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Schiffe meiden das Rote Meer weitläufig Die Kosten für Seecontainer explodieren

NUR ZUM EINMALIGEN GEBRAUCH, Large cargo container ship arriving in port Foto: Adobe Stock - xy

Containerschiffe fahren wegen der Huthi-Angriffe im Roten Meer Umwege. Die Preise für Fracht und Container steigen deswegen. Auch die CO2-Bilanz leidet – was aktuelle Berechnungen von Shippeo belegen.

Angriffe auf Frachtschiffe im Roten Meer durch die Huthi-Rebellen aus dem Jemen – welche Folgen hat das für die Logistikbranche? Nach Angaben des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (ifw) war bereits im Dezember 2023, also wenige Wochen nach den ersten Angriffen, die im Roten Meer transportierte Menge an Containern um über die Hälfte eingebrochen. Als Folge seien Frachtkosten und die Transportzeit im Warenverkehr zwischen Fernost und Europa angestiegen.

Umweg über das Kap der Guten Hoffnung

Denn statt durch das Rote Meer fahren die Schiffe nun um Afrika und das Kap der Guten Hoffnung, der Umweg nehme sieben bis 20 Tage in Anspruch. „Die verlängerte Fahrzeit hat die Frachtraten deutlich erhöht. Der Transport eines 40-Fuß-Standardcontainers zwischen China und Nordeuropa kostet aktuell über 4.000 US-Dollar. Noch im November waren es rund 1.500 US-Dollar“, heißt es seitens des ifw.

Frachtraten bis zu plus 300 Prozent gestiegen

Nach Angaben von Shippeo, Dienstleister für Echtzeit-Transporttransparenz, sind die Frachtraten pro Container teilweise um mehr als 300 Prozent gestiegen. Auch die Auslastung der Schiffe müsse neu geplant werden. Wegen des längeren Transportwegs können sie demnach nicht, wie ursprünglich geplant, an einem bestimmten Hafen neue Ware aufnehmen. Gegebenenfalls müssten sie Waren umladen, wobei wiederum Zeit und Zusatzkosten entstehen können. Zudem verschlechtert sich die CO₂-Bilanz immens. Ein 40-Fuß-Container auf der Strecke Shanghai–Antwerpen verursache in der Regel zwei Tonnen CO₂. Infolge des Umwegs erhöhe sich der Wert um 600 Kilogramm pro Container, so Shippeo. In Europa werden daher mehr CO₂-Zertifikate benötigt. Das treibe die Transportkosten noch weiter in die Höhe.

Sicherheit der Seeleute im Blick

Das Hamburger Reederei-Unternehmen Hapag-Lloyd leitet bereits seit Dezember keine Schiffe mehr über die Route durch den Suez-Kanal. „Die Sicherheit unserer Seeleute hat für uns oberste Priorität“, sagt ein Sprecher auf Anfrage von trans aktuell. Der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung war zuletzt 2021 notwendig, nachdem das Frachtschiff Ever Given über Wochen im Suez-Kanal feststeckte. „Je nachdem, woher das Schiff kommt und wohin es fährt, bedeutet dieser Umweg für Hapag-Lloyd eine längere Fahrzeit von eineinhalb bis drei Wochen. Die Mehrkosten für uns liegen jeden Monat im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“.

„Als Folge sind natürlich die Frachtraten auf einigen Wirtschaftslinien nach oben gegangen – eine Folge des Themas Angebot und Nachfrage. Wie sich die Raten weiter entwickeln, darüber lässt sich bislang nur spekulieren“, sagt der Sprecher. Ein Krisenstab der Hapag-Lloyd analysiere kontinuierlich die Lage und spreche darauf ausgerichtet Empfehlungen aus. Eine kurzfristige Lösung des Problems sei jedenfalls nicht zu erwarten und selbst wenn – Hapag-Lloyd habe inzwischen sein Servicenetz entsprechend angepasst, eine Rückkehr zum Normalzustand sei nicht so schnell umzusetzen. „Die Situation ist nach wie vor besorgniserregend“, so der Sprecher.

Werden Container knapp?

„Der Markt geht davon aus, dass insbesondere in Europa, das auf der Empfängerseite von Importcontainern aus dem Nahen Osten, Indien, Südostasien und China steht, die Containerknappheit zu einem Anstieg der Containerpreise und des Marktes führen wird“, so eine Analyse von Christian Roeloffs, Mitbegründer und CEO der Containerplattform Container xChange. Ein konsistenter Preistrend sei auch beim Anstieg der Frachtraten zu beobachten, vor allem auf den wichtigsten Ost-West-Korridoren. Betroffen seien etwa 1,4 bis 1,77 Millionen TEU an Kapazität, was fünf bis sechs Prozent der Gesamtkapazität des Marktes entspräche. Die Frage, die sich laut Roeloffs stelle, sei, wie lange dieser Umstand anhalte und wann die Seestreitkräfte, insbesondere aus Ägypten, Großbritannien, Frankreich und den USA, die Kontrolle über die Sicherheit im Roten Meer übernehmen werden.

HHLA stellt sich auf weitere Verspätungen ein

Der Hafen Hamburg sieht wie die meisten Beteiligten ein längerfristiges Problem. „Die HHLA stellt sich weiterhin darauf ein, dass die Dienste aus Fernost und dem Mittleren Osten den Hamburger Hafen in den nächsten Wochen verspätet erreichen. Die Terminals der HHLA werden ihre ursprünglich geplante Abfertigung der Schiffe dementsprechend anpassen“, sagt ein Sprecher des Unternehmens gegenüber trans aktuell. „Wir sind mit unseren Kunden im engen Austausch, um mögliche Verzögerungen so gering wie möglich zu halten. Da aktuell noch nicht abzusehen ist, wie lange die Situation andauern wird, prüfen wir kontinuierlich den Status quo und passen unsere Maßnahmen entsprechend flexibel an.“

Auch die international tätigen Logistikdienstleister sind aktiv geworden, Kühne + Nagel etwa: „Unsere Erwartung ist, dass dies noch einige Zeit andauern wird. Denn selbst wenn die Bab al-Mandeb-Straße, die Meerenge im Roten Meer, ab heute sicher für den Transit wäre, gehen wir davon aus, dass es mindestens zwei Monate dauern würde, bevor die Schiffe wieder normale Rotationsmuster annehmen könnten“, sagt Michael Aldwell, Executive Vice President Sea Logistics bei Kühne+Nagel.

Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage

Laut einer Sprecherin des Schweizer Logistikdienstleisters werden aktuell etwa 90 Prozent der Containerfrachtschiffe, die normalerweise das Rote Meer durchquert hätten, um das Kap der Guten Hoffnung umgeleitet. „Diese längere Route erfordert mehr Schiffe, wodurch die Reedereien Kapazitäten von anderen Routen umverteilen, was die Bereitstellung zwischen Asien und Europa beeinträchtigt.“ Laut der Sprecherin werde das resultierende Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage in den betroffenen Handelsrouten zu einem Anstieg der Frachtpreise auf dem Seeweg führen, selbst auf Strecken, die auf den ersten Blick nicht direkt von diesen Umleitungen betroffen zu sein scheinen. Kühne+Nagel könne über seine Echtzeitkommunikation aber mit den Transportpartnern und den Reedern schnell reagieren und die Lieferketten seiner Kunden im Falle von Umleitungen anpassen: „Unser Engagement besteht darin, Störungen in den Lieferketten unserer Kunden zu minimieren und umfassende Unterstützung während dieses Prozesses zu bieten“.

Probleme führen zu Rückgang der Containerverkehre

Die Probleme schlagen sich auch auf den Containertransport auf der Straße nieder. Laut Henning Eggers, Bereichsleiter Vertrieb und Marketing bei dem Hamburger Transportunternehmen IGS Schreiner, stagniert das Mengenniveau im Bereich der Containerverkehre ohnehin auf einem niedrigen Niveau. „Die kurzfristige Umstellung der Schiffsrouten, die nun gut 6.000 Kilometer Umweg, fahren, was circa zehn Tage länger dauert, führt zunächst zu ausbleibendem Volumen im Import“, sagt Eggers gegenüber trans aktuell.Das erfordere – sofern möglich – eine neue Planung der Exportverladungen. Unter dem Strich bleiben vorerst aber vorhandene Kapazitäten ungenutzt – was aus unternehmerischer Sicht immer unbefriedigend sei.

Geänderte Prozessabläufe bei den Kunden

Die Verzögerung bringe laut Eggers die Prozessabläufe manches Kunden ins Wanken und führe teilweise sogar zu Produktionsausfällen oder -verschiebungen. Daher würden einige Kunden versuchen, so früh wie möglich an die gewünschten Waren und Container zu kommen. Oder sie lassen zumindest prüfen, ob es möglich ist, die Container in einem anderen Hafen – also dem „first call" auf der Reise nach Europa – bereits zu löschen, um einige Tage in der Transportkette aufzuholen. „Dieses prüfen wir mit und für unsere Kunden und koordinieren, sofern gewünscht, dann die entsprechenden Transporte“, sagt der Transportexperte.

Der Konflikt

  • Der Huthi-Konflikt begann 2004 mit dem Aufstand der Huthi-Rebellen gegen die jemenitische Regierung. Der bewaffnete Konflikt dauert seitdem an. Seit Mitte November haben die Rebellen mehr als zwei Dutzend Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer verübt, angeblich als Vergeltung für die Angriffe auf Gaza und die Palästinenser.
  • Als Reaktion auf die fortgeführten Angriffe der Huthi auf Schiffe auch der Handelsschifffahrt haben die Streitkräfte der Vereinigten Staaten und Großbritanniens mit Unterstützung der Niederlande, Kanadas, Bahrains sowie Australiens Mitte Januar Vergeltungsschläge gegen eine Reihe von Zielen in von den Huthi kontrollierten Gebieten im Jemen durchgeführt.
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