Arbeitszeitgesetz Wer haftet bei Unfall durch Übermüdung?

Foto: Jan Bergrath

Die Arbeitszeit eines Lkw-Fahrers ist gesetzlich festgelegt. In der Praxis arbeiten viele Fahrer allerdings mehr als erlaubt. Was ist, wenn dann auch noch ein Unfall passiert?

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat erst am 25. November 2019 gefordert, dass die maximal erlaubten Arbeitszeiten der Lkw-Fahrer europaweit endlich konsequenter kontrolliert werden müssen. Diese Arbeitszeiten sind in der Richtlinie 2002/15/EG vorgegeben, darauf wiederum beruht der Paragraf 21a des deutschen Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Kontrolliert wird die Arbeitszeit der Lkw-Fahrer in der Regel durch die Gewerbeaufsicht im Unternehmen.

Bei bewusster Tacho-Fehlbedienung verpufft der Arbeitsschutz

Die Faustregel: Im Schnitt von vier Monaten dürfen Fahrer nicht mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten, am Tag sind maximal zehn Stunden erlaubt. Traurige und von Kontrolleuren leider bestätigte Tatsache ist allerdings auch, dass der wirksame Arbeitsschutz verpufft, wenn Fahrer den Tacho statt auf Arbeit auf Pause stellen. Anders als bei den Lenk- und Ruhezeiten wird der Fahrer allerdings nicht mit einem Bußgeld belegt, wenn er auf Anordnung seines Arbeitgebers mehr arbeitet als erlaubt. Das ArbZG ist ein Schutzgesetz für den Arbeitnehmer, dient zum Gesundheitsschutz und zur Arbeitssicherheit.

„Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer nach Hause schicken, wenn er feststellt, dass er zu lange arbeitet, und wenn das öfter vorkommt, kann er ihn auch abmahnen“, sagt Fachanwalt Harry Binhammer. „Aber natürlich nur, wenn diese Überstunden gegen den Willen des Arbeitgebers geschehen.“ In der Praxis zahlen die Unternehmer nach einer Betriebskontrolle am Ende eine zwar mitunter hohe pauschale Summe, die wahrscheinlich dem Gegenwert an real geleisteter Mehrarbeit der Fahrer nicht entspricht. Experten sind sich daher einig, dass der Betrug mit der eigenen Arbeitszeit nur dann aufhören wird, wenn auch die Lkw-Fahrer konsequent nach der VO (EU) 165/2014 wegen der (bewussten) Fehlbedienung des Tachos belangt werden.

Foto: Harry Binhammer
Fragen zum Arbeitsrecht beantwortet Harry Binhammer aus dem Haus des Rechts auf unserem Expertenportal unter www.eurotransport.de

Nun hat ein Leser des FERNFAHRER eine interessante Frage gestellt. Sie lautet: „Wenn mir nach elf Stunden Arbeitszeit ein Unfall passiert, kann man mich dann privat belangen?“ Dazu Harry Binhammer: „In dieser Frage sind gleich mehrere Aspekte enthalten, die ja nicht nur die Lkw-Fahrer betreffen, sondern alle Arbeitnehmer.“ Grundsätzlich gilt: Der Arbeitgeber muss die Arbeit so organisieren, dass das ArbzG eingehalten werden kann. Aber das entbindet den Fahrer nicht. „Bei der Haftung wird daher immer geprüft werden, ob und warum der Unfall passiert ist“, so Binhammer. „Lag eine Übermüdung vor, so haftet der Arbeitnehmer in der Regel schon selbst, da er es ja merken sollte, dass er übermüdet ist, und sich dann nicht mehr ans Steuer setzen darf.“

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