Höchst zielsicher rangiert Waldemar Diller auf dem Betriebsgelände der WL-Spedition in Herford seinen Actros 2548 unter die beiden Wechselbrücken von UPS. Es ist sofort zu erkennen: Er beherrscht jeden Handgriff. Kein Wunder, schließlich hat er das Talent von seinem Vater, einem Fernfahrer, geerbt und in diesem in der vierten Generation familiengeführten Transportunternehmen von 2010 bis 2013 während seiner Ausbildung zum Berufskraftfahrer perfektioniert. "Ich habe hier keinen Zeitdruck, keinen Stress, die Planung der Touren läuft rund", sagt Waldemar. "Für mich ist neben dem Geld vor allem das Betriebsklima der Grund, warum ich geblieben bin."
"Ich bin Berufskraftfahrer und habe Respekt verdient."
Jeweils eine Woche lädt Waldemar in der Tagesschicht von 11 bis 20 Uhr komplette Brücken bei großen Herstellern in der Region Westfalen vor. In der zweiten Woche fährt er die Nachtlinie von Bielefeld nach Hamburg, eine Tour vollkommen im Zeittakt. 21:30 Uhr planmäßige Abfahrt, 0:30 Uhr Ankunft in Hamburg, dort 2:45 Uhr wieder Abfahrt und 06:00 Uhr planmäßige Rückkehr. "Mir gefällt das. Es läuft wie am Schnürchen." Es ist Freitag. Für Waldemar geht bald eine Woche mit Tagestouren zu Ende. Jetzt hat er Pause und Zeit für eine Unterhaltung mit Jörg Schwerdtfeger, dem Personalmanager und Sicherheitsbeauftragten der WL-Spedition, die 1935 von Hermann Zill als Osnabrücker Lagerhaus Gesellschaft gegründet wurde und später in ein neues Lagerhaus nach Herford umgezogen ist. Hier und am zweiten Standort in Peine verfügt das Unternehmen über 105 ziehende Einheiten und beschäftigt, mit den immer wichtiger werdenden Aushilfen, insgesamt 170 Berufskraftfahrer.
Schwerdtfeger war 17 Jahre selber Berufskraftfahrer. 2009 begann er als Disponent. Seit drei Jahren ist er Personalmanager. Im September 2017 hat er mit Unterstützung seiner Lebensgefährtin, der Werbekauffrau Andrea Welge, auf Facebook ehrenamtlich eine Initiative ins Leben gerufen. Sie ist unter folgendem Motto zu finden: "Ich bin Berufskraftfahrer und habe Respekt verdient." Die Welt des Transports ist heftig im Wandel, der akute Fahrermangel zwingt die Firmen zum Umdenken. Der Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) hat schon vor Wochen eine große Fahrerumfrage gestartet, die bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe rund 4.000 Teilnehmer aufweisen konnte. (Eine Auswertung dieser Umfrage erfolgt in FERNFAHRER 9/2018). Nur eins ist bereits offenkundig: Weiter so wie bisher geht nicht mehr. Neben ihrem gerechten Lohn und der Einhaltung der Lenk- und Arbeitszeiten fordern die Fahrer immer öfter ein, dass man sie eben auch als Mensch wertschätzt und beruflich respektiert – vor allem bei den Kunden an der Rampe. Denn sonst sind sie bei der derzeitigen Lage am Arbeitsmarkt womöglich schnell weg. "Ich möchte gerne feststellen, was wir verändern können, um den Beruf des Kraftfahrers wieder so attraktiv zu gestalten, wie er einmal war", erklärt Schwerdtfeger. "Ganz wichtig sind mir dabei vernünftige, ehrliche und umsetzbare Vorschläge." Sein Chef, Frank Zill, seit 2006 in vierter Generation geschäftsführender Gesellschafter, unterstützt ihn dabei. "Auch wir sensibilisieren beispielsweise unsere Kunden auf ein Umdenken", berichtet Zill, "und sollte es vor Ort Probleme geben, sind wir hier natürlich für die Fahrer erreichbar, um eine Lösung zu finden."
Einer langen Firmenzugehörigkeit steht eine recht geringe Fluktuation gegenüber
Einige Zahlen sprechen dafür, dass die Umsetzung bei der WL-Spedition zu klappen scheint: So ist etwa der älteste feste Fahrer schon 38 Jahre dabei. Eine seit 2007 konsequente Fahrerausbildung mit drei bis fünf Lehrlingen pro Jahrgang, von denen das Gros bleibt, hat den Altersdurchschnitt der festen Fahrer auf rund 40 Jahre gesenkt. Davon ausgenommen einige Rentner, ohne die das Unternehmen Spitzen- und Fehlzeiten gar nicht ausgleichen könnte. Und natürlich Hartmut Pfaffendorf, der mit seinem Zug für den zweiten großen Auftraggeber, die Westfalia Intralog aus Herford, seit 16 Jahren im nationalen Fernverkehr unterwegs ist. Er freut sich besonders, wenn ihm am Freitag Jörg Schwerdtfeger genau zuhört und diesmal verspricht, mit dem Chef auch einmal über die Konditionen aus seinem uralten Arbeitsvertrag zu sprechen. "Einer langen Firmenzugehörigkeit steht bei uns eine recht geringe Fluktuation von zehn bis zwölf Prozent gegenüber", berichtet Zill. Natürlich stehen den Fahrern moderne, in der Leistung gleichwertige Fahrzeuge von Mercedes und MAN zur Verfügung, ausgestattet schon seit Verfügbarkeit mit Fahrsicherheitssystemen.

Doch wie es so im Alltag ist – praktische Einweisungen gab es aus verständlichem Grund bislang nicht. Mit Interesse hat Zill wahrgenommen, dass MAN nun anbietet, den Fahrern den richtigen Umgang mit dem Notbremsassistenten nahezubringen. Und so hat auch Werner Stoll mittlerweile den für ihn passenden Job gefunden, nachdem er zuvor bei einer Spedition war, die ihn ständig auf Ferntouren geschickt hat. "Ich habe einen kleinen Sohn, den ich regelmäßig sehen möchte", sagt Werner, der sich zum Zeitpunkt des Interviews noch in der Probezeit befindet. "Jetzt hat man mir eine passende Tagestour mit einem unserer 15 Sattelzüge gegeben, was mir einfach gut passt, um den Beruf nicht ganz dranzugeben." Schließlich gibt es noch eine sehr besondere Art, wohlverdienten Fahrern ganz besonderen Respekt zu zollen, erzählt Jörg Schwerdtfeger. "Sie fahren außer der Reihe mit unseren beiden Scania. Das haben sie sich gewünscht, und den Wunsch hat ihnen unser Chef erfüllt."
Zahlen und Fakten
Anschrift: Westfalen-Lippe Speditions- und Lagerhausgesellschaft mbH, Goebenstraße 64, 32051 Herford
Tel.: +49 (0) 52 21/2 75 88 20
Fax: +49 (0) 52 21/5 72 41
E-Mail: info@wl-spedition.de
Internet: www.wl-spedition.de
Gründungsjahr: 1935
Unternehmensgröße: Familiengeführtes konzernunabhängiges Transport- und Logistikunternehmen in der vierten Generation an zwei Standorten
Umsatz: 20 Millionen Euro
Schwerpunkt: Transportdienstleister für Logistik- und Paketdienste sowie Speditionen
Beschäftigte: 185 in Herford und Peine
Fahrer: 170 inkl. Aushilfen
Fuhrpark: insgesamt 105 ziehende Einheiten, davon 90 Wechselbrückenzüge und 15 Sattelzüge, je zur Hälfte von MAN und Mercedes-Benz mit 480 bis 500 PS (MAN TGX) und 450 bis 510 PS (Actros), dazu 2 Scania. Alle Fahrzeuge mit Fahrsicherheitssystemen und Fernverkehrsfahrerhaus, 100 Lafetten, 80 % von Krone, 18 Auflieger von Krone und Sommer
Eigene Werkstatt: Externe eigene Werkstatt in Herford (Quest Fahrzeugbau) mit 6 Mitarbeitern
Einsatzbereich der Fahrer: Linienverkehr und klassischer Fernverkehr
Fahrleistung der Lkw: Rund 320.000 km im Linienverkehr (Schicht), 120.000–150.000 km im Fernverkehr
Offene Stellen: Bewerbungen willkommen, Ausbildungsplätze vorhanden
Alle Angaben laut: Geschäftsführer Frank Zill