Conti und Hankook passen Reifen für E-Lkw an Was bei Reifen für E-Lkw zu beachten ist

Im Projekt eHaul vertreten: Der Semi 40 E von Futuricum. Elektrolkw für den Güterfernverkehr. Foto: Designwerk Products AG

Die Premiumreifenhersteller Continental und Hankook entwickeln speziell an den Fernverkehr angepasste Reifenmodelle. Dabei haben Elektro-Lkw ganz eigene Anforderungen. Darauf achten die Hersteller.

Elektroantriebe spielen schon längst nicht mehr nur bei der individuellen Mobilität eine Rolle. Im öffentlichen Personennahverkehr und im Güterverkehr steigt die Nachfrage ebenfalls stetig. Für viele spielt dabei die Reichweite eine zentrale Rolle. Doch wie kommt man mit einem Elektro-Lkw besonders weit? Eine größere Batterie leuchtet dabei sofort ein. Was aber lässt sich außerdem noch optimieren? Oftmals unterschätzt, aber durchaus relevant: die richtige Bereifung. Genau deshalb arbeitet der Reifenhersteller Continental mit Fahrzeugherstellern und Technologieunternehmen zusammen, um Reifen speziell für diese Anforderungen zu entwickeln.

Tests auf dem Contidrom

Auf dem Contidrom liefen bereits einige Testfahrten mit einem eigens dafür umgerüsteten Elektro-Lkw des Spezialisten für elektrische Nutzfahrzeuge Designwerk aus der Schweiz. Der 19-Tonnen-Lkw mit 680 PS hat mit einer Batteriekapazität von 680 kWh einen der größten Lkw-Batteriepacks Europas mit an Bord. Damit schafft das Fahrzeug bereits eine Reichweite von bis zu 760 Kilometern ohne Fracht. In den durchgeführten Testreihen geht es aber in erster Linie darum, die Effizienz weiter zu steigern. Ziel dabei ist es vor allem, den Rollwiderstand zu verringern und damit die Reichweite zu verlängern. Neben der Originalbereifung mit dem Conti Efficient Pro, der sich insbesondere für Langstreckentransporte eignet und bei dem Kraftstoffeffizienz im Vordergrund steht, kommen zwei Reifen-Prototypen im direkten Vergleich zum Einsatz. Die Grundidee dahinter: Die Entwicklungszeit für E-Lkw-Reifen aufgrund der erhaltenen Daten deutlich verringern.

Christian Koch, Reifenexperte bei Dekra erklärt: „Die Anforderung nach niedrigem Rollwiderstand existiert seit Jahren auch für herkömmliche Nutzfahrzeugreifen, insbesondere im Bereich des Fernverkehrs“. Die Kategorie „Kosten pro Kilometer“, die für einen Transporteur wichtig ist, umfasse dabei nicht nur den Anschaffungspreis und die Lebens- beziehungsweise Laufleistung, sondern auch den Kraftstoffverbrauch. Der Parameter „mehr Reichweite“ durch einen geringen Rollwiderstand ist in der Logistik also schon lange gefordert. Wichtig für einen verbesserten Rollwiderstand sind dem Experten zufolge die richtige Laufflächenmischung sowie eine optimierte Bodenaufstandsfläche des Reifens. Letztere sorgt vor allem für eine gleichmäßige Druckverteilung im Reifen.

Zusätzliches Gewicht und zusätzlicher Verschleiß?

Doch was macht das zusätzliche Gewicht durch die Batterie eigentlich aus? Die Vermutung, dass mehr Gewicht die Reifen schneller abnutzt, liegt dabei nahe. Der Dekra-Reifenexperte klärt allerdings auf: „Das zulässige Gesamtgewicht von E-Lkw überschreitet in der Regel das von herkömmlichen Lkw nicht“. Allerdings sei das Gewicht bei Sattelzugmaschinen aufgrund der verbauten Traktionsbatterie anders verteilt. Hinzukommt laut dem Experten, dass bei den Elektromotoren das maximale Drehmoment mehr oder weniger im Stillstand zur Verfügung steht. Durch den elektrischen Antrieb sind verschleißfestere Reifen also von noch wichtigerer Bedeutung.

Eine abriebfeste Mischung steht jedoch nicht unbedingt im Konflikt mit einer Mischung für geringem Rollwiderstand . Anders sieht das Ganze allerdings aus, wenn es um die Traktionsfähigkeit und damit um das Bremsverhalten des Reifens, insbesondere bei Nässe, geht. Das Kunststück: Die genannten Eigenschaften in Einklang zu bringen und möglichst an die Bedürfnisse des Kunden anzupassen. Ein Reifen muss also im Idealfall immer auf die Kundenanforderungen zugeschnitten sein, wie auch Dekra-Experte Koch bestätigt. „Reifenentwicklung ist heutzutage immer ein evolutionärer Prozess, in dem bekannte Maßnahmen beziehungsweise konstruktive Parameter zur Erreichung des jeweils vorgegebenen Ziels miteinander kombiniert werden“, sagt er.

Lösungen von Conti und Hankook

Auch Reifenhersteller Continental versucht diese sogenannten Zielkonflikte möglichst gut auszubalancieren. Die getesteten Reifen sind bei der Anfahrt und der Beschleunigung einem höheren Drehmoment ausgesetzt. „Die Reifen müssen nicht nur über einen niedrigen Rollwiderstand verfügen, sondern auch stärkeren Belastungen standhalten als Reifen für vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren“, berichtet Hinnerk Kaiser, Leiter der Reifenentwicklung Bus- und Lkw-Reifen bei Continental. Das Ziel sei zudem, dass diese trotzdem genauso lange halten und den gleichen Sicherheitsanforderungen wie Lkw-Reifen für konventionelle Antriebe entsprechen. Das klingt nicht nur kompliziert, sondern ist auch mindestens genauso technisch anspruchsvoll.

Continental bietet aber auch einen weiteren Service an: Conti Connect Live überwacht Reifenfülldruck und Reifentemperatur von allen Lkw in der Flotte. Continental stellt dem Kunden die Daten via Desktop oder über die neue On-Site-App zur Verfügung. Das gibt dem Fuhrparkmanager einen Livezugriff auf den Zustand seiner Fuhrparks und ermöglicht, Schäden an Reifen möglichst schnell zu beheben.

Reifenhersteller Hankook nimmt diese Herausforderung ebenfalls an und bietet neue Lkw-Reifen speziell für mehr Leistung im Fernverkehr an – darunter die beiden Modelle Smart Line AL50 und DL50. Hankook gibt bei diesen Reifentypen bis zu 15 Prozent weniger Kraftstoffverbrauch und mehr Haftung bei Nässe an – was die Zielkonflikte auch bei E-Lkw gut in Einklang bringt. Zusätzlich sollen die beiden Modelle die Laufleistung der bisherigen Reifengenerationen beibehalten, allerdings noch etwas länger haltbar sein.

Der Reifenhersteller setzt dabei auch auf ein KI-optimiertes Reifendesign. Dabei gibt es einige Veränderungen wie neue Materialien und im 3D-Druck gefertigte Metall-Reifenformen. Das bedeute vor allem mehr Leistung über die gesamte Reifenlebensdauer hinweg. Das neue Line-up soll dann in mehreren Schritten im europäischen Markt erscheinen. Den Smart Line AL50 gibt es in sieben verschiedenen Größen, während der Smart Line DL50 in fünf Dimensionen erscheint.

Tipps von Dekra-Reifenexperte Koch

Allerdings ist es auch wichtig, den Reifen immer wieder zu kontrollieren. Dekra-Reifenexperte Koch rät vor allem immer wieder den Fülldruck anzupassen. Dabei gilt es einerseits die Beladung des Fahrzeugs zu berücksichtigen sowie die spezifische Belastung der einzelnen Reifen gegebenenfalls anzupassen. Regelmäßige Kontrollen des Reifenzustandes auf unregelmäßigen Abrieb seien aber auch essenziell. So lässt sich erkennen, ob eine Fahrwerkseinstellung nicht passt oder ob eingefahrene Fremdkörper – beispielsweise Glassplitter – dafür verantwortlich sind, dass der Reifen während der Fahrt an Druck verliert.

Reifen für E-Lkw balancieren also den Rollwiderstand, die Abriebsbeständigkeit sowie Traktionsfähigkeit auf einem hohen Niveau aus. Dennoch muss sich der Kunde immer bewusst sein, für welchen Einsatzzweck der E-Lkw unterwegs ist. Falls es auf ein Gelände oder eine Baustelle geht oder in der Umgebung einfach winterliche Bedingungen herrschen, helfen diese speziell angepassten Reifen nämlich nur bedingt weiter. Geht es allerdings in erster Linie darum, auf der Autobahn weite Strecken zurückzulegen, lohnt sich ein spezieller Reifen für E-Lkw. Der Verbrauch sinkt so auf Dauer deutlich.

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