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Verordnungsentwurf Flächenversiegelung Kombiniertem Verkehr drohen Milliardenkosten

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Müssen Betreiber von Umschlaganlagen ihre Flächen teuer versiegeln? Ein entsprechender Entwurf des Umweltministeriums zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen hat großen Wirbel ausgelöst. Die Abstimmung mit dem Verkehrsministerium läuft auf höchster Ebene. 

Das Bundesverkehrsministerium will sich offenbar für den Kombinierten Verkehr in die Bresche werfen. Nach Informationen von trans aktuell soll ein von der Branche als desaströs bewerteter  Verordnungsentwurf des Umweltministeriums zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen abgelehnt werden. Das verlautete nach internen Koalitionsgesprächen.

70 Zentimeter Beton gefordert

Eigentlich sollte der Entwurf lediglich die bislang unterschiedlichen  Regelungen der Bundesländer zum Schutz des Grundwassers vereinheitlichen. Herausgekommen ist ein Papier, das die Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs (KV) mit der produzierenden Industrie gleichstellt. Verlangt wird darin, dass die Böden unter den Anlagen vollständig flüssigkeitsundurchlässig mit einer 70 Zentimeter dicken Betonschicht versiegelt werden. Dabei nehmen die Betreiber für sich in Anspruch, so gute Vorsorge- und Schutzmaßnahmen zu haben, dass das Grundwasser noch nie gefährdet war.

Nach Schätzungen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) wären damit Kosten von mindestens drei Milliarden Euro auf die Branche zugekommen – eine für den gesamten KV in Deutschland existenzbedrohende Größe. Letztlich wäre damit auch die von der Politik gewollte Verkehrsverlagerung obsolet geworden, denn die ohnehin überlasteten Straßen hätten nach Branchenangaben 3,3 Millionen rückverlagerte Lkw-Fahrten mit einem Anteil von bis zu 450.000 Gefahrgütern zusätzlich verkraften müssen.

Ressortabstimmung dauert an

Der Knatsch zwischen dem Haus von Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Peter Ramsauers CSU-Ministerium ist bislang nicht offiziell. "Der Entwurf der Verordnung über wassergefährdende Stoffe befindet sich noch in der internen Ressortabstimmung", sagt eine Sprecherin des Umweltministeriums auf Anfrage. Diese sei noch nicht abgeschlossen.

Aus dem Verkehrsministerium heißt es, der aktuelle Entwurf sei "innerhalb der Bundesregierung noch nicht abschließend abgestimmt". Das Verkehrsministerium setze sich weiter für eine Lösung ein, die die Wettbewerbsfähigkeit des intermodalen Verkehrs nicht gefährde und zugleich einen wirksamen Gewässerschutz ermögliche.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Verkehrsministerium in der Ressortabstimmung seine Zustimmung zu dem Entwurf geben wird", sagt der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dirk Fischer, gegenüber trans aktuell. "Das ist in der Sache weit überzogen und sehr, sehr teuer und wäre damit ein Schlag gegen den Kombinierten Verkehr." Eine Verladeeinrichtung  müsse nicht den Standard einer industriellen Fertigungsanlage haben.

Gespräche verlaufen ohne Fortschritte

Die Gespräche der Branche unter Federführung des VDV mit dem Umweltministerium laufen seit mehr als eineinhalb Jahren. Sichtbare Fortschritte wurden dabei bislang nicht erzielt. Befürchtet wurde zuletzt, dass das Thema, das auf Altmaiers Prioritätenliste steht, noch vor dem Ende der Legislaturperiode durchgeboxt werden sollte.

Aber die beiden Ministerien konnten offenbar keine gemeinsame Ebene finden, die Staatssekretäre kamen nicht voran. "Normalerweise werden solche Entwürfe auf der Fachebene klargezogen", sagt ein Kenner der Materie. "Es ist bei einem Verkehrsthema noch nie vorgekommen, dass es – wie hier – bis auf die Ministerebene eskaliert ist." Daran lasse sich seine Bedeutung messen.

Der Entwurf müsse unbedingt an die reale Gefahr angepasst werden, betont der Vorsitzende im Verkehrsausschuss des Bundestags, Toni Hofreiter (Grüne) gegenüber trans aktuell. »Man darf durch sicher gut gemeinte Regelungen für den Eisenbahnverkehr nicht dafür sorgen, dass wassergefährdende Stoffe verstärkt auf dem Lkw transportiert werden.« Das erhöhe die Gefahr. Scheinbare Sicherheitsmaßnahmen könnten sich am Ende als kontraproduktiv erweisen. Zu überlegen sei vielmehr, ob Wasserschutzgebiete für den Lkw gesperrt werden müssten.

Auf der Straße liegt die eigentliche Gefahr

Laut Statistischem Bundesamt wurden 2010 auf der Straße 1.351 Unfälle bei der Beförderung mit wassergefährdenden Stoffen verzeichnet, hierbei wurden rund 500.000 Liter – zumeist  Mineralölprodukte – freigesetzt. Dagegen wurden in den bundesweit 160 KV-Terminals 15 Mal Bodenverunreinigungen festgestellt. Das Material sei komplett abgetragen und fachgerecht entsorgt worden, berichtet der VDV. Zu den meldepflichtigen Ereignissen, die den KV-Terminals zugeordnet werden, gehören auch Trucks, die nur auf der Straße verkehren und mit leckgeschlagenen Behältnissen nicht Polizei oder Feuerwehr rufen, sondern die Sicherheitseinrichtungen der KV-Anlagen nutzen.

Mit seinem Eintreten für den Kombinierten Verkehr kann Ramsauer viel retten. Auch bereits getätigte Investitionen des Bundes in die Anlagen in Höhe von rund 700 Millionen Euro werden keine komplett sinnlose Geldausgabe.

Über einen Kamm geschoren

Mit der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen sollen die 16 Anlagenverordnungen der Bundesländer (VAwS) in eine Bundesanlagenverordnung (AwSV) übergehen. Sie zielt auf den Boden-  und Gewässerschutz ab. Zum Geltungsbereich gehören nicht nur  Terminals des Kombinierten Verkehrs, sondern besonders Heizöltankanlagen, Tankstellen, Chemikalien- und Gefahrgebindestofflager, hydraulische Anlagen, chemische Reinigungsanlagen und Biogasanlagen. Das Papier stellt Umschlaganlagen für Container, die lediglich dem Umladen dienen, mit der produzierenden Industrie gleich, obwohl hier das Ladegut nicht behandelt, gelagert oder umgefüllt wird.  Im Entwurf selber heißt es: "Das Verordnungsvorhaben trägt zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Die vorgesehenen Regelungen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen dienen dem Schutz der Gewässer vor Freisetzungen solcher Stoffe unter Wahrung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Betroffenen."

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