Neubau der Leverkusener Brücke Bauen im Bestand

Leverkusener Brücke Foto: Jan Bergrath 11 Bilder

Auf Grund mangelhafter Stahlbauteile aus China musste der Neubau der Leverkusener Brücke im April 2020 abgebrochen werden. Nun geht es in einer neuen Arbeitsgemeinschaft weiter. Diesmal mit Stahl aus Deutschland.

Es geht wieder voran am Rhein im Kölner Norden. Bau- und Projektleiter Jan Felgendreher von der Hochtief Infrastructure und Projektleiter Thomas Müller von der Autobahn GmbH, in der seit Januar 2021 die bislang zuständige Straßen.NRW aufgegangen ist, stehen in Köln-Merkenich quasi zwischen Gegenwart und Zukunft. Auf der linksrheinischen Seite stehen die ersten Betonträgerteile für die Vorlandbrücke in ihrer Verschalung, die wie übergroße Legosteine wirken. Auf der rechtsrheinischen Seite hat Hochtief gerade unter dem dortigen Bauleiter Uwe Schenk mit der Betonage des ersten Brückenpylons direkt am Flussufer begonnen.

Felgendreher, der auch für den bislang erfolgreichen Bau der Lennetalbrücke der A45 verantwortlich ist, hat als Gesamtbauleiter mit seinem Team in einer neuen Arbeitsgemeinschaft (ARGE) den Neubau der Leverkusener Brücke Anfang des Jahres übernommen. Seit 25 Jahren arbeitet er in ganz Europa für Hochtief. „Wir bauen im Bestand“, sagt Felgendreher. „Das ist immer eine Herausforderung.“

Erbe aus den 60er Jahren

Denn noch läuft der Verkehr über die alte sechsspurige Leverkusener Brücke. Die 1965 eröffnete Rheinbrücke mit damals zunächst zwei Fahrspuren war einst für täglich lediglich 40.000 Fahrzeuge konzipiert. Das rasante Wachstum gerade des Schwerverkehrs war damals einfach nicht vorhersehbar. Auch nicht die EU-Osterweiterung, die Deutschland zum größten Transitland Europas machen – mit der Leverkusener Brücke als wichtiges Teilstück.

Viele alten Brücken aus den 69er und 70er Jahren sind auch auf Grund ihrer damaligen Bauart und mangelnder Instandhaltung mittlerweile marode. Bis zur Errichtung einer Schrankenanlage für Lkw über 3,5 ab dem Jahr 2016 war die Zahl der täglich darüber rollenden Fahrzeuge auf 120.000 angewachsen, darunter 14.000 Lkw. Bereits 1984 wurden auf der Brücke weitere Spuren markiert, weshalb allerdings die Lasten nicht mehr optimal verteilt waren - mehr Lkw, mehr Gewicht.

„Ausgerechnet die schweren Lkw, von denen eine Achse 10.000 so viel Schaden verursacht wie die eines Pkw, fuhren auf der äußersten Seite der Brücke“, erklärt Müller, der seit Januar 2021 für die Autobahn GmbH nun auch für den Weiterbau der Leverkusener Brücke zuständig. „Schon seit 2012 ist das Bauwerk in einem kritischen Zustand.“ Die sogenannte Schrägseilbrücke besteht aus einer Hohlkastenkonstruktion, die von insgesamt acht Stahlseilen an zwei Pylonen abgespannt ist. Ständige Schweißarbeiten sollten die Brücke bis zur geplanten Eröffnung des ersten Neubaus in Fahrtrichtung Trier im Jahr 2021 am Leben halten. „Nun müssen wir neben dem Neubau gleichzeitig noch weitere zwei Jahre lang die alte Brücke für den Verkehr am Leben erhalten. Das ist allerdings dank der Schrankenanlage möglich. Bislang konnten wir keine weiteren Brückenschäden feststellen.“

Baustopp im April 2020

Im April 2020 kündigte Straßen.NRW dem österreichischen Baukonzern PORR. Der hatte 2017 die Ausschreibung für den mit rund 363 Millionen Euro kalkulierten Neubau mit zwei identischen Brückenbauwerken, also je eine Brücke mit jeweils vier Fahrspuren, gewonnen. „Bei Qualität und Sicherheit der neuen Brücke dürfen keine Abstriche gemacht werden“, hatte NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst gefordert. Das leider bekannte Problem: Nach dem europäischen Vergaberecht bekommt in der Regel immer das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag. Das wurde dem komplexen Bauwerk zum vorläufigen Verhängnis. PORR beauftragte einen chinesischen Stahlbauer als Nachunternehmer, der den Stahl wiederum von einem chinesischen Stahlerzeuger geordert hatte.

Der Nachteil: In einer Ausschreibung darf der Auftraggeber zur Einhaltung der Vergabegrundsätze, wie etwa Gleichbehandlung oder Wahrung des Wettbewerbes, keine Vorgaben zur Herkunft des Stahls machen. Auf die Auswahl der Nachunternehmer hat der Bauherr als Auftraggeber keinen Einfluss, wenn deren Qualifikation durch die in der Ausschreibung geforderten Nachweise belegt wird. Während die Qualität des verarbeiteten Rohstahls allerdings norm- und vertragskonform war und keinen Grund für Beanstandungen gab, waren im Rahmen der Weiterverarbeitung der Stahlbauteile durch den Stahlbauer die später beanstandeten Mängel aufgetreten.

Schäden erst nach Eintreffen aus China entdeckt

„Die Mängel konnten erst als die ersten Teile im März 2020 per Schiff in Rotterdam ankamen vollständig festgestellt werden, unter anderem, weil in China die Fertigungsüberwachung an ihrer Arbeit gehindert wurde“, berichtet Müller und nennt Beispiele: Die an den Stahlteilen eingebauten Kopfbolzendübel waren irreparabel fehlerhaft, die Schweißungen mangelhaft. Dazu gab es fehlerhafte Einschlüsse und deutliche Risse an den Schweißnähten. Es gab eine Vielzahl von Fehlstellen an den Oberflächen der Stahlbleche. „30 bis 60 Prozent der Bolzen entsprachen nicht unseren erforderlichen Qualitätsansprüchen“, sagt Müller, „dazu gab es massive Qualitätsmängel bei dem aufgebrachten Korrosionsschutz.“ Wegen der Vielzahl der vorhandenen systematischen Mängel war eine Reparatur nach Ansicht von Straßen.NRW nicht möglich. Die Bauteile wären dann schon vor der Nutzung geschädigt gewesen. So bestand für Straßen.NRW 2020 nur die einzige Möglichkeit, auf der Neuherstellung der Stahlteile zu bestehen.

Das wiederum sah PORR laut Straßen.NRW nicht ein. Das Unternehmen wollte nachbessern. Doch bei Fortbestehen des Vertragsverhältnisses wäre nicht nur mit einem minderwertigen Bauwerk, sondern auch mit einer unkalkulierbaren Bauzeitverlängerung zu rechnen gewesen. Allein die Verzögerungen, so weiß man heute, die sich aus dem Nachtrag ergeben hätten, hätten eine Bauzeit bis ins Jahr 2029 zur Folge gehabt. Hinzu wäre ein Verzug für Planung, Genehmigung und Ausführung der Sanierung oder die Neuherstellung der Stahlbauteile gekommen.

Daher kündigte Straßen.NRW den Bauvertrag aus wichtigem Grund und schrieb kurz danach den Bauvertrag neu aus. Zunächst nur für den Neubau der Brücke in Fahrtrichtung Richtung Trier. Den Zuschlag erhielt die ARGE um Hochtief im Februar 2021. Der Rechtsstreit mit dem Unternehmen PORR läuft derweil weiter.

Zwei zweihüftige Schrägseilbrücken bis 2027

Neben dem bereits zum größten Teil abgeschlossenen achtspurigen Ausbau der A1 gehören zum Neubau der Brücke auch die komplexen Zufahrten auf beiden Seiten in Merkenich und Leverkusen und der Bau mehrerer neuer Rampen im Kreuz Leverkusen-West. Da die A1 nun sehr breit geworden ist, wird die Lärmschutzwand für die Bewohner von Merkenich um eine dritte Wand zwischen den beiden Fahrspuren ergänzt, um die Schallwellen zu brechen. Bilder der Architektenentwürfe zeigen die neue Brücke, die, nun Schritt für Schritt umgesetzt werden.

Bis 2027 sollen nun die beiden „zweihüftigen Schrägseilbrücken mit Pylonen in A-Form“ endlich vollendet sei. Die Gesamtlänge zwischen den Endauflagern beträgt dann 1.068 Meter, die Brückenfläche rund 70.000 Quadratmeter, die größte Spannweite ist 280 Meter, die Pylonhöhe über der Fahrbahn 55 Meter. „Die Vorlandbrücke aus Spannbeton ist dabei rund 377 Meter lang, die Strombrücke selbst 689 Meter“, sagt Felgendreher. „Das reine Stahlgewicht je Strombrücke liegt bei etwa 15.000 Tonnen, die dann aus 80 Hohlkästen zuzüglich der weiteren quertragenden Bauteile besteht.“

Hochtief ist dabei allerdings nur für den Bauabschnitt zwischen den beiden Widerlagern verantwortlich. Die Umsetzung der Pläne verläuft nach derselben Vorgabe. „Zuerst wird die Brücke in Fahrtrichtung Trier gebaut“, so Müller. „Die Fertigstellung ist für 2023 vorgesehen. Danach wird zunächst der gesamte Verkehr der A1 sechsspurig über die neue Brücke geleitet.“ Die nächsten beiden Schritte, der Abriss der alten Brücke mit den im Bauwerk enthaltenen mittlerweile bekannten Schadstoffen unter der Berücksichtigung, dass der Schiffsverkehr auf dem Rhein nicht unterbrochen werden darf, sowie der Neubau der zweiten Brücke Fahrtrichtung Dortmund, sind derzeit noch nicht ausgeschrieben.

Stahlteile diesmal aus Europa

Planmäßig beginnt ab September/Oktober diesen Jahres der Einbau der einzelnen Stahlteile – jeweils von beiden Rheinseiten aus. „Derzeit werden gut 1.000 Pläne für die einzelnen Teile angefertigt“, so Müller. Hauptlieferant des Stahls sind diesmal die Dillinger Stahlwerke. Weiterverarbeitet werden die tonnenschweren Stahlteile in Werken in Deutschland, Belgien und Frankreich. Etliche Schwertransporte zu Lande und zu Wasser sind dann nötig, bis 2023 schließlich planmäßig das letzte Passstück eingelassen werden kann. „Es wird mit Überlänge angeliefert und vor Ort auf das finale Maß angepasst“, verspricht Felgendreher. Es wäre tatsächlich nicht gut, wenn ausgerechnet das letzte Stahlteil zu kurz ist. Aber selbst daran ist bereits gedacht. Das wiederum ist ziemlich beruhigend.

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