Ladungssicherung Gefährliche Schieflage

Polizeipräsidium Heidelberg Foto: Polizeipräsidium Ludwigsburg
Meinung

Die Fahrt eines litauischen Sattelzuges mit zwei unzureichend gesicherten Coils endete nach einem Bremsmanöver auf einem Parkplatz an der A81. Ein weiteres negatives Schlaglicht auf den Zustand vieler Lkw im Transitland Deutschland.

So ein destruktives Chaos auf der Ladefläche hat Lkw-Fahrer Patrick Blodt aus Mainz in seinen 32 Jahren Erfahrung auch noch nicht erlebt. Er ist auf dem Rückweg von einer Tour, als er am Donnerstag, dem 25. April, gegen Nachmittag für eine Fahrtunterbrechung auf den Parkplatz „Gerlinger Höhe“ der A81 Richtung Heilbronn fährt. Schon bei der Einfahrt sieht er den weißen Actros mit der litauischen Zulassung, den grauen Planenauflieger von Schmitz Cargobull ohne Firmenwerbung und das Namensschild mit der belarussischen Flagge in der Windschutzscheibe. Der Auflieger neigt sich vorne rechts gefährlich zur Seite. Hinter dem Lkw steht ein Polizeifahrzeug.

Beim Blick durch das offene Heckportal wird Blodt sofort klar: Das hätte auch anders ausgehen können. Im hinteren Bereich liegen Gurte, Kantenschoner und Spannbretter auf dem Boden, zwei Stahlcoils auf Paletten stehen praktisch auf dem Kopf, der vordere ist vor die Stirnwand geknallt, der hintere scheint auf den ersten Blick in einer Coilmulde verharrt zu haben. Beim genauen Hinsehen ist er allerdings durch den Aufliegerboden gebrochen. „Das hätte auch schlimmer ausgehen können“, sagt Blodt. Die offizielle Pressemeldung des auch für diesen Teil der A81 hinter dem Engelbergtunnel zuständigen Polizeipräsidiums aus Ludwigsburg veröffentlicht die Pressestelle erst am Montag. Sie sorgt in den sozialen Medien für großes Aufsehen – und wirft ein weiteres negatives Schlaglicht auf den Zustand vieler Lkw im Transitland Deutschland.

Patrick Blodt Foto: Patrick Blodt

Nach Bremsmanöver angehalten

Demzufolge hatte ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Polizei am Donnerstag über den Sattelzug mit seiner gefährlichen Schieflage informiert, der dann wohl freiwillig auf den Parkplatz fuhr, wo ihn eine Streifenbesatzung antraf. Bei meiner mehrfachen Nachfrage bestätigte eine sehr engagierte Pressesprecherin, dass es sich um zwei Bandstahlrollen mit je achteinhalb Tonnen Gewicht handelte. Auf die Frage, woher der Lastzug kam und wohin die Reise noch gehen sollte, gibt die Polizei allerdings keine Auskunft. Zu Frage der Qualifikation des 35-jährigen Fahrers hieß es nur: „Er war im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis.“ Ihm wurde die Weiterfahrt untersagt.

„Dem Fahrer droht nun eine Anzeige wegen der nicht vorschriftsgemäß gesicherten Ladung“, so die Meldung im Wortlaut. „Ob der Lkw für die schwere Ladung geeignet war sowie mögliche Konsequenzen für das verantwortliche Unternehmen sind aktuell Gegenstand der Ermittlungen. Durch die verantwortliche Spedition musste ein Ersatzfahrzeug eingesetzt werden, um die Ladung ordnungsgemäß zu sichern und den Transport fortsetzen zu können.“ Später heißt es noch zusätzlich: „Die Coils waren jeweils mit drei Spanngurten gesichert, die beim Bremsmanöver teilweise rissen, weshalb sich die Coils unkontrolliert bewegten. Es handelt sich hierbei um einen recht außergewöhnlichen Fall.“

Über 50 Prozent Verstöße beim bundesweiten Kontrolltag

Eins ist klar: Die Ladestelle hätte das Fahrzeug so niemals verlassen dürfen. Ob der Lkw unterwegs kontrolliert worden wäre, bleibt fraglich. Denn dazu müsste zunächst die Kontrolldichte weiter erhöht werden. Dabei zeigt der länderübergreifende Kontrolltag der Polizei unter dem Motto Sicher.Mobil.Leben und unter Leitung des Bundeslandes Brandenburg am 19. April eine Quote von über 50 Prozent die potentielle Gefahr. Die Gesamtbilanz: Insgesamt waren rund 4.500 Polizeikräfte in Deutschland im Einsatz. An insgesamt 546 Kontrollstellen wurden 20.303 Fahrzeuge kontrolliert und dabei 12.901 Verstöße festgestellt.

In 1.921 Fällen wurde gegen die Sozialvorschriften verstoßen, das heißt zum Beispiel Lenk- und Ruhezeiten nicht eingehalten. In 1.455 Fällen wurde der erforderliche Sicherheitsabstand unterschritten und in 5.251 Fällen zulässige Höchstgeschwindigkeiten nicht eingehalten. Technische Mängel wurden in 432 Fällen festgestellt. Die Polizei musste in 122 Fällen verkehrsuntüchtige Fahrer aus dem Verkehr ziehen. Die Ladung war in 883 Fällen nicht richtig gesichert. Masse und Gewichte wurden in 302 Fällen überschritten. In 618 Fällen musste die Weiterfahrt untersagt werden. Immer öfter werden auch andere Kontrollen vor allem der Polizei in den sozialen Medien veröffentlicht. Ein Blick auf die Facebookseite „Lkw-Unfälle und Kontrollen“ zeigt nahezu täglich den Irrsinn auf unseren Autobahnen und Straßen. Immer wieder dabei: weiße Lastzüge aus Litauen und Polen ohne Werbung.

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Geiz ist gefährlich

Erst vor wenigen Tagen hatte ich in meinem im vorab online veröffentlichen Brennpunkt aus dem FERNFAHRER 6/2024 unter dem Titel „Wettbewerb am Limit“ über die junge Prokuristin Mona Smeets aus Krefeld berichtet, die sich öffentlich darüber beklagt, wie wenig etwa auch im Stahltransport noch die Qualität zählt – sondern oftmals nur der Preis. Vor allem eben bei den weiter zunehmenden Ausschreibungen. Sämtliche Auflieger das Familienunternehmens sind selbstverständlich mit Coilmulden ausgestattet, die Fahrer auch definitiv regelmäßig geschult. Nicht auszumalen, wenn einer der beiden Stahlcolis des litauischen Lasters beim Bremsmanöver durch die Plane gegangen wäre. Dann wäre Geiz nicht mehr geil – sondern gefährlich.

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