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Dachser Emission-Free Delivery Ohne CO2 ins Zielgebiet

Foto: Thomas Küppers 13 Bilder

Dachser Emission-Free Delivery läuft als Zustellprojekt seit 2018 in Stuttgart. In einer definierten Zone erfolgt die emissionsfreie Zustellung durch den Einsatz von E-Lkw und E-Lastenrädern.

Der Vormittag in einer deutschen Stadt – eine Phalanx aus Lieferwagen und Verteiler-Lkw in den Fußgängerzonen und Innenstadtstraßen, gestresste Fahrer, laufende Motoren. Das Logistikunternehmen Dachser verfolgt ein Konzept für die Innenstadtbelieferung, bei dem Abgase und Lärm entfallen. In Stuttgart läuft gerade ein Praxistest.

Dachser Emission-Free Delivery heißt der Testlauf, der seit Juli 2018 eine emissionslose Zustellung im Stuttgarter Stadtgebiet zum Ziel hat. Im Rahmen des Projekts City Distribution, das Dachser 2016 aus der Taufe gehoben hat, will der Logistikdienstleister sich schon jetzt auf die künftig noch strengeren Lieferbedingungen der Städte vorbereiten.

Stuttgart ist Leuchtturmprojekt

Stuttgart sei dabei gleich aus mehreren Gründen ein Leuchtturmprojekt, sagt Stefan Hohm, Corporate Director Corporate Solutions, Research & Development bei Dachser. „Stuttgart hat eine starke Verkehrsbelastung, zudem durch die Kessellage Probleme, weil Verkehrsemissionen nicht so leicht verwehen. Die Hügel stellen auch für die Zustellung mit E-Fahrzeugen eine Belastung dar.“ Auch politisch sei die Stadt für ein solches Projekt interessant.

Im Kern sieht das Konzept Dachser Emission-Free Delivery eine fünf Quadratkilometer große emissionsfreie Zone vor, die mit CO2-neutralen Fahrzeugen beliefert wird. Zum Einsatz kommen dabei ein Fuso eCanter mit 7,5 Tonnen zulässigen Gesamtgewichts sowie ein 18-Tonnen-Mercedes-eActros, die die Waren zustellen. Der eActros beliefert zudem ein Mikrodepot, von dem die Lastenräder die letzte Meile übernehmen. „Über diese Fahrzeugkombinationen stellt Dachser pro Tag etwa 85 Sendungen oder 20 Tonnen zu“, sagt Hohm.

Nur die Azubis fahren die E-Lkw

Dachser Emission-Free Delivery startet tatsächlich aber in Kornwestheim, einer Stadt rund 16 Kilometer von der Stuttgarter Innenstadt entfernt. Um sechs Uhr morgens ist es noch dunkel im Industriegebiet, aber die Berufskraftfahrer-Azubis von Dachser sind bereits emsig. In ihrer Verantwortung liegen die beiden Fahrzeuge eCanter und eActros, ihr Arbeitstag beginnt mit der Beladung.

Dass ausschließlich die Auszubildenden die Fahrzeuge fahren, sei ein „Mehrwert für die Ausbildung“, sagt Christian Polziehn, Projektleiter Dachser Emission-Free Delivery in der Niederlassung Kornwestheim. Der Vorteil dabei, so Polziehn: „Die jungen Leute sind offen für neue Technologien. Mit den E-Lkw lernen sie von Anfang an, dass Vollgas plus Vollbremsung nicht funktionieren, sondern dass sie mit der Rekuperation arbeiten müssen.“

Die Nachtschicht hat die Ware disponiert, in der Halle stehen an zwei Rampen der eActros beziehungsweise der eCanter bereit. Zügig bringt der angehende Berufskraftfahrer Oliver Ducqué den eActros auf die Bundesstraße 27 Richtung Stuttgart. Routiniert lenkt Ducqué das Gefährt. „Das erste Mal war das Fahren ungewöhnlich, weil absolut keine Fahrgeräusche zu hören sind“, sagt der Auszubildende im zweiten Lehrjahr, dessen Vater ebenfalls Lkw-Fahrer ist. „Es besteht wirklich kein großer Unterschied, selbst der Tacho ist der, den man aus dem alten Actros kennt.“

Angenehmes Fahren

Feine Unterschiede macht Ducqué dann aber doch aus: Der E-Lkw beschleunige schneller und habe keine Schaltunterbrechung, sei daher angenehmer zu fahren. Da das Fahrzeug noch in der Erprobung sei, gebe es aber häufiger Fehlermeldungen, die man als Fahrer protokollieren müsse – etwa, wenn die Dauerbremse zu oft oder zu lang betätigt werde.

Der Stau auf der Zufahrtsstraße nach Stuttgart hält sich heute in Grenzen, alles im grünen Bereich. Stuttgart hat seit dem 1. Januar ein Dieselfahrverbot für Euro-4-Fahrzeuge, der Lieferverkehr ist ausgenommen. „Aber der Tag wird sicher kommen, an dem alle konventionellen Diesel ausgesperrt werden“, sagt Markus Maurer, der als Generalmanager die Dachser-Standorte der Gruppe Stuttgart verantwortet. Schwierig ist die Citylogistik heute schon: In der Stuttgarter Fußgängerzone gelten Sperrzeiten, die Sendungen müssen bis elf Uhr angeliefert werden, was teilweise durch Pollersysteme geregelt ist. Die meisten Shops machen aber erst um zehn Uhr auf. „Also müssen wir entweder mit noch mehr Fahrzeugen rein oder die Sendungen werden nicht zugestellt – oder aber wir steigen auf Alternativen um“, begründet Maurer die Notwendigkeit von Projekten wie Dachser Emission-Free Delivery.

Abladen im Mikrodepot von Velocarrier

Die Lösung heißt auch elektrische Lastenräder. Während die Azubi-Kollegen auf dem Fuso eCanter den Charlottenplatz überqueren, biegt der eActros in Richtung Olgastraße ab, wo der E-Bike-Lieferdienst Velocarrier ein Mikrodepot betreibt. Der Dachser-Azubi lädt per Ameise die Paletten vom eActros auf die Bereitstellungsfläche und verabschiedet sich. Als Nächstes tritt Jonas Scheible in Aktion, der bereits seit dreieinhalb Jahren für Velocarrier als Fahrradspediteur arbeitet.

Eine Sendung mit acht Kartons und zusammen 116 Kilogramm Gewicht für das Einzelhandelsunternehmen Tritschler am Stuttgarter Marktplatz ist heute dabei. Pro Tour kann Scheible mit seinem Lastenrad bis zu 250 Kilogramm bewegen. Zügig tritt er in die Pedale und ist bereits in wenigen Minuten vor dem Eingang des Geschäfts am Marktplatz angelangt. Ein Mitarbeiter bringt einen Rollwagen für die Kartons heraus und quittiert die Übergabe der Sendung auf dem Smartphone des Fahrradkuriers. Emissionen eingespart, Sendung zugestellt – Auftrag erledigt.

Das Projekt

  • _Dachser Emission-Free Delivery: innerhalb einer definierten Zone in Stuttgart wird nur mit CO2-neutralen Fahrzeugen ausgeliefert
  • Zum Einsatz kommen ein Fuso eCanter mit einer Reichweite von 100 Kilometern und ein eActros mit mehr als 200 Kilometer Reichweite sowie Pedelecs von Velocarrier
  • 23 Prozent weniger CO2 pro Sendung schafft das Projekt in Stuttgart bezogen auf die ganze Transportkette, die Feinstaubemissionen sind um 32 Prozent, die Stickstoffemissionen um 26 Prozent reduziert.

„Volle Lkw sind nicht das Problem“

Stefan Hohm von Dachser über City-Logistik der Zukunft

trans aktuell: Herr Hohm, was steckt hinter dem Begriff City Distribution?

Hohm: Dahinter versteckt sich unsere Antwort auf den Megatrend Unbanisierung – in Zukunft leben immer mehr Menschen in den Städten. Es ist also absehbar, dass auf den Verkehr in den Städten Restriktionen zukommen. Mit unserem Konzept bereiten wir uns auf diese Transformation vor.

Wie konkret ist das?

Im Rahmen des Projekts bieten wir sozusagen einen Baukasten für unsere Niederlassungen, der individuell vor Ort angepasst wird. Dieser ist für ganz Europa anwendbar. Letztlich wollen wir schon jetzt Erfahrungen sammeln und unsere Prozesse fit machen, für das, was kommen kann. Die Städte rüsten sich mit Einfahrtsbeschränkungen und Verboten.

Sind davon nur die Metropolen betroffen?

Das hängt von den Faktoren vor Ort ab. Aktuell arbeiten wir an einem Projekt in Freiburg, das – wie beispielsweise Oslo auch – ein Diesel-Einfahrtverbot plant. In Nürnberg ist die Situation noch ruhiger, Frankfurt ist dagegen beim Thema Emissionen stark in Bewegung. Generell kann man sagen, dass das Thema Emissionen in Zukunft alle Städte in Europa ab etwa 300.000 Einwohner betreffen wird.

Foto: Dachser
Stefan Hohm: "Die Städte rüsten sich mit Einfahrtsbeschränkungen und Verboten."
Was ist Inhalt des Baukastens?

Er enthält insgesamt zehn Punkte, die den Niederlassungen helfen, die Citylogistik entsprechend anzupassen. Das geht beim Thema Gesetze und Verordnungen los, geht über den Einsatz neuer Kraftstoffe und Technologie, die Kommunikation mit den Behörden, bis hin zum Thema Nachtbelieferung. Beim Thema alternative Antriebe arbeitet Dachser etwa schon mit einigen Herstellern zusammen, aus bereits laufenden Projekten können wir entsprechende Verbesserungsvorschläge liefern, wie beim Einsatz des eActros in Stuttgart.

Sind die Werkzeuge auf alle Städte anwendbar?

Sie lassen sich adaptieren, denn jede Stadt hat andere Voraussetzungen – in Wien gilt es etwa den Autobahnring zu beachten, in Mannheim gibt es wegen der quadratischen Struktur viele Einbahnstraßen, Amsterdam hat seine Grachten. Jede Stadt hat auch andere Pläne, ebenso wie jedes Land. In Stuttgart verfolgen wir zum Bespiel auch eine Idee, die aus der Toolbox stammt: Dabei planen wir in Zusammenarbeit mit der städtischen Verwaltung die Entwicklung eines Microhubs im Stadtzentrum, das auch andere Dienstleister nutzen könnten. Zudem sind wir mit der Leitung eines benachbarten Einkaufszentrums im Gespräch, um die Belieferung der Läden zu bündeln, vielleicht werden wir sogar in Form einer Mehrwertleistung die Waren direkt in die Geschäfte bringen.

Bislang hat ja kein Konzept funktioniert, die Transporte für die Innenstädte zu bündeln.

Ja, die Idee ist mehr als 30 Jahre alt, aber wir glauben immer noch daran – das ist ja auch im Eigeninteresse der Logistik. Denn wenn jeder mit einem vollgepackten Lkw in die Stadt fahren würde, wäre das kein Problem; stattdessen aber gibt es viele halbleere Fahrzeuge. Es geht dabei um die optimale Auslastung. Auf der anderen Seite kann nicht jeder Dienstleister ein Micro-Hub bedienen. Hier sind auch die Städte gefragt, entsprechende Regelungen aufzustellen.

Wird man denn die Städte schon bald komplett emissionsfrei beliefern?

Ehrlich, das wird in Bezug auf das komplette Stadtgebiet zumindest in unmittelbarer Zukunft nicht funktionieren. Das ist schließlich auch eine Frage der Kosten und der Fahrzeuge, die derzeit nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen. Generell arbeiten wir derzeit bei der emissionsfreien Logistik mit einem Zustellgebiet von zwei bis fünf Quadratkilometern – das ist, mit allen Konsequenzen, derzeit das machbare. Würde man das ausweiten wollen, wäre das deutlich teurer und nicht mehr wirtschaftlich attraktiv – die Kunden müssen das ja auch bezahlen.

Wird Dachser die emissionsfreie Zustellung dann als Produkt in der Zukunft anbieten?

Noch betreiben wir mit Dachser Emission-Free Delivery Forschung und bereiten uns für den Ernstfall vor, deswegen laufen die Mehrkosten auch über das Entwicklungsbudget. Wenn aber der Tag kommen wird, an dem die Städte die Zufahrt wirklich konsequent einschränken, werden wir ein Produkt dafür in der Hand haben.

Zur Person

  • Stefan Hohm ist seit 2016 Corporate Director Corporate Solutions, Research & Development bei Dachser
  • Davor war er sieben Jahre lang General Manager des Logistikzentrums Hof, in den Jahren vorher bekleidete der studierte Betriebswirt mehrere leitende Positionen bei dem Logistikdienstleister aus Kempten
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