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Schneller zu neuen Verkehrswegen Ausbau im Deutschland-Tempo

Foto: Gerhard Seybert-stock.adobe.com

Schneller planen und genehmigen – das Deutsche Verkehrsforum (DVF) begrüßt das beschlossene höhere Tempo, um Straßen und Schienenwege auf Vordermann zu bringen. Was nun konkret passieren muss, erläutert DVF-Geschäftsführer Dr. Florian Eck.

Deutsche Gründlichkeit hat ihren Preis: Bis Bauprojekte sauber geplant und vorschriftsmäßig genehmigt sind, vergehen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Das soll sich ändern: Die Ampelregierung will schneller werden und prägt dafür einen Begriff, der schon zum geflügelten Wort wurde: das neue Deutschlandtempo.

Konkrete Beschleunigungen beschloss die Ampel bereits für Energieanlagen – zuerst für Offshore-Anlagen, später auch für Anlagen an Land. Plötzlich – so registrierten viele – ist es möglich, ein LNG-Terminal in Wilhelmshaven innerhalb von nur einem halben Jahr fertigzustellen. Ein höheres Tempo fordern viele nun nicht nur bei der Energie-, sondern auch bei der Verkehrsinfrastruktur. Denn ein wachsender Güterverkehr trifft auf ein überlastetes Verkehrsnetz: Straßen und Schienenwege sind in die Jahre gekommen, Brückenbauwerke marode.

Gesagt, getan: Ende März verständigte sich die Koalition in ihrem Modernisierungspaket darauf, bei der Umsetzung von Verkehrsprojekten ebenfalls das Tempo zu erhöhen – und zwar bei Schiene und Straße. Laut Koalitionsvertrag hätten nur Bahnprojekte und Brücken von einer höheren Geschwindigkeit profitiert, nicht aber Autobahn-Nadelöhre. Zuvor hatte auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vehement für schnellere Verfahren auch für die Straße geworben. Er stützt sich in seiner Argumentation auf eine neue Langfristprognose seines Hauses, wonach der Lkw der Hauptlastenträger beim stark wachsenden Güterverkehr bleibt.

So viele Autobahnprojekte sollen beschleunigt werden

Insgesamt 148 Autobahnprojekte sollen nach dem Willen der Ampel nun beschleunigt geplant und genehmigt werden. Das stößt beim Deutschen Verkehrsforum (DVF) auf Zustimmung. Das DVF mit Sitz in Berlin vertritt Organisationen, die auf alle Verkehrsträger setzen. „Bei den 148 Vorhaben handelt es sich um Engpassprojekte, bei denen kein Zweifel besteht, dass sie vordringlich umgesetzt werden müssen, um die Mobilität und die Leistungsfähigkeit des deutschen Autobahnnetzes sicherzustellen“, erklärt DVF-Geschäftsführer Dr. Florian Eck im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell.

Doch was ändert sich nun konkret? Die betreffenden Autobahnabschnitte trugen ja schon bisher das Etikett „eilig“, schließlich waren sie in den Ausbaugesetzen des aktuellen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) bereits als prioritär gekennzeichnet. „Die Strecken wurden als prioritär angesehen“, bestätigt Eck – indem sie als „vordringlich“ oder als „laufend und fest disponiert“ eingestuft waren. „Die Zuordnung ‚prioritär‘ bezog sich bisher aber nicht auf die Planungs- und Genehmigungsverfahren“, erklärt der 56-Jährige. Das ändere sich nun, indem die Bauprojekte in diesen 148 Abschnitten als im überragenden öffentlichen Interesse liegend und der öffentlichen Sicherheit dienend bezeichnet werden, was Einwände in den Verfahren erheblich erschweren soll. Dieser Status soll auch bis zu 64 Schienenprojekten verliehen werden.

Foto: Deutsches Verkehrsforum/Erika Borbely Hansen
Dr. Florian Eck, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums (DVF), im Gespräch mit trans aktuell-Chefredakteur Matthias Rathmann. „Zusätzliche Mittel bringen nur dann einen Nutzen, wenn sie mit einer finanziellen Planungssicherheit über viele Jahre verbunden sind“, sagt der DVF-Chef.

Eine weitere beschleunigte Planung verspricht sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag zum Beispiel von einer engeren Verzahnung zwischen Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren. Das DVF spricht sich auch für eine Stichtagsregelung mit Blick auf das materielle Umweltrecht aus. Bis zu diesem Stichtag sind Änderungen im Bereich der Umweltstandards oder des Rechtsrahmens zu berücksichtigen und Einsprüche möglich, anschließend nicht mehr. Ein Verfahren müsste also nicht immer wieder neu aufgerollt werden, wenn sich umweltrechtlich etwas nach dem Tag X ändere. „Dieser Redaktionsschluss wirkt sofort. Wenn es uns darüber hinaus gelingt, hier einheitliche handhabbare Standards im Umweltrecht zu schaffen, wäre das ein großer Wurf und brächte in der Planung einen erheblichen Zeitvorteil – je nach Projekt sogar von einigen Jahren“, sagt DVF-Geschäftsführer Eck.

Auch in puncto Genehmigungen gibt es laut DVF Hebel für ein höheres Tempo. Die Ampel regt zum Beispiel eine integrierte Prüfung an, wonach Länder und Gemeinden im Schulterschluss agieren und entscheiden. „Es gibt schon heute viele Möglichkeiten, auf Verfahrensteile zu verzichten, um die Genehmigungen zu beschleunigen“, sagt Florian Eck. „Aber häufig fehlt den Behörden der Mut – es könnte hinterher bemängelt werden.“

DVF fordert Beschleunigung für alle Infrastrukturprojekte

Dass nun von der A1 bis zur A99 bundesweit für zwölf Dutzend Autobahn-Vorhaben das Deutschland-Tempo gelten soll, macht den Verantwortlichen im DVF Hoffnung. Das könne jedoch nur der Anfang sein, heißt es. Verbandsmann Eck fragt, warum es bei diesen Pilotvorhaben bleiben soll. „Wir hätten uns für alle Infrastrukturprojekte ein allgemeines Bekenntnis zur Beschleunigung gewünscht“, sagt der Volkswirt und promovierte Ökonom. Vor allem die Wasserstraße werde eher nachrangig behandelt.

Für die Schiene scheint das nun gegeben. Bei diesem Verkehrsträger ist – explizit auch im Güterbereich – der Leidensdruck angesichts der unzureichenden Pünktlichkeit, der vielen Baustellen und rückläufiger Verkehre bei DB Cargo hoch wie nie. Daher begrüßt das DVF die beschlossene Finanzspritze von 45 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027 in die Schiene, obgleich das für Transport- und Logistikunternehmen erst mal mit einer höheren Lkw-Maut einhergeht. Sie sollen über den CO2-Aufschlag einen guten Teil dieser Mittel für die Schiene erwirtschaften.

Dass Spediteure ein Akzeptanzproblem haben, wenn die Mittel nicht mehr 1:1 zurück in die Straße fließen, glaubt Eck aber eher nicht. Viel wichtiger sei es, zu garantieren, dass die zusätzlichen Mittel für den Verkehr „on top“ zur Verfügung stehen. Denn werden analog die Haushaltsansätze abgeschmolzen, wäre es beim Investitionsvolumen ein Nullsummenspiel.

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Die Schiene Korridor für Korridor zu sanieren und gleichzeitig zu modernisieren, wie es Minister Wissing vorschwebt, hält das DVF für den richtigen Ansatz. Indem die Hauptmagistralen mit neuester Signaltechnik und weiteren Weichen versehen werden, werden sie auch „baustellenfähiger“. Es reicht dann später, bei Bedarf kürzere Teilstrecken zu sperren, weil die Weichen und die neue Signaltechnik den Umleitungsbetrieb erleichtern. Damit halten sich die Beeinträchtigungen in Grenzen. Gleichzeitig gelte es, die Ausweichstrecken zu ertüchtigen und zu elektrifizieren, fordert Verkehrsexperte Eck. Dankbar ist er auch über viele weitere geplante konkreten Einzelmaßnahmen, die der Schiene einen Schub verleihen sollen. Dazu zählen Automatisierung und Digitalisierung – sei es die Ausrüstung von Waggons mit der digitalen automatischen Kupplung oder der Loks mit der Signaltechnik ETCS, wofür es sogar Fördermittel zur Nachrüstung geben solle.

45 Milliarden Euro für die Schiene

Die 45 Milliarden Euro könnten die Schienenwege auf ein anderes Level heben, so die Überzeugung des DVF. Allerdings – und hier schließt sich der Kreis – könnten zusätzliche Mittel nur einen Nutzen stiften, wenn der Bund es ernst meine und bei Planung und Genehmigung wirklich aufs Tempo drücke. Oft sei der Fall eingetreten, dass die Genehmigungen zu lange auf sich warten ließen und die Planung wieder zunichtemachten. Also konnte das Haushaltsgeld nicht abfließen.

„Ein Teufelskreis, den wir unbedingt durchbrechen müssen“, fordert Geschäftsführer Eck. „Zusätzliche Mittel bringen nur dann einen Nutzen, wenn sie mit einer finanziellen Planungssicherheit über viele Jahre verbunden sind“, sagt er. Eine Finanzierungsvereinbarung, wie es sie für die Schiene bereits gibt, schaffe diese Planungssicherheit. Das DVF würde sich ein solches Modell – oder noch besser eine Fondslösung – auch für Straße und Wasserstraße wünschen. „Wir brauchen eine langfristige Sicherheit und Verbindlichkeit“, betont Eck. Nur dann könnten auch Bauunternehmen planen, investieren, Leute einstellen und Maschinen anschaffen. Und nur dann kann das Deutschlandtempo im Verkehr auch Realität werden.


Der Infrastrukturkonsens

  • In ihrem Modernisierungspaket vom März bekräftigen SPD, Grüne und FDP ihren Willen zu einem neuen Infrastrukturkonsens bei den Verkehrswegen in Deutschland. Das Deutsche Verkehrsforum begrüßt dieses Bekenntnis. Damit werde der „Dauerkonflikt“ beendet, dass Verkehrsträger beziehungsweise Vertreter eines Verkehrsträgers gegeneinander kämpften, um das Maximale an Investitionsmitteln zu erhalten.
  • Was aber bedeutet ein Infrastrukturkonsens konkret? Es handelt sich um einen Dialogprozess, zu dem das Bundesverkehrsministerium (BMDV) eine Vielzahl an Akteuren aus den Bereichen Verkehr, Umwelt, Wirtschaft und Verbraucherschutz einbindet und anhört. Ziel ist eine gemeinsame Verständigung auf Prioritäten bei der Umsetzung des aktuellen Bundesverkehrswegeplans (BVWP). Nach diesem Vorbild und auf Basis neuer Kriterien will das BMDV dann einen BVWP-Nachfolger auf den Weg bringen – den sogenannten Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040. Wie im Modernisierungspaket zu lesen ist, wurden bereits 150 Organisationen und Verbände angehört.
  • Begonnen hat der Infrastrukturdialog laut BMDV mit einer Auftaktveranstaltung im Dezember 2022, fünf Folgeveranstaltungen sollen voraussichtlich bis Anfang 2024 folgen. Auch der BVWP 2030 hatte einen langen Vorlauf – nämlich von fünf Jahren. Er gibt für den Zeitraum von 2016 bis 2030 die Marschroute bei den anfallenden Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen sowie bei Aus- und Neubauprojekten auf Schiene, Straße und Wasserstraße vor.
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