Blockabfertigung Behinderungen sind für Fahrer katastrophal

Blockabfertigung Lkw Kieferfelden Österreich Foto: Felix Jacoby 6 Bilder

Der Ton wird rauer zwischen manchen europäischen Nachbarn. Österreich und sein Bundesland Tirol blockieren neuerdings öfter die Transitstrecke für Lastwagen in Richtung Brenner.

Wir leben in einem Wirtschaftssystem, dessen Wohlergehen anhand ständiger Wachstumsraten beurteilt wird. Dass der Lastwagenverkehr durch das Wirtschaftswachstum und wegen des Kaufverhaltens vieler Konsumenten gleichzeitig zunimmt, hat wohl nicht jeder auf dem Schirm. Es treibt die Toleranz für den Gütertransport auf der Straße an die Grenzen. Jüngstes Beispiel dafür ist die Lkw-Blockabfertigung in Kiefersfelden, bei der Fahrer und Frächter zu Geiseln einer missglückten Verkehrspolitik werden.

Blockabfertigung Lkw Kieferfelden Österreich Foto: Felix Jacoby
Die deutsche Polizei muss an den Stautagen viele Einsatzkräfte dafür binden, um den Standstreifen und die Anschlussstellen frei zu halten. Zeitweise sind allein dafür bis zu 90 Beamte unterwegs.

Mehr als 90 Beamte der Polizei waren zeitweise im Einsatz

"Chaos auf A 8 und A 93" titelte der Bayerische Rundfunk Ende April, als Tirol mit einer neuen Maßnahme zur Dosierung der ins Land einfahrenden Lastwagen begann. Praktisch sieht die Maßnahme so aus, dass kurz hinter der deutsch-österreichischen Grenze eine mit Polizisten besetzte Zählstation auf der rechten Spur angelegt wird, während kleinere Fahrzeuge links vorbei gelassen werden. Ist die stündlich tolerierte Menge von 250 bis 300 Schwerfahrzeugen erreicht, wird die nachfolgende Lkw-Karawane bis zum Beginn der nächsten Stunde gestoppt. Diese Maßnahme nennt sich Blockabfertigung. Die Verantwortlichen wollten sie zunächst an 25 Tagen im Jahr in Kraft setzen. Besonders an besagtem Apriltag entstand dadurch eine irrwitzige Situation. Nicht nur auf der Inntalautobahn zwischen Rosenheim und Kiefersfelden gab es einen gigantischen Lastwagenstau, sondern auch je 15 Kilometer auf beiden Seiten der A 8 von München und Salzburg her. Mehr als 90 Beamte der Polizei waren zeitweise im Einsatz, um dieses Stauungetüm einigermaßen unter Kontrolle zu behalten.

Die Blockabfertigung wird in Österreich als großer Erfolg gefeiert. Auch Österreichs Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) nimmt dabei eine eher negative Haltung gegenüber dem Straßengüterverkehr ein. Worüber kaum jemand spricht, das sind die Opfer solcher Maßnahmen. Es sind in erster Linie die Fahrer, denen dabei wilde Wartezeiten zugemutet werden, ohne dass sie währenddessen entspannen können. Denn stündlich muss die gewaltige Kolonne Richtung Landesgrenze nachrücken. Die Pannenstreifen entlang der deutschen Autobahnen A 93 und A 8 werden dann zur Halteverbotszone ernannt und Ausfahrten und überfüllte Rasthöfe sperrt die Polizei ab. Außerdem gilt dann ein durchgehendes Überholverbot. Das Ergebnis ist ein schier endloser Stau auf der rechten Spur, in dem Fahrer sich selbst überlassen sind. Was ist mit menschlichen Bedürfnissen, wenn man rein rechtlich auf der Autobahn nicht einmal aussteigen darf? Was ist mit übermüdeten Chauffeuren, was passiert mit durch den Stau zwangsweise überschrittenen Fahrzeiten? Und wer macht sich überhaupt über die Leidtragenden, die Lkw-Fahrer, Gedanken? Kaum jemand! Stattdessen giften die Gegner des Straßengüterverkehrs im Internet gegen eine "Frächter-Mafia", der es nur um billige Transporte und die Vermeidung von Fahrten über die Bahnverladung geht. Endlich tue jemand etwas gegen die schrecklichen Lastwagen.

Die Hoffnung ruht auf dem Brennerbasistunnel

Dass Österreich auf dem Brennerkorridor schon vor Jahrzehnten entfernungsabhängige Lkw-Maut kassierte und dass damit Milliardengewinne erzielt wurden, möchte man lieber vergessen machen. Kaum eine Fernstraße in Europa ist so perfekt mit Lärmschutzwänden verkleidet wie die Inntalautobahn Kufstein – Innsbruck. Und als transeuropäische Transporte zu Zeiten des Wirtschaftswunders und vor der europäischen Vereinigung noch konzessioniert waren, hat sich die Tiroler Wirtschaft mit trilateralen Transportgenehmigungen für Verkehre zwischen Italien und Deutschland eine goldene Nase verdient. Gerne wiederholt wird auch die Forderung nach der Bahnverladung. Gerade wird die Rollende Landstraße für den begleiteten Lkw-Verkehr von Regensburg nach Trento wiederbelebt. Glaubt aber jemand ernsthaft, dass die Bahn jahrelang solche Waggons auf irgendwelchen Gleisen bereitgehalten hat, um sie bei plötzlichem Bedarf wieder in technisch gutem Zustand auf die Schiene zu bringen? Oder dass bei rund 200.000 Lkw-Fahrten pro Monat auf der Inntalautobahn das dann spürbare Auswirkungen hätte? Die Hoffnung ruht auf dem Brennerbasistunnel.

2026 sollen nach derzeitigem Stand die Züge dort rollen. Dieses Thema hängt aber irgendwie auch mit der Blockabfertigung zusammen. Denn nicht wenige Kommentatoren sehen die Blockademaßnahme als verärgerte Reaktion auf den mangelnden Ausbau der Gleiswege auf deutscher Seite zwischen Ingolstadt und Rosenheim, der die ehrgeizigen Eisenbahnpläne der Nachbarn noch lange hemmen wird. Ein Flaschenhals wird dabei die veraltete Strecke an Rosenheim vorbei sein, für deren Ausbau gerade erst über Planungsvarianten diskutiert wird. Und wie gegen fast alles hat sich auch da schon Protest formiert. Das "Bürgerforum Inntal" hält die alte Bahntrasse originellerweise wieder für ausreichend. Und dass die früher übliche Bahnverladung bei den Fahrern unbeliebt wurde, hat auch mit den verschlissenen und versifften Waggons zu tun, in denen die ruckelige Bahnfahrt als vermeintliche Pause verbracht werden musste. Gebetsmühlenhaft wiederholt wird auch die Annahme, dass Straßentransporteure keine höhere Korridormaut wollen, wie sie von Umweltpolitikern zwischen München und Verona gefordert wird. Dem liegt der verbreitete Denkfehler zugrunde, dass Mautzahlungen die utopischen Profite der Frächter schmälern, wogegen diese sich mit Händen und Füßen wehren würden. In Wahrheit sind die Margen im Fernverkehr zu lächerlicher Größe geschrumpft und steigende Mautkosten müssen eins zu eins an den Kunden und damit auch an den Endkonsumenten weitergegeben werden.

Blockabfertigung Lkw Kieferfelden Österreich Porträt GF Georg Dettendorfer Foto: Dettendorfer
Firmenchef Georg Dettendorfer: "Die Behinderungen durch die Blockabfertigung sind für die betroffenen Fahrer katastrophal. Und der wichtigste Alpenkorridor wird massiv eingeschränkt."

"Der wichtigste Alpenkorridor wird massiv eingeschränkt."

Die Leidtragenden sind die Fahrer und die Unternehmen, die im provozierten Stau landen und deren Aktivitäten durch die Blockabfertigung nahezu unplanbar werden. Georg Dettendorfer ist Geschäftsführer des gleichnamigen Transportunternehmens mit mehr als 200 Zugmaschinen und 400 Aufliegern, aber auch Vizepräsident der IHK (Industrie- und Handelskammer) für München und Oberbayern. Seine Lastwagenflotte ist nicht nur im Fernverkehr zwischen Italien und Deutschland im Einsatz, sondern auch im grenzüberschreitenden Nahverkehr. Er beschreibt die Folgen der Blockabfertigung so: "Das ist ein Desaster für den regionalen Wirtschaftsraum, der Warenaustausch wird vernichtet und behindert und der wichtigste Alpenkorridor wird massiv eingeschränkt. Unternehmen, die damit beschäftigt sind, verlieren jegliche Planbarkeit. In der Logistik übliche Zeitfenster zum Be- und Entladen lassen sich nicht mehr zuverlässig einhalten. Durch die neuen Maßnahmen der Tiroler haben wir an manchen Tagen Umsatzeinbußen von 30.000 Euro erlitten." "Außerdem wird mit teils unwahren oder unlogischen Argumenten Stimmung gemacht. So ist die oft geäußerte Annahme, dass jährlich bis zu 800.000 Umwegfahrten statt durch die Schweiz über den Brenner gehen, viel zu hoch.

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Und auch die Theorie, dass die Aktivierung des begleiteten Kombiverkehrs für Entlastung sorgen könnte, ist Augenwischerei, denn diese Züge würden wiederum für eine Verringerung der Kapazitäten im unbegleiteten Verkehr sorgen", sagt Georg Dettendorfer. Genervt sind viele Fahrer, die so zum Opfer einer missglückten Verkehrspolitik und nationaler Interessen werden. Franz Schwarzhausen aus Bad Griesbach: "Ich empfinde das als zusätzliche Schikane und unsere Kundschaft ist über die Verspätungen durch die Blockabfertigung genervt." Roger Gossweiler aus Augsburg: "Wir fahren Begegnungsverkehre mit Italienern, die Staus führen dabei zu massiven Lenkzeitproblemen. Wieder wird ein Problem auf unserem Rücken ausgetragen." Entlastung sollte Mitte Juni ein "Brennergipfel" als Gesprächsforum bringen, doch nach Absage des deutschen Verkehrsministers Scheuer sind die Österreicher verärgert. Ihre Reaktion: Die Androhung zusätzlicher Blockabfertigungen, schärferer Lkw-Kontrollen und die Androhung von Nachtfahrverboten auch für Euro-6-Lkw. Es wird also eher noch schlimmer werden und die Fahrer sind einmal mehr die Dummen. Das macht den Beruf noch unattraktiver, es wird den Fahrermangel weiter zuspitzen und damit auch unser Wirtschaftssystem schwächen.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
FF 08 2018 Titel
FERNFAHRER 08 / 2018
7. Juli 2018
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