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Spedition Roos verkauft operatives Geschäft Zeit für eine neue Ära mit Trawöger

Ehepaar Unser, Spedition Roos, Rupert Trawöger, Jürgen Lugstein Foto: Jan Bergrath

Das Ehepaar Unser hat keine Nachfolger und übergibt die Spedition Roos daher an den Unternehmer Jürgen Lugstein und die Trawöger-Gruppe. Eurotransport.de hat die Beteiligten zum Gespräch getroffen.

Das fachwerkähnliche Bürogebäude der Spedition Roos liegt, von der Straße kaum zu sehen, zwischen Wäldern und Baggerseen in der Nähe von Durmersheim, auf halber Strecke zwischen Rastatt und Karlsruhe. Es ist Sonntagmorgen, halb zehn. Unternehmer Jürgen Lugstein kommt zuerst zum Treffen, aus Karlsruhe, wo er mit seiner Frau Daniela wohnt. Kurz danach öffnet sich das schwere Eisentor zum Wohnsitz von Helmut Unser und seiner Frau Raphaelle Cuart-Unser, seit 1995 ebenfalls Geschäftsführerin. Seit 24 Jahren hat er mit ihr die Tankspedition zu einem erfolgreichen Unternehmen aufgebaut. Zu dritt stellen sie sich dem Gespräch mit trans aktuell. Anlass ist der Verkauf an Spediteur Rupert Trawöger und Lugstein.

Am 29. November wird Unser 60, das Paar hat keine Nachfolger. Daher sei es Zeit für eine neue Ära, einen Übergang in sichere Hände. Über ein Jahr liefen Gespräche. Ende Juli wurde bekannt, dass die Trawöger-Gruppe mit dem Unternehmer Jürgen Lugstein das operative Geschäft der Roos Spedition gekauft hat. "Die Chemie musste stimmen", sagt Unser. Lugstein ist nun am Standort Durmersheim Geschäftsführer für das operative Geschäft. "Für mich war es ein Sprung ins kalte Wasser", verrät er.

Von sieben auf 250 Lkw

Unser war in der Ausbildung zum Jetpilot, studierte Wirtschaftswissenschaften und fand 1985 bei der Spedition Hartmann in Muggensturm ins Speditionsgewerbe. 1990 stieg er mit einem Anteil von 50 Prozent bei der Tankspedition Roos ein. Damals waren es sieben Lkw, heute ist es eine Flotte von 250 Zugmaschinen sowie 300 Aufliegern und Containern. Roos fährt vor allem internationale Chemietransporte für Großkunden. Ein Standort befindet sich in Polen. In Tarragona gibt es eine weitere Niederlassung mit 50 Kofferzügen, die im Rahmen der Neustrukturierung aufgegeben wird. "Bei einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro sind wir profitabel", sagt Unser. "Wir verkaufen, weil wir Roos in sichere Hände geben wollen, um die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter für die Zukunft zu erhalten."

Jürgen Lugstein ist branchenfremd. Der 40-Jährige war in leitender Position für einen Importeur von Computerzubehör tätig und betrieb nebenbei Gastronomie und Autohäuser. "Mit Rupert Trawöger verbindet mich eine lange Freundschaft", sagt er. Mit 600 Planenzügen hat sich Trawöger vor allem im Transport nach England spezialisiert. "Die Synergieeffekte waren uns sofort klar", berichtet Lugstein. "Wir können nun vor allem den großen Chemiekunden im Rahmen der Ausschreibungen sowohl Tank- als auch Ladungsverkehre aus einer Hand anbieten, für Roos ergeben sich neue Möglichkeiten im Verkehr nach England."

Über den Kaufpreis wird geschwiegen

Über den Kaufpreis schweigen die Partner auf Zeit, aber nicht über den strategischen Plan der Übernahme. Zunächst hat das Ehepaar Unser die eigenen Fahrzeuge, die jeweils 54 Monate im Einsatz sind, sowie die immobilen Güter, die Assets, in eine dafür neu gegründete Holding übertragen. Trawöger und Lugstein wiederum haben mit je 50 Prozent Anteil ebenfalls eine Holding gegründet, die nun das operative Geschäft der Roos Spedition gekauft hat. Das Team der Roos-Mitarbeiter bleibt erhalten. "Ohne diese Top-Mannschaft wäre diese Zusammenarbeit nicht möglich", sagt Betriebswirt Lugstein.

Ob er in Zukunft Unser auch als Verkehrsleiter bei Roos ablösen wird, ist noch offen.
"Der Kauf der Fahrzeuge auf einen Schlag hätte für uns eine zweistellige Millionensumme bedeutet", erklärt Lugstein. Der Übergang der Lkw in den Besitz der neuen Holding wird nun in den kommenden drei Jahren anders abgewickelt: Der derzeitige Bestand wird zunächst vermietet. Jede neue Charge, die ausläuft, wird von Trawöger/Lugstein für das operative Geschäft der Spedition Roos in gleicher Stückzahl am Markt neu verhandelt. Der lokale Scania-Händler Knirsch sieht sich entsprechenden Neuverhandlungen gegenüber. Trawöger selbst setzt ausschließlich MAN-Lkw ein. Die Gesprächspartner lassen offen, für welche Marke die Entscheidung fallen wird.

Problem Fahrermangel

Das größere Problem, das sowohl Trawöger als auch Roos betrifft, ist der Mangel an guten deutschen beziehungsweise österreichischen Fahrern. Roos beschäftigt schon lange zuverlässige Fahrer aus Polen. Sie arbeiten nach dem Prinzip drei zu eins, drei Wochen fahren, eine Woche frei, manche Fahrer bevorzugen das Prinzip vier zu eins. "Für den internationalen Fernverkehr übers Wochenende sind trotz guter Bezahlung keine deutschen Fahrer mehr zu finden", sagt Unser. "Das neue deutsche Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen, ist eine neue Herausforderung", ergänzt Lugstein. "Zumal ADR-Fahrzeuge gar nicht unbewacht auf einem Parkplatz stehen dürfen, wenn wir den Fahrer unterwegs ins Hotel schicken."

Auch diese Herausforderung will Lugstein meistern, ein Architekt hat sich das bestehende Gebäude angesehen, um Ideen für einen Anbau zu entwerfen, in dem die Fahrer in einer geeigneten Schlafmöglichkeit untergebracht werden können. Für das Ehepaar Unser wiederum nähert sich nun der Tag, an dem sie endgültig loslassen können. "Wir haben noch viele Pläne außerhalb der bisherigen Work-Life-­Balance, die bislang mehr von der Arbeit bestimmt wurde", sagt ­Raphaelle Cuart-­Unser. Auf die Frage, ob dann in drei Jahren das schwere Eisentor für immer verschlossen bleibt, lächelt sie vielsagend. "Unser Haus hat auch eine Tür zur Straßenseite."

Foto: Übergabe: Helmut Unser und seine Frau Raphaelle Cuart-Unser haben das operative Geschäft der Spedition Roos an Jürgen Lugstein (links) und Spediteur Rupert Trawöger veräußert.

Das Unternehmen

  • 250 eigene Zugmaschinen, alles Scania, 300 Auflieger und Container, Standort in Polen und (noch) in Spanien
  • 420 Mitarbeiter, davon 330 Fahrer, 15 aus Deutschland. Umsatz 50 Millionen Euro. Zu über 95 Prozent eigene Kundschaft aus der Chemie
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