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Experten werben für Technologie-Offenheit Bei alternativen Antrieben nicht festlegen

Foto: Matthias Rathmann

Der Klimawandel stellt die Logistikbranche vor Herausforderungen. Der Kongress von Transcoop09 zeigte, wie der Umstieg gelingen kann.

Greta polarisiert. Von den einen wird sie belächelt, von den anderen bewundert, hat die schwedische Schülerin mit Fridays for Future doch eine viel beachtete globale Bewegung ausgelöst. Die unterschiedlichen Reaktionen darauf zeigen aber auch, wie viele Emotionen bei der Klimaschutzdebatte im Spiel sind.

Sie zu versachlichen und aufzuzeigen, wie konkrete Ansätze zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen aussehen können – darauf zielten die Verantwortlichen der Kooperation Transcoop09 mit ihrem Jahreskongress am Mittwoch in Darmstadt ab. „Wir gelten als Verschmutzer und Mitverursacher für den Klimawandel“, erklärte Vorstand Josef Perisa. Ob gerechtfertigt oder nicht – fest steht für ihn: „Wir wollen zeigen, dass wir uns der Sache stellen.“ Perisa betonte: „Auf keinen Fall wollen wir auf Kosten unserer Zukunft handeln.“

Rhenus an Erfahrungen mit allen Technologien interessiert

Vertreter aus der Fahrzeugindustrie und Logistikbranche stellten vor, wie Speditionen und Werkverkehre konkret den Emissionen zu Leibe rücken und ihren Beitrag im Kampf gegen die globale Erwärmung leisten können. Der Logistikdienstleister Rhenus ist vom Potenzial der alternativen Antriebe überzeugt und daher an Erfahrungen mit allen bereits verfügbaren Technologien interessiert. Das Spektrum reicht von Gasfahrzeugen über rein elektrisch angetriebene Lkw, den Oberleitungs-Lkw bis hin zum Brennstoffzellen-Müllfahrzeug. Die Fahrzeuge kommen entweder bei Rhenus selbst, den Schwesterfirmen Remondis oder Saria beziehungsweise deren Beteiligungen zum Einsatz.

Noch gibt es die E-Fahrzeuge nicht von der Stange und der Geschäftsführer von Rhenus Transport, Sascha Hähnke, hat auch nicht immer den Eindruck, dass er bei der Industrie offene Türen einrennt. Daher ermuntert er mittelständische Speditionen: „Nerven und fordern Sie die Hersteller!“ Er warnt seine Unternehmerkollegen auch davor, sich auf eine Antriebsart festzulegen. „Seien Sie technologieoffen“, empfahl er. „Tüfteln Sie rum, fordern Sie Testfahrzeuge ein, tauschen Sie sich mit Ihren Kollegen aus!“

Kommunalwirtschaft bekommt bis zu 90 Prozent Förderung

Hähnke ließ auch durchblicken, dass er sich von der Politik eine Chancengleichheit von Privat- und Kommunalwirtschaft erwartet. Aktuell erhalten Unternehmen pro Elektro-Lkw vom Bund bis zu 40.000 Euro an Zuschüssen, kommunale Betriebe könnten durch das Förderprogramm saubere Luft dagegen auf bis zu 90 Prozent Förderung hoffen.

Nicht ganz so technologieoffen wie der Logistikdienstleister Rhenus zeigt sich die Angebotsseite, die aus Kostengründen nicht alle Antriebsarten bedienen kann. Im VW-Konzern etwa gibt es bei Scania Gasfahrzeuge, während MAN sich sehr stark auf den Elektroantrieb konzentriert und gleichzeitig den Wasserstoffantrieb im Blick hat. Seit Ende 2018 hat MAN neun batterie-elektrische Verteiler-Lkw an Kunden in Österreich, der Schweiz und Deutschland ausgeliefert, die inzwischen 240.000 Kilometer absolviert haben.

MAN: Reichweite ist beim E-Lkw nicht das Problem

Das Feedback der Kunden sei sehr positiv, vor allem die Fahrer seien angesichts des sportlich-dynamischen Antriebs angetan bilanzierte Michael Voll, Leiter des Bereich Transport Solutions Network Analysis. „Die Serienproduktion wird Ende 2023 beginnen“, kündigte er an. Angestrebt sei, das komplette Fahrzeugportfolio zu elektrifizieren – Motorwagen wie Zugmaschinen gleichermaßen. Die Reichweite sei ebenfalls nicht das Problem. „Rund 200 Kilometer sind für den Anwendungsbedarf dieser Kunden ausreichend“, sagte er.

Der E-Mobilitätsexperte aus dem Hause MAN empfahl interessierten Unternehmen aber dringend, den möglichen Einsatz eines Elektro-Fahrzeugs frühzeitig zu planen – das gelte vor allem angesichts der Ladeinfrastruktur. In einigen Gebieten sei es eine Herausforderung, eine geeignete Strominfrastruktur aufzubauen, sagte Voll. Schnell komme man auf einen Vorlauf von 18 bis 24 Monaten. Die Ladeinfrastruktur für einen einzigen E-Lkw aufzubauen, sei meist kein Problem. „Bei 10 bis 30 Einheiten schon.“

Dena: Kraftstoffpreise auf dem Niveau von 2008

Handlungsbedarf beim Aufbau einer Lade- und Tankinfrastruktur sahen auch andere Referenten. Daneben brauche es eine Differenzierung der Lkw-Maut nach dem CO2-Ausstoß und eine Förderung von Nutzfahrzeugen mit Wasserstoffantrieb, erklärte Stefan Siegemund, Leiter Nachhaltige Mobilität und alternative Energieträger bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena). Die Kraftstoffpreise dagegen seien zurzeit kein Treiber für einen Umstieg auf alternative Energieträger, sagte er. „Sie sind heute etwa auf dem Niveau von 2008“, sagte er. Die Reallöhne seien seitdem deutlich stärker gestiegen als die Kosten für Transport und Mobilität. „Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Güterverkehrsnachfrage weiter ansteigt.“

BGL: Transporteure investieren aus eigenem Antrieb

Das ist auch für den Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) das Dilemma – der Verkehr steigt, gleichzeitig ist die Branche gehalten, Verbräuche und Emissionen zu senken. Wie solle man Verkehre verhindern, wenn die Nachfrage exorbitant steige, fragte BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt und führte eine Prognose an, wonach die Zahl der verschickten Pakete in Deutschland von 2018 auf 2028 von 3,5 auf 9 Milliarden steigt. „Es wird immer so dargestellt, als würden wir Transporte durchführen, weil wir nichts Besseres zu tun haben“, sagte er und erklärte, dass Transport- und Logistikunternehmen schon aus eigenem Antrieb bestrebt seien, in die jeweils beste verfügbare Technik zu investieren.

FDP-Abgeordnete Kluckert für Technologie-Offenheit

Das müsse nicht zwingend die Elektromobilität sein, betonte auch Daniela Kluckert, FDP-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses. „Wir brauchen eine Offenheit für alle Technologien“, erklärte sie – seien es E-Lkw, E-Fuels, Erdgas- oder Wasserstoff-Fahrzeuge. „Im Moment gehen 80 Prozent der Forschungsgelder in die Elektromobilität, das ist nicht technologieneutral“, kritisierte sie. Außerdem sei es keine Lösung, den Diesel zu verbieten. Auch das wird in den emotional geführten Diskussionen zum Klimaschutz mitunter gefordert.

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