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Versicherer kämpfen mit steigenden Kosten Höhere Prämien drohen

Foto: Jakub Krechowicz - stock.adobe.com

Die Versicherer kämpfen mit steigenden Kosten - Riskmanager Ralph Feldbauer erläutert, wie sich Flottenbetreiber schützen können.

Herr Feldbauer, neben Corona und Lieferkettenproblemen sowie Ukraine-Krieg haben es die Unternehmen jetzt mit extrem gestiegenen Preisen und einer Inflation zu tun. Wer denkt denn jetzt an die Versicherung?

Ralph Feldbauer: Hoffentlich auch die Unternehmer. Denn die Versicherungsbranche hat mit steigenden Schadenkosten zu kämpfen: Die Werkstattkosten sind gestiegen, Ersatzteile sind teurer und teilweise nicht lieferbar, die Fahrzeuge stehen also länger. In den vergangenen sechs bis neun Monaten haben sich bei gleichem Schadenbild im Nutzfahrzeugbereich die Kosten um bis zu 28 Prozent erhöht. Dies sehen wir über die Schadensanalyse in den Flotten. Damit erhöht sich der Aufwand für die Regulierung der Schäden durch die Versicherer. Gleichzeitig geht seit Frühjahr der Corona-Effekt zurück, es gibt also wieder einen höheren Verkehrseinsatz und eine deutlich steigende Schadenhäufigkeit.

Wie werden die Versicherer auf die Preisentwicklung reagieren?

Die Prämien werden generell auf Vorjahresdaten kalkuliert, in der Regel mit damaligen „normalen“ Inflationssätzen und durchschnittlichen Schadenkostenwerten. Das hat sich jetzt rasant geändert, es fehlt sachlogisch ein Ausgleich der Schadenkosten zu den kalkulierten Prämien. Die Versicherer haben alleine dadurch einen höheren Beitragsbedarf. Die größeren Flotten, die bei uns im Riskmanagement betreut werden, haben in Teilen schon Ansprachen des Versicherers in Richtung höhere Prämien oder vertragliche Beitragsanpassungsklauseln bekommen, die konsequent angewendet werden sollen. Besonders aber Flotten mit kritischem Schadenverlauf werden spürbar frühzeitig unterjährig angesprochen. Aus diesem Grund sollten Flotten, die ein gutes und fundiertes Riskmanagement betreiben, vorausschauend mit ihrem Versicherer oder Makler Gespräche zu Beitrags- oder Verlagsverlängerungen beginnen. Sie können sich damit ein weiteres Vertragsjahr mit Konditionen sichern, die sich für die Zukunft in weiten Teilen so nicht halten lassen werden.

Foto: Riskguard
Riskmanager Ralph Feldbauer erläutert, wie sich Flottenbetreiber vor Prämienerhöhungen schützen können.
Lässt sich prognostizieren, wie hoch die möglichen Preisaufschläge für Kfz-Versicherungen ausfallen werden?

Grundsätzlich gibt es Beitragsanpassungsklauseln, die sich im Regelfall an der Entwicklung der eingangs besprochen Schadenskosten orientieren. Wichtig zu wissen ist, dass es insbesondere im Flottengeschäft – je nach Größe des Fuhrparks – immer um eine schadensbedarfsgerechte Einzelkalkulation entlang der Kriterien der individuellen Flotte geht. Neben den grundsätzlichen Kriterien für die Beitragshöhe steht also wesentlich der individuelle Schadensverlauf und die daraus resultierende Rentabilität im Fokus. Zunehmend wird die Schadenhäufigkeit neben dem Schadenaufwand ein wesentlicher Aspekt. Und natürlich gibt es weitere Unterscheidungen wie einzelne Wirtschaftsbereiche, die Art der Fahreinsätze und mehr. Diese individuelle Kalkulation bietet aber den Unternehmen auch die positive Möglichkeit, die eigenen Schadenverläufe und die Rentabilität zu betrachten, zu bewerten, Schadenspräventionsansätze anzugehen und eben entsprechende Gespräche zu führen.

Warum wird die Schadenhäufigkeit aus Ihrer Sicht verstärkt betrachtet?

Aus Sicht des Riskmanagements ergibt sich für das Underwriting der Versicherer, dass sich dieser Punkt zu einem der Hauptkriterien in der echten Risikobewertung entwickelt. Denn der Schadenaufwand ist stark zufallsbedingt – ob beim Auffahrschaden der Gegner ein alter VW Polo oder eine teure, neue Mercedes-Limousine ist, ist Zufall. Der bei den Versicherern mehr erkannte Risikofaktor ist, wie oft es im Verhältnis zum individuellen Risiko zum Schaden kommt. Die bisherige schwerpunktseitige Betrachtung nach dem abgelieferten Schadensaufwand alleine verliert zusehends an Gewicht bei der Prämienfindung für die Zukunft.

Wie können sich Lkw-Flotten vor drastischen Aufschlägen schützen?

Die beste Vorgehensweise ist, so früh wie möglich ein eigenes Riskmanagement-Konzept zu erstellen. Denn jeder nicht eingetretene Schaden belastet weder das Unternehmen noch die Versicherer. Und hier sind die Potenziale zur Kostenreduktion enorm. Die bisherige Schadentransparenz ist dabei sehr wichtig. Weiterhin die Fragen: Wie steht es um die eigene Rentabilität beim bisherigen Versicherer wie viele Schäden – also die Schadenshäufigkeit – sind dort gelandet, welche Schadensaufwände wurden bezahlt, was steht noch in Reserve? Gibt es Schadensschwerpunkte nach Einsatzbereichen und Fahrzeugen? Welche Schadensarten führen bei mir im Fuhrpark die Rangliste? Diese Daten kann man zwischenzeitlich problemlos vom eigenen Versicherer oder Makler beziehen. Auch die Analyse von Schadenschwerpunkten ist wichtig. Darauf aufbauend kann man einen Riskmanagement-Plan und eine nachweislich fundiertes Konzeption erstellen, auch mit Unterstützung eines externen Anbieters. Nur mit dieser Basis macht es Sinn, dann in die Gespräche mit dem Versicherer zu gehen.

Reicht es für erste Gespräche schon, nur einen Plan vorzustellen?

Nein, natürlich nicht. Wenn man dem Versicherer schon erste Ansätze zu einem Riskmanagement zeigen kann und ihn gerne auch um Unterstützung und Berücksichtigung bittet, ist das schon mal ein guter Schritt, der auch Vertrauen in die nachhaltige Verbesserung der Flotte hinsichtlich des künftigen Schadensverlaufes schaffen kann. Noch besser ist natürlich, wenn man ein bereits ausgefeiltes Konzept vorstellen kann. Durch die vorhandene Transparenz ergibt sich auch ein weiterer wichtiger Aspekt: Sinnvoll ist häufig, Risiken, die man bisher gegen Entgelt versichert hat, mit in die Eigentragung zu nehmen.

Was aber klar gegen die Vollkaskomentalität geht …

…aber in Teilen durchaus signifikant Geld einsparen kann, vorausgesetzt, die Eigentragung stellt kein massives wirtschaftliches Risiko dar. Alleine die Veränderung der Selbstbeteiligung kann im Kaskobereich prämienmindernd wirken. Bei bestimmten Schadenspotenzialen im Fuhrpark, wie dem Thema Glasschäden, kann es besser sein, dies durch die eigene Werkstatt oder einen Rahmenvertrag mit einem Dienstleister zu lösen, statt eine aufwändige Glasschadendeckung beim Versicherer einzukaufen. Die Versicherer bieten zunehmend auch für andere Schadensarten modulare Bausteine an, in denen verschiedene Risikobereiche aus der Grunddeckung herauszunehmen sind. Innovative Versicherer bieten hier gezielte Vertrags- und Deckungsmodelle, die für beide Seiten einen hohen Mehrwert bieten.

Dennoch orientiert sich die Beitragshöhe ja auch an den Schadensverläufen. Was empfiehlt sich, um auf Nummer sicher zu gehen?

Wichtig ist, die eigenen Schadenverläufe zeitnah unter Kontrolle zu halten, sie also mindestens quartalsmäßig, etwa im Rahmen der Riskmanagement -Maßnahmen, zu evaluieren. Es lohnt sich, die Schadenkennzahlen im Unternehmen als mindestens genauso wertig zu betrachten wie die Spritverbräuche, die man ja auch regelmäßig prüft und im Fokus hat. Denn es gibt ja neben dem Versichertenanteil auch immer noch beträchtliche indirekten Kosten aus dem Schaden – beide zusammen sollten daher auch zu den Steuerungsinstrumenten von Geschäftsleitung und Führungsebene werden. Denn die meisten bösen Überraschungen entstehen aus der noch häufig vorhandenen Intransparenz auf der Schadensseite des Fuhrparks.

Gibt es Möglichkeiten, sich attraktive Konditionen auch über mehrere Jahre zu sichern?

Diese Mehrjahresverträge gibt es tatsächlich verstärkt am Markt, diese Planungssicherheit hängt aber auch an entsprechenden Voraussetzungen und Konditionen beziehungsweise Selbstbeteiligungen. Grundvoraussetzung von einigen Versicherern ist meist ebenfalls ein fundiertes Riskmanagement-Konzept, um die Verlaufs- und damit die Vertragskontinuität beidseitig sinnvoll zu sichern. Letztlich ist ein fest installiertes Riskmanagement-Konzept immer am günstigsten, denn dann ist man am besten vor allen Marktgegebenheiten gewappnet, weil man den eigenen Schadenverlauf durch die enge laufende Transparenz und die Ursachenermittlung bestens selbst einschätzen und damit häufig grundlegend gut auch beeinflussen kann.

Wie sehen Sie die aktuellen Marktgegebenheiten?

Die Versicherer haben wegen eines stagnierenden und zudem wettbewerbsintensiven Pkw-Marktes kaum Wachstumsmöglichkeiten, was die geplanten Beitragseinnahmen deutlich reduziert. Auch aus diesem Grund stehen jetzt die Flottenversicherungen wieder im Fokus. Um das unbestritten vorhandene Verlustrisiko aus Segment zu begrenzen, verbietet sich bei seriösem Vorgehen der Versicherer aber die reine Zeichnung im Interesse des Beitragsvolumens und der Größe. Professionelle Versicherer und damit langfristige verlässliche Partner unterstützen daher ihre Kunden – begleitend – finanziell oder mit zielführenden Vertragsmodellen – bei der Installation und bei der Umsetzung des unternehmenseigenen Riskmanagements, weil dadurch auch sie zum einen deutlich mehr Risikowissen und zum anderen messbar wenige Schadenaufwände – folglich auch eine positive Rentabilität sichern können. Es hilft damit beweisbar allen Beteiligten nachhaltig.

Zur Person

  • Ralph Feldbauer ist geschäftsführender Gesellschafter von Riskguard und berät Erst- und Rückversicherer, Institutionen, Verbände sowie namhafte Fuhrparks.

  • Der 52-Jährige war zuletzt seit 2015 Chef-Riskmanager bei der Allianz Deutschland und dort Leiter des Fachbereichs Riskmanagement Flotte.

  • Zuvor Fach- und Führungspositionen bei Erstversicherern, immer mit dem Schwerpunkt auf Risikotransfer und Risikoprävention. Der Franke baute auch ein Industriemakler-Unternehmen auf.

  • Seit einem Jahr stellt er seine Expertise auch dem Fachreferat Risk- und Schadenmanagement und Fuhrparkversicherung des Bundesverbands Fuhrparkmanagement (BVF) zur Verfügung.
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