Mercedes-Benz löst mit einem Brief an seine Speditionspartner einen Sturm der Entrüstung aus. Ein Kommentar von eurotransport.de-Chefredakteur Matthias Rathmann.
Die Zeche zahlt der Verbraucher. Das galt für die Transport- und Logistikbranche in Zusammenhang mit der Mauterhöhung von vornherein als ausgemacht. Die Annahme: Die Gebühr wird weitergereicht, zuerst an den Verlader, dann an den Endkunden. Die Wirtschaft wird damit um jährlich 7,6 Milliarden Euro belastet – in Zeiten der Rezession und der Inflation nicht schön, aber unvermeidbar. Die Regierung hat es so gewollt. Alle Appelle, das Vorhaben zu verschieben, verhallten.
Misslingt es, die CO2-Maut zu verschieben, muss zumindest die Weitergabe der Gebühr gesichert sein – so das Credo der Speditionen. Ihre Situation ist so angespannt, dass sie nicht darauf sitzen bleiben können. Also zog auch der BGL mit einer groß angelegten Kampagne alle Register, um Verbraucher und Öffentlichkeit zu sensibilisieren. „Die Mauterhöhung macht Ihren Einkauf mehrere Hundert Euro im Jahr teurer“, steht zum Beispiel in Großbuchstaben auf Trailern, die mit Motiven der #mauteverest-Kampagne verziert sind. Auch die anderen Branchenverbände wie DSLV und BWVL waren entsprechend aktiv.

Doch was passiert nun? Die Maut kommt womöglich gar nicht erst beim Verbraucher an. Zu groß ist die Angst davor, dass sich der Produktpreis verteuert und der Kunde zum Wettbewerbsprodukt greift – das sich nach allen Regeln des Marktes eigentlich auch verteuern müsste. Der Fahrzeugbauer Mercedes-Benz befürchtet hier offenbar besonders negative Effekte – stellt sich die Situation für die Pkw-Marke im Rahmen der Luxusstrategie derzeit ohnehin nicht so rosig dar. Der Absatz stagniert, und die chinesischen Hersteller sind auf dem Vormarsch, ihre E-Autos gut ausgestattet und günstiger.
Daher scheut das Unternehmen zurzeit alle zusätzlichen Lasten und lehnt eine vollumfängliche Übernahme der Lkw-Maut ab – jedenfalls für verschiedene Linien. Damit hätte wohl kaum jemand gerechnet. Speditionen und Werkverkehre waren darauf eingestellt, um die Maut auf die unvermeidbaren Leerkilometer kämpfen zu müssen. Eine Erstattung der CO2-Maut für die gefahrenen Lastkilometer galt jedoch als gesetzt. Denn auch Speditionen haben sich diese Gebühr ja nicht ausgesucht, sondern müssen sie für den Staat eintreiben.
BGL: Das ist nicht fair, Herr Källenius!
Entsprechend laut und heftig fiel der Aufschrei nach einem entsprechenden Schreiben von Mercedes-Benz an dessen Speditionspartner aus. Der BGL positionierte sich gleich entsprechend. „Das ist nicht fair, Herr Källenius!“, erklärte Verbandschef Dirk Engelhardt in einem Linkedin-Post. „Die CO2-Maut muss jeder Verlader zahlen – auch und erst recht Mercedes!“ Die Aufregung ist verständlich – halten die Logistikunternehmen doch die Lieferketten bei Mercedes-Benz am Laufen und sind viele von ihnen der Marke seit Jahren verbunden.
Die betroffenen Spediteure stecken ihren Kopf nicht in den Sand: Bei vielen Unternehmen weckte das den Kampfgeist. Sie signalisieren der Fachpresse, bestimmte Linien nicht mehr zu fahren und das Beschaffungsverhalten für den Lkw-Fuhrpark zu überdenken. Die eigenständige Daimler Truck AG beobachtet bereits mögliche geschäftsschädigende Entwicklungen, die das unrühmliche Schreiben der Pkw-Kollegen ausgelöst hat. Daimler Truck sandte dann auch schnell das Signal in die Welt, dass die Truck-Sparte die Maut bezahlt.
Mercedes mit Gewinn von 3,7 Milliarden Euro
Ist das Schreiben schon fragwürdig im Ton und zweifelhaft in der Sache, dürfte zwei Tage später eine weitere Mercedes-Benz-Meldung ein noch größeres Kopfschütteln in der Branche ausgelöst haben: Der Konzern weist in seinen Neun-Monats-Zahlen einen Gewinn von 3,7 Milliarden Euro aus sowie Renditen von 12 Prozent bei Pkw beziehungsweise 15 Prozent bei den Vans. Es ist eine überaus steile These, zu behaupten, dass da kein Spielraum mehr zur Übernahme einer staatlich verordneten Gebühr bleibt.
