Der erste Eindruck ist noch kein Beweis – davon lässt sich nach zähem Verhandeln auch dieser Richter überzeugen.
Marco* und ich betreten den Gerichtssaal. An der Front des Raumes sitzt kein Richter. Er thront. Er wirkt nicht unfreundlich, aber sein Lachen gleicht mehr einem Grinsen. Mit seiner ausgestreckten Handfläche weist er uns den Weg zum Tisch für die Verteidigung. Nachdem wir uns noch nicht ganz hingesetzt haben, kommt eine unangenehme Bemerkung von ihm: "Und jetzt, Herr Verteidiger, den Einspruch zurücknehmen? Die Termingebühr haben Sie ja verdient." Ich erstarre. So eine Unverschämtheit ist mir in 25 Jahren als Rechtsanwalt noch nicht untergekommen. "Es geht hier nicht um Geld, Herr Richter. Hier geht es um Gerechtigkeit."
Angeheizte Stimmung im Saal
Die Stimmung im Gerichtssaal ist erst einmal vermasselt. Der Richter scheint es gewohnt zu sein, dass seine Vorort-Anwälte springen, wenn er auch nur die Augenbrauen hebt. Nicht mit uns! Er zieht die Formalien durch und das in blitzartigem Tempo. Danach macht er das Tatfoto zum Gegenstand der Beweisaufnahme und stellt fest, es sei ja wohl eindeutig, dass Marco ein Handy in der Hand gehalten habe. Ich erlaube mir die Frage, wo man denn bitte den Lautsprecher des Handys beim Telefonieren hinhalten würde. Ich bekomme die kecke Antwort: "Ans Ohr, oder haben Sie noch nie telefoniert?". "Aha, ans Ohr. Und warum hört dann hier die obere Längskante des Handys unterhalb des Ohren auf? Wir ziehen deutlich in Zweifel, dass das, was man auf dem Foto sehen kann, ein Handy ist. Es ist keines. Mein Mandant hat nicht während des Fahrens telefoniert!" Der Richter blättert in seinem Bußgeldkatalog. Er bietet an, vom Fahrverbot abzusehen. "Verzeihung, Herr Richter, hier geht es gar nicht um ein Fahrverbot. Es geht um einen Punkt und der ist schlimm genug für meinen Mandant. Mein Mandant hat nicht telefoniert und würde nie während des Fahrens telefonieren. Nehmen Sie das bitte einfach zur Kenntnis."
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