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Dekra Automobil schafft neue Stellen Zeichen stehen auf Wachstum

Foto: Thomas Küppers

Sicherheit in der Pandemie, bei alternativen Antrieben und beim automatisierten Fahren: Die Dekra Automobil-Chefs Guido Kutschera (rechts) und Jann Fehlauer sprechen im Interview mit der Fachzeitschrift trans aktuell über die Geschäftsentwicklung in Zeiten von Corona.

trans aktuell: Herr Kutschera, Herr Fehlauer, Sicherheit ist ein hohes Gut. Prüfdienstleister sind deshalb systemrelevant und im Lockdown zur Stelle. Inwiefern hat das schwierige Umfeld Ihnen trotzdem die Arbeit erschwert?

Kutschera: Die Dekra Automobil ist bisher sehr vernünftig durch die Pandemie gekommen. Wir haben stark in unsere Flächenpräsenz investiert und unsere Bauvorhaben wie geplant umgesetzt. Aktuell besteht unser eigenes Netzwerk in Deutschland aus 75 Niederlassungen, hinzu kommen über 100 Außenstellen sowie Dekra-Stationen. In Altensteig im Kreis Calw haben wir unser neues Congresshotel eröffnet. Hier konnte die Grundausbildung der neu eingestellten Prüfingenierue sichergestellt werden Zugleich haben wir unsere Digitalkompetenz erhöht und unsere E-Learning- und Online-Angebote ausgebaut. Trotz Corona standen die Zeichen auch personell auf Wachstum: Dekra Automobil hat fast 900 Leute eingestellt. Unter Berücksichtigung des demografischen Wandels ist das Unternehmen um über 300 Mitarbeiter gewachsen.

Wie erklärt sich der Zuwachs? Infolge der Pandemie ist die Fahrleistung doch deutlich zurückgegangen, was sich auf die Nachfrage ausgewirkt haben dürfte.

Kutschera: Hier ergibt sich ein geteiltes Bild: Die niedrigere Fahrleistung hat zu weniger Schadengutachten geführt. Erschwert war auch das Gebrauchtwagen-Management für Pkw und Lkw. Das Prüfwesen ist dagegen gut gelaufen. Alle unsere Mitarbeiter haben unter schwierigen Bedingungen einen super Job gemacht. Der Umsatz ist gegenüber dem Vorjahr sogar um fast drei Prozent gewachsen.

Fehlauer: Am Anfang gab es die Befürchtung, dass Prüfstellen und Werkstätten wegen des Lockdowns schließen müssen. Das ist zum Glück nicht eingetreten. So konnten wir den Prüfbetrieb aufrechterhalten, unsere Kunden bedienen und unseren Marktanteil verteidigen. Dekra hat umfangreiche Vorkehrungen mit Blick auf die Gesundheit der Mitarbeiter und Kunden getroffen. Es gibt nachweislich keinen Fall in der Dekra Automobil, wo sich Mitarbeiter intern bei der Arbeit angesteckt hätten.

Herr Kutschera, jetzt lenken Sie nicht nur die Geschicke der Dekra Automobil, sondern sind auch der neue Dekra-Deutschlandchef. Wie lässt sich das unter einen Hut bringen – auch zeitlich?

Kutschera: Natürlich gibt es einen gewissen Mehraufwand. Am Anfang ist es wichtig, sowohl die Gesellschaften als auch die Arbeitnehmer-Vertretungen und ihre Wünsche und Bedürfnisse kennenzulernen. Wenn man wie ich Automobilist ist, ist man nicht im Detail mit den anderen Dekra-Aktivitäten in Deutschland vertraut. Da fuchse ich mich gerade rein. Komplettes Neuland sind die anderen Bereiche aber nicht. Zum Beispiel war ich bis 2019 Geschäftsführer der Dekra-Gesellschaften GKK Gutachten und Dekra Claims Service. Die Vernetzung aller unserer Aktivitäten unter einer starken Region Deutschland sehe ich als Riesenchance. Um hier weitere Potenziale zu heben und schlagkräftiger zu werden, werden wir auch die Vertriebs- und Marketingaktivitäten zusammenführen. So kann Dekra Kunden und Interessenten unterschiedlichste Dienstleistungen aus einer Hand anbieten – auch aus der Transport- und Logistikbranche. Der Anspruch dabei: Wir sind der globale Partner für eine sichere Welt.

Bleiben wir beim Fahrzeug: Die Antriebswende und das automatisierte Fahren sind für Ihre Kundschaft und Sie gleichermaßen zwei aktuelle Megathemen. Wie positioniert sich Dekra hier?

Fehlauer: Beginnen wir bei den alternativen Antrieben: Sie leisten ohne Frage einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und verhelfen der Branche zu einer positiveren Wahrnehmung. Saubere Fahrzeuge mit leisen Motoren verbessern zusätzlich die Arbeitsbedingungen der Fahrer und Umschlagmitarbeiter. Schaut man sich an, wie erbärmlich teilweise die Zustände an den Parkplätzen und Rasthöfen erst recht in der Corona-Zeit sind, ist der Lkw sicher kein uneingeschränkt attraktiver Arbeitsplatz. Die Ausstattung mit einer besseren Technik und zusätzlichen Sicherheitssystemen ist so auch ein wichtiger Beitrag, um weiterhin Fahrer zu gewinnen. Batterieelektrische oder Wasserstoff-Antriebe stellen Unternehmer, Fuhrparkleiter und Werkstattbetreiber aber auch vor neue Herausforderungen. Bei Elektrofahrzeugen fallen einige Komponenten weg, doch stellen das Bordnetz und die Hochvolttechnologie besondere Anforderungen. Hier hat die Dekra Akademie eine wichtige Rolle, um unsere Mitglieder und Kunden im Umgang mit den neuen Technologien fit zu machen.

Und welche tiefgreifenden Veränderungen sehen Sie beim automatisierten Fahren?

Fehlauer: Automatisierte Fahrzeuge bergen große Chancen, um die Verkehrssicherheit deutlich zu erhöhen. Wir müssen uns aber auch der Tatsache bewusst sein, dass sich diese Fahrzeuge permanent verändern – was man von außen nicht sieht. Ein Fahrzeug, das einmal homologiert und typgeprüft wurde, wird nicht wie früher dauerhaft so bleiben. Durch Updates over the air verändern sich diese Fahrzeuge über Nacht. Damit ändern sich auch die Anforderungen an die Sicherheit und letztlich an Dekra. Ich kann bei der Hauptuntersuchung ein Fahrzeug mit ganz anderen Eigenschaften vor mir haben, als ich es zum Zeitpunkt der Zulassung hatte. Insofern müssen sich auch die Inhalte der HU ändern.

Sprich: Sie brauchen Zugriff auf die Daten?

Fehlauer: Die Prüforganisationen brauchen einen diskriminierungsfreien Zugriff auf die originären sicherheitsrelevanten Daten. Das Fahrzeug sendet dieses Datenpaket bisher an den entsprechenden Hersteller. Um das Fahrzeug und seine Software-Stände aber in ihrer Aktualität zu bewerten, brauchen die Prüforganisationen zum Beispiel zum Zeitpunkt der HU einen Zugriff darauf. Nur dann sind ein sicherer Betrieb des Fahrzeugs und die Funktionsfähigkeit der Systeme gewährleistet. Dekra hat hierzu die Gründung eines Trust Centers angeregt, das die Daten treuhänderisch verwaltet und bedarfsgerecht unter Einhaltung aller Datenschutz-Bestimmungen den Prüforganisationen für eine fest definierte temporäre Nutzung zur Verfügung stellt.

Ist die physische Prüfung in jetziger Form dann überholt, wenn ein Fahrzeug mit seinen Updates eigentlich ständig überwacht werden müsste?

Fehlauer: Notwendig wird eine Prüfung sein, die sich aus verschiedenen Inhalten zusammensetzt. Die physische Prüfung ist für mich aber unantastbar. Reifen verschleißen, Bremsscheiben können Risse haben, wir haben es mit Federbrüchen, gesprungenen Windschutzscheiben und vielen weiteren sicherheitsrelevanten Themen zu tun, die einen sachverständigen Blick auf das Fahrzeug auch zukünftig zwingend erforderlich machen. Die Prüfungsinhalte werden aber viel umfangreicher, weil die Ingenieure zusätzlich stärker als bisher die Daten und deren Bewertung in den Blick nehmen müssen.

Könnten Sie zum Schluss noch einen Ausblick geben, inwiefern Dekra beim automatisierten Fahren auch selbst Impulse gibt? Hier scheint sich auf dem von Dekra übernommenen Testgelände auf dem Lausitzring ja einiges zu tun.

Kutschera: Seit der Übernahme haben wir viele Baumaßnahmen umgesetzt: Es gibt unter anderem eine neue Halle, in der die Fahrzeuge für die Tests vorbereitet werden, das Abgaslabor wurde vergrößert und eine Geräuschmesstrecke gebaut. Der Lausitzring ist durch Zulieferer und Hersteller gut gebucht und bietet sich aufgrund der Größe – außerhalb der Corona-Zeit – auch zum Ausrichten von Events an. Was die Megathemen Antriebswende und Automatisierung angeht, hat Dekra dort ebenfalls wichtige Weichen gestellt.

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Fehlauer: Dekra hat in Abgaslabore investiert und kann Fahrzeuge mit allen Arten von alternativen Antrieben testen – inklusive Wasserstoff-Antrieb. Hinzu kommt jetzt ein großer Abschnitt, auf dem das so genannte szenarienbasierte Testen im Mittelpunkt steht. Wir können dort die unterschiedlichsten Streckenverläufe mit Kreuzungs- und Auffahrsituation darstellen. Das Ganze ist so konzipiert, dass wir 90 Prozent aller möglichen Straßenszenarien in einer Testumgebung realistisch nachstellen können – also zum Beispiel all die Konstellationen, die in den vergangenen Jahren zu schweren Unfällen geführt haben. Das Gelände ist mit einer 5G-Architektur überspannt, sodass alle Arten von Car-to-X-Kommunikation darstellbar sind. Ob Schipkau – die brandenburgische Gemeinde, in deren Ortsteil Klettwitz der Dekra Lausitzring liegt – oder Shanghai: Es lässt sich jede Umgebung aufbauen und testen. Dekra kann quasi jede beliebige Infrastruktur aus Straßenverläufen, Signalanlagen und Häusern aufbauen und in Tests einbeziehen.

Zu den Personen

  • Guido Kutschera (52) ist seit 1.1.2019 Vorsitzender der Geschäftsführung der Dekra Automobil. Zuvor war er schon seit 2013 Geschäftsführer. Seit 1.1.2021 ist er im Dekra-Konzern zusätzlich verantwortlich für die Region Deutschland insgesamt. Vor seiner Zeit bei Dekra war er bei der Carglass/Belron Gruppe und bei der Solera/Audatex Holding in unterschiedlichen Funktionen tätig.
  • Jann Fehlauer (56) ist seit Juni 2018 Geschäftsführer der Dekra Automobil und verantwortlich für den Bereich Dienstleistung/Technik. Zuvor war er Bereichsleiter Fahrzeugprüfwesen in der Dekra und Leiter der Dekra-Niederlassung in Braunschweig. Er begann seine Karriere als Prüfingenieur bei Dekra 1994.
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