IAA Transportation: Aus- und Rückblick So fällt die VDA-Messebilanz aus

Foto: Richard Kienberger

VDA-Geschäftsführer Jürgen Mindel fordert Energiesicherheit und höhere Anstrengungen beim Aufbau der Lkw-Ladeinfrastruktur. Zugleich zieht er gegenüber der Fachzeitschrift trans aktuell bei der IAA Transportation Bilanz.

trans aktuell: Herr Mindel, die IAA Transportation liegt schon wieder etwas zurück. Doch wir gehen davon aus, dass sie Ihnen im Gedächtnis geblieben ist. War die Messe gar Ihr Jahres-Highlight?

Mindel: Die Messe war definitiv mein Jahres-Highlight 2022. Blicken wir zurück: Zu Jahresbeginn 2021 waren wir mit den Auswirkungen der Corona-Krise konfrontiert. Dann kam der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und das mit ihm verbundene schlimme menschliche Leid Der schreckliche Krieg hat bis heute bleibende wirtschaftliche Auswirkungen.

Foto: VDA/Dominik Butzmann
VDA-Geschäftsführer Jürgen Mindel: Die Messe war definitiv mein Jahres-Highlight 2022.

Das wird besonders mit Blick auf die Energiemärkte und Lieferketten deutlich. Kurz gesagt: Die IAA Transportation fiel in eine Zeit, in der Krise das „new normal“ geworden ist. Umso schöner war das Gefühl im September: Man läuft über das belebte Messegelände in Hannover, blickt in glückliche Gesichter und überall wird einem gesagt, wie großartig die Messe ist. Das war eine tolle Erfahrung, die in Erinnerung bleibt.


Welche Rückmeldungen bekamen Sie von Ihren Mitgliedsunternehmen?

Es gab eine durchweg positive Resonanz. Ganz viel begeisternder Zuspruch kam von den Anhänger-, Aufbauten- und Trailerherstellern. Mit der IAA Mobility in München 2021 und der IAA Transportation in Hannover 2022 haben wir den Beweis geliefert, dass Präsenzmessen nicht aus der Mode gekommen sind, sondern weiterhin gerne besucht werden – wenn sie zielführend und zeitgemäß weiterentwickelt werden.

Sie haben das Messekonzept sowohl für München als auch für Hannover komplett überarbeitet. Zum Beispiel haben Sie sich für neue Anbieter im Bereich der Mobilität geöffnet und die Möglichkeit von Live-Demonstrationen und Testfahrten ausgeweitet. Wie kam die Neuausrichtung an?

Wie in München haben wir auch in Hannover den Fokus um zusätzliche Akteure erweitert. Unser Ziel war auch hier: Weg vom reinen Ausstellungs- hin zu mehr Erlebnischarakter. Das kam sehr gut an. Auch die Erweiterung der Zielgruppe war ein erfolgreicher Ansatz: Von den Cargobike-Anbietern erhielten wir so großen Zuspruch, dass wir sie dauerhaft ins Messegeschehen integrieren werden. Jetzt geht der Blick natürlich wieder nach vorne – und wir schauen, was wir 2024 noch besser, noch ansprechender und interaktiver machen können.

Da geht es bestimmt auch um die Busse, oder?

Der Bus treibt uns in der Tat am stärksten um: Er hätte in Hannover mehr Präsenz verdient. Doch die Branche war auch in Zusammenhang mit Corona stark gebeutelt – und 2022 somit für die Busunternehmen ein weiteres schwieriges Jahr. Der Busbereich hat aber weiterhin ein enormes Potenzial, gerade auch mit Blick auf die Ermöglichung von klimaneutralem Verkehr. Deswegen ist die IAA genau die richtige Plattform für diese Branche – und sie wird beim nächsten Mal prominenter dabei sein!

In der offiziellen Abschlussmeldung zur IAA Transportation haben Sie keine Besucherzahlen genannt. Das hat Spekulationen ausgelöst. Was ist der Hintergrund?

Wir kommen zunehmend davon weg, die Besucherzahlen zu kommunizieren – genauso wie spezifische Quadratmeterangaben zu den Ausstellerflächen. Klar, das sind wichtige Größen. Aber es sind nicht mehr die entscheidenden Faktoren.

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Diese absoluten Zahlen sagen nichts über die Qualität der Gespräche aus, darüber, wie zufrieden die Aussteller sind. Hinzukommt, dass wir Besucherzahlen, wenn wir sie nennen würden, ausführlich erklären müssten. Wir haben die IAA Mobility um fünf Tage gekürzt, das wirkte sich natürlich auf die Besucherzahlen aus. Bei der IAA Transportation wurden zwei Messetage gekappt. Die Besucherzahlen waren aus unserer Sicht absolut zufriedenstellend: An den Fachbesuchertagen hatten wir im Schnitt sogar mehr Besucher als an den Vergleichstagen 2018.

Eher weniger Besucher gab es an den Publikumstagen. Sehen Sie Anpassungsbedarf fürs Wochenende, das ja früher gerne von Fahrern und ihren Familien genutzt wurde?

Ja, hier können wir sicherlich noch zulegen und überlegen, wie wir die Ansprache der Zielgruppe Fahrer – inklusive ihrer Familien – noch besser gestalten können. Ich bin fest entschlossen, dass wir diese Zielgruppe wieder stärker adressieren und ich bin mir sicher, dass wir auf der nächsten IAA hier eine sehr positive Entwicklung sehen.

Sie sagten: Die Qualität der Gespräche macht es aus, nicht die Quantität. Kamen die Aussteller in Hannover hier auf ihre Kosten?

Tatsächlich war das Feedback sehr positiv: Einer der Aussteller sagte mir sinngemäß: Wenn ich die Gespräche, die ich innerhalb von einer Woche auf der Messe geführt habe, anderweitig führen wollte, würde mich das zwei Monate an Dienstreisen kosten. Effizienter kann man seine Zeit kaum für wichtige Kundengespräche nutzen.

Lässt sich mit Blick auf die Qualität der Gespräche auch beziffern, wie häufig es zu Kaufabschlüssen gekommen ist?

Das lässt sich schwer einheitlich für alle Aussteller beantworten. Entscheidend ist – und das war tatsächlich das gemeinsame Feedback der Aussteller: Das Investment in die Messe hat sich gelohnt. Das ist eine zentrale und wichtige Erkenntnis, denn in diesen angespannten Zeiten wird jedes Investment intensiv geprüft. Es war keine Selbstverständlichkeit, dass sich unsere Unternehmen auf der IAA Transportation so engagiert haben. Wir sind dafür sehr dankbar – und freuen uns umso mehr über den nachhaltigen Erfolg.

Sie waren selbst die ganze Zeit vor Ort, haben zahlreiche Gespräch geführt und Innovationen erlebt. Was war Ihr persönliches Highlight auf der Messe, Herr Mindel?

Ganz ehrlich: Am meisten beeindruckt hat mich, zu sehen wie unglaublich innovationsstark diese gesamte Branche ist. Da hat sich in den vergangenen Jahren so viel bewegt – und so vieles wird gerade auf den Weg gebracht. Allein einer der Trailerhersteller präsentierte mehr als 40 Neuheiten. Ich kann auch gar nicht oft genug sagen, wie stark der oftmals unterschätzte Mittelstand und die Familienunternehmen in Deutschland zu diesen Innovationen beitragen.

Und welches war für Sie die zentrale Botschaft, die von Hannover in die Welt getragen wurde?

Die Branche ist bereit: Wir haben die Produkte, die wir für den Klimaschutz brauchen. Wir können den klimaneutralen Verkehr ermöglichen. Jetzt brauchen wir die dafür nötigen Rahmenbedingungen, damit wir die Innovationen auch tatsächlich auf die Straße bringen können. Entscheidend ist dabei der Ausbau der Ladeinfrastruktur.

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Lkw-Fahrer müssen sich darauf verlassen können, dass sie dort, wo sie ihre Pausen verbringen, auch ihre E-Fahrzeuge effektiv laden können. Neben den Lademöglichkeiten geht es hier vor allem auch um die Ladekapazitäten. Wenn wir nicht jeden Parkplatz mit einem kleinen Kraftwerk ausstatten, kommen hier sehr hohe Anforderungen auf das Stromnetz zu. Gleichzeitig sollten wir den Aufbau einer Wasserstoff-Tankinfrastruktur forcieren.

Reine Elektro- oder Wasserstoff-Lkw – haben Sie eine Präferenz oder bleibt der VDA technologieoffen?

Wir sind weiterhin fest davon überzeugt, dass Technologieoffenheit ein entscheidender Faktor ist. Anders als bei der E-Mobilität sieht man beim Thema Wasserstoff für den Lkw-Antrieb aktuell noch relativ wenig am Markt. Ich denke, das wird sich mit der IAA Transportation 2024 ändern. Schaut man realistisch auf den Markt, stellt man fest, dass der Stand der technischen Entwicklung im Batteriebereich am weitesten ist. Daher ist richtig, als erstes mit Hochdruck den Aufbau einer Ladeinfrastruktur für diese Fahrzeuge zu forcieren. Abseits von der E-Mobilität und von Wasserstoff müssen wir auch bei den synthetischen Kraftstoffen am Ball bleiben. Anders werden wir die riesige Bestandflotte von weltweit 310 Millionen Nutzfahrzeugen nicht klimaneutral betreiben können.

Um den Aufbau der Ladeinfrastruktur zu forcieren, hat das Bundesverkehrsministerium einen weiteren Masterplan aufgelegt. Die Verbände fordern mehr Tempo. Wo sehen Sie generell Korrekturbedarf?

Das Ganze dauert vor allem deshalb viel zu lange, weil unsere Planungsverfahren zu viel Zeit verschlingen. Die Verfahren müssen viel schneller über die Bühne gehen, um unkompliziert die benötigte Ladeinfrastruktur für Lkw auf die Parkplätze zu bekommen. Es müssen Unmengen von Parkplätzen ausgerüstet werden, da bleibt keine Zeit für eine überbordende Bürokratie. Und um die Lademöglichkeiten zu schaffen, braucht es eine Ertüchtigung der Netze – auch das alles andere als ein leichtes Unterfangen. Die Bundesregierung sollte als Aufbauziel mindestens 4.000 MCS (Megawatt Charging System)-Ladepunkte bis 2030 für BEV-Lkw sicherstellen.

Entscheidend für die Akzeptanz der neuen Antriebstechnologien ist neben dem Fahrzeugangebot und den Tank- und Lademöglichkeiten auch die entsprechende Förderung. Worauf kommt es hier für den VDA an?

Alles steht und fällt mit den Betriebskosten. Sobald Lkw mit alternativen Antrieben bei den TCO gleichauf mit dem Diesel sind, werden sie bei Flottenbetreibern zur ersten Wahl. Solange wir eine Kostendifferenz haben, sind Elektro- und Wasserstoff-Lkw für kleine und mittelständische Spediteure schwer erschwinglich, und die Entscheidung fällt zugunsten des bewährten Diesel-Lkw. Ein entscheidender Hebel sind sicherlich die Energiepreise. Da besteht dringend Handlungsbedarf. Energie muss verfügbar und erschwinglich bleiben, sonst nimmt der Wirtschaftsstandort Deutschland Schaden. Hier fehlt die dringend notwendige langfristige politische Strategie.

Wird sich die Situation etwas entspannen, sollte der Krieg hoffentlich bald zu Ende gehen?

Keiner darf erwarten, dass business as before am Energiemarkt herrscht, sobald der Krieg zu Ende ist. Wir haben weitreichende energiepolitische Entscheidungen getroffen, die nun eine generelle Neuausrichtung erfordern. Aufgabe der Politik ist es, Energiesicherheit zu schaffen. Das heißt, dass die politischen Entscheidungen und Ziele jetzt mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen flankiert werden müssen.

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Berlin und Brüssel müssen ein massives Standort-Programm auf den Weg bringen, damit wir im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt werden. Wir sind als Industrieland dringend darauf angewiesen. Eine Umfrage unter unseren Zulieferbetrieben zeigt: 53 Prozent von ihnen schieben Investitionsentscheidungen auf, 22 Prozent sagen, sie gehen ins Ausland. Das sind alarmierende Zahlen. Berlin und Brüssel müssen sich wirtschaftspolitisch aktiver aufstellen und globale Wettbewerbsfähigkeit sichern. Insgesamt ist es jetzt entscheidend, unsere Energieversorgung langfristig zu sichern und wettbewerbsfähige Preise zu garantieren. Und: Damit sich die Kraft dieser Branche wirklich entfalten kann muss unser Steuersystem wieder konkurrenzfähig, unsere Genehmigungsverfahren digitaler, einfacher und schneller werden. Belastungsmoratorien müssen nicht nur angekündigt, sondern auch umgesetzt werden.

Strom ist teuer wie nie. Werfen die hohen Energiepreise die Industrie in ihren Bemühungen bei der Antriebswende zurück?

Nein, der eingeschlagene Weg ist unumkehrbar. Die Unternehmen investieren Rekordsummen in alternative Antriebslösungen, die Investitionen in bestehende Antriebsformen werden immer weiter abgeschmolzen. Aber ich schlage den Bogen zurück zur IAA Transportation: Diese Branche ist innovationsstark! Daher wird sie auch die Energiekrise meistern und ihre Anpassungsfähigkeit und ihr Ideenreichtum unter Beweis stellen. Wir bringen alles mit, was es für eine erfolgreiche Zukunft braucht: Entschlossenes Bekenntnis zum Klimaschutz, Rekord-Investitionen in die Zukunft, Innovationen als Leitmotiv. Die Politik hat die Aufgabe, den Weg zum Erfolg zu ermöglichen, Rahmenbedingungen mit und nicht gegen die Industrie zu entwickeln und Antriebswende meistern. Wenn wir die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, erreichen wir alle Klimaziele.

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