FERNFAHRER 11/1986 Bundeswehr – die Fahrschule der Nation

Foto: U. Bloß 5 Bilder

Im Kalten Krieg versorgt die Bundeswehr die Transportbranche noch zuverlässig mit ausgebildeten Kraftfahrern. Ein FERNFAHRER-Autor wagt 1986 den Selbstversuch an Deutschlands größter Fahrschule.

Längst nicht jeder Wehrpflichtige nutzt die Gunst der Stunde und erwirbt beim Bund die Fahrerlaubnis der Klasse 2, oder wie bei der Truppe genannt: den Führerschein Klasse C und E. Nur nach Bedarf in der jeweiligen Kompanie benennt der Chef seine Soldaten für den sechswöchigen Kurs. Für mich hieß der Einstieg erst mal: Sachen packen - die Ausrüstung ist immer dabei. Der Unterricht begann mit den sattsam bekannten gelben Fragebögen. Mit sanftem Druck - wer längere Zeit eine höhere Fehlerpunkteausbeute aufwies, durfte nach Dienstschluß ein paar Strafstunden absolvieren - wurde uns theoretisches Wissen der Straßenverkehrsregeln beigebracht.

Im Anschluß daran folgte fortan ebenfalls die ausführliche Unterrichtsstunde. Bereits am Mittag des ersten Tages ging es an die Fahrzeuge. Ein alter MAN-Fünftonner mit unsynchronisiertem Getriebe und langer Schnauze wartete auf mich. Ein wahrer «Leckerbissen»: das große Lenkrad, das einem selbst bei Geradeausfahrt ständig beschäftigt, die schmalen Frontscheiben, die Armaturen, die weit verstreut im Führerhaus untergebracht sind - da blieb bei den ersten Fahrstunden kein Hemd trocken. Dies nicht nur, weil durch alle möglichen Ritze und Schlitze Wasser ins Innere drang.

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Begleitet werden die Schein-Aspiranten bei den ersten Fahrversuchen vom Fahrschulleiter, in der Regel ein Fachdienstoffizier. Insgesamt drei Jahre dauert seine Ausbildung und ist gepflastert mit Lehrgängen: Unter anderem gehört dazu die Einweisung in die Aufgabe eines Ausbilders für Militärfahrlehrer, die Einweisung in die Aufgaben der Erlaubnisbehörde, die Ausbildung an einer Fahrlehrerausbildungsstelle und ein abschließender sechsmonatiger Offizierlehrgang.

Während der ersten Woche schaffte unser Fahrlehrer nur ein gequältes Lächeln, wenn unsere Schwierigkeiten mit den Drehzahlen sich wieder einmal mit einem lauten Gruß ans Getriebe bemerkbar machten. Vor allem beim Herunterschalten, ohne Drehzahlmesser, krachte das Schaltgestänge; und während ich mich damit noch abmühte, hatte der MAN längst wieder die Richtung Bordstein eingeschlagen.

Mercedes-Benz 1017 als Erlösung vom alten MAN L2AE

Erst in der dritten Woche hatte das ein Ende - ein 1017er-Daimler erlöste uns von dem Übel. Wir hatten inzwischen viel gelernt: über Bremsanlagen, Druckluftvorratsbehälter, die Kupplungsköpfe und das "Trittplattenbremsventil", über gefährdete Radfahrer, über Ladungssicherung und über die richtige Handhabung des Bremskraftreglers. Alle Theorie umsonst gelernt hatte nach drei Wochen, wer das Fahrzeug noch nicht beherrschte. Da hieß es: Umsteigen auf den VW-Bus.

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Ums Ganze ging es ab der vierten Woche. Der Anhänger wurde angekuppelt - Überlandfahrten auf Land- und Stadtstraßen sowie Autobahnen folgten. Gerade in der ersten "Anhängerzeit" behielt nur der Fahrlehrer den Überblick: wir Schüler, voller Konzentration für den Verkehr und die neuen Dimensionen unseres Gefährts, übersahen Verkehrsschilder reihenweise. Geländefahrten, teilweise mit ABC-Schutzmaske, schlossen sich an. Als ähnlich schweißtreibend erwiesen sich schließlieh unsere mehrstündigen Rangierübungen, nicht rückwärtsfahrend, sondern schiebend.

Prüfung in Theorie und Praxis wie im Zivilleben

Nach 36 Stunden Fahren, 58 Stunden Pauken gesetzlicher Vorschriften und 30 Stunden technischer Unterweisung hieß es, vor den kritischen Augen eines amtlich anerkannten Prüfers - wie im richtigen Leben - die erworbenen Kenntnisse zu beweisen, in Theorie und Praxis. Vernahm der Prüfling erst mal den Satz: "Suchen Sie sich eine geeignete Stelle zum Fahrerwechsel", hatte er den Stress so oder so überstanden. Ungefähr zehn Prozent mussten nochmal antreten.

Die Übrigen waren, gratis aber nicht geschenkt, Inhaber des immer noch begehrten 2er-Führerscheins geworden. Längst nicht alle der frischgebackenen Führerscheininhaber konnten in der Folgezeit, z.B. als Fahrer einer Transporteinheit, die nötige Fahrpraxis bekommen, und nur ein Teil wird am Ende der Dienstzeit eine zivilberufliche Prüfung ablegen, die Berufsmöglichkeiten im Straßentransportgewerbe eröffnen. Trotz dieser Einschränkungen bleibt die Bundeswehr die Fahrschule der Nation.

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