Der Scania-Kipperzug von Finkel Recycling aus Hirblingen ist ein herausragendes Einzelstück. Sowohl seine Technik wie auch seine Ausstattung sind höchst speziell.
Die eine Gattung von Supertrucks lässt ihre Außerordentlichkeit schon von Weitem durch spektakuläre Lackbilder erkennen. Bei der anderen hingegen muss man erst zweimal hinschauen, um zu erkennen, wie weit sie den serienmäßigen Standard übertreffen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Scania S 730, den Matthias Greinbold fährt. Von der Augsburger Gegend aus ist er im Fernverkehr unterwegs, um spezielle Materialien der Wiederaufbereitung zuzuführen. Der Sattelzug ist schon vom Fahrzeugbau her etwas ziemlich Besonderes: Auf dem Aufliegerchassis ist ein Wechselsystem montiert, mit dem sich verschiedene Plattformen dank ausklappbarer Stützbeine abstellen und aufnehmen lassen.
Lastzug kann sich auch jederzeit selbst be- und entladen
Auf der am meisten genutzten Einheit wurden ein Palfinger-Greifkran und eine kippbare 50-Kubik-Stahlmulde montiert. Aber wenn schwere Güter zu bewegen sind, lässt sich stattdessen auch eine offene Lastpritsche mit Rungen und reichlich Zurrpunkten aufsetzen. So etwas gibt es nicht von der Stange. Dieser Auflieger wurde von Lück Fahrzeugbau aus Freudenberg, der jetzt zum belgischen Hersteller Stas gehört, vor rund sechs Jahren auf die Räder gestellt. Und diejenigen, die den Auflieger von Finkel konstruiert haben, firmieren heutzutage unter dem Namen Kloos Fahrzeugbau in Wilnsdorf. Das Konzept hat den Vorteil, dass sich der Lastzug auch jederzeit selbst be- und entladen kann, ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Das Recyclingunternehmen wurde vor 25 Jahren von Andreas Finkel gegründet. Heute leitet er das Unternehmen, für das mehr als 30 Lastwagen im Einsatz sind, gemeinsam mit seinem Sohn Christian. Es gibt verschiedene Tätigkeitsschwerpunkte, unter anderem eine riesige Brechanlage, einen Schrotthandel sowie Kies- und Sandgruben.
Eine Spezialität ist die Rücknahme ausgedienter Bahnschwellen, wenn Gleiskörper zu erneuern sind. Die werden aus der gesamten Republik zum Firmenstandort geholt, um dort entweder wiederaufbereitet oder – bei schlechtem Zustand – zu Schotter und Kies zermahlen zu werden. Das ist meist auch die Aufgabe von Matthias, der seit 2004 als Fahrer bei Finkel beschäftigt ist. Er hat mal den Beruf des Industriemechanikers erlernt, aber seit er als Jugendlicher bei jeder Gelegenheit seinen Onkel im Lastwagen begleitet hatte, war sein Traumberuf schon lange klar. Die ersten von ihm gelenkten Fahrzeuge waren noch gewöhnlich, doch schon den MAN TGX, der zeitgleich mit dem Auflieger im Jahr 2012 geliefert wurde, verschönerte der Fahrer mit Liebe zum besonderen Lastwagen. Manchen Kunden ist es gleichgültig, welches Fahrzeug zum Liefern kommt. Aber der Firmenchef bemerkte, dass es auch Kunden gibt, die auf verschönerte Lkw mit ehrlicher Freude reagieren. Damit wirbt man nicht nur für das Unternehmen, sondern zieht auch Fahrer an, die sich für gepflegte Arbeitsgeräte begeistern. Und so ließ sich der Chef zu einem neuen Lastwagen-Projekt überreden, das dem Fuhrpark ein höchst außergewöhnliches Flaggschiff bescherte.
Auf diesen Lastwagen sind Fahrer und Chef gleichermaßen stolz
Durch seinen Freund und Kollegen Martin Lindner, einen Steiermärker, der auf Sizilienverkehre spezialisiert ist, war Matthias auf den Trucktuner Armin "Minski" Ofner aufmerksam geworden. Der war früher selber Transportunternehmer, sein legendärer Scania-Hängerzug "la mia passione" trug zuletzt Tausende von LED-Leuchten als Schmuck. Seit einigen Jahren verwirklicht der Österreicher in seiner Werkstatt in Neumarkt außergewöhnliche Projekte, deren Zutaten komplett aus eigener Fertigung stammen. Seine Bandbreite reicht vom Innenraumumbau bis zu der Maßfertigung von Edelstahlschmuck und stilvoller Extrabeleuchtung. Diese Form des Kunsthandwerks hat ihren stolzen Preis, liefert aber auch herausragende Qualität. Und es gibt immer wieder Lastwagenfreunde, die sich weder von den Kosten noch von den langen Wartezeiten abschrecken lassen. So dauerte der Umbau der Sattelzugmaschine nicht weniger als fünf Monate, in denen Minski seine gestalterischen Fantasien mit großer Liebe zum Detail verwirklichen konnte. Und wer sich die Mühe macht, genauer hinzuschauen, wird mit einer schier unglaublichen Fülle an Raffinessen belohnt. Das beginnt außen an der Kabine, wo sich nach Maß geformte Edelstahlrohre an die Kanten des Fahrerhauses schmiegen. Statt des sperrigen Spiegels oben rechts über der Frontscheibe gibt es hier nur eine kleine Kamera, die den toten Winkel auf einen Monitor am Armaturenbrett überträgt. Seitenverkleidungen und Spoiler tragen Edelstahlschmuck mit eingelaserten Schriftzügen. Und zahlreiche LED-Strahler als Arbeitsscheinwerfer tauchen bei Nachtverladungen die Umgebung des Sattelzugs in gleißendes Licht.
Stark sieht auch die zusätzliche Stoßstange an der unteren Front des Scania aus. Selbstverständlich gibt es einen eleganten Stahlträger für die Luftschläuche und Kabel, die mit Stoffüberzügen gegen das Verheddern bei enger Kurvenfahrt geschützt sind. Die Schneeketten haben ein eigenes Staufach in der Hecktraverse. Und in der Dunkelheit erleuchten unzählige LED-Lämpchen die Silhouette des weißen S 730. Unglaublich ist auch der Aufwand, mit dem die Kabine innen veredelt wurde. Minski hat sie komplett zerlegt und mit neuen Seiten- und Rückwänden ausgestattet. Oben ist das Bett jetzt knapp einen Meter breit. Ein TV-Monitor ist versenkt in die Wand montiert, lässt sich aber praktisch ausklappen. Eine fette Stereoanlage mit gewaltigen Bassboxen und raffinierte Leuchten und Edelstahlteile runden die Ausstattung ab. Auf diesen Lastwagen sind Fahrer und Chef gleichermaßen stolz. Zu Recht!
Technische Daten:
Truck: Scania S 730 4x2
Erstzulassung:7/2017
Leistung: 730 PS
Laufleistung: 100.000 km
Trailer: Lück-Wechselsystem mit Kran und Kippmulde
Eigentümer: Finkel Recycling, Hirblingen
Fahrer: Matthias Greinbold
Interieur/Exterieur: minski.at
Soundsystem/Kameras: Styria Customs
Aufgabengebiet: Transport von Sekundärrohstoffen