze der Freistaat seit Jahren Innovationen mit Zuwendungen. So sei die Entwicklung des Nikrasa-Systems gefördert worden, mit dem reguläre Sattelauflieger auf die Schiene gebracht werden können. Hier seien Förderprojekte im Gang oder in Planung, unter anderem eine Analyse, die Erweiterungsbedarf und -möglichkeiten der KV-Terminals betrachtet. Eigene Umschlagkapa­zitäten halte Bayern über seine Gesellschaft Bayernhafen vor. In Regensburg werde gerade etwa das Containerterminal erweitert.

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