Fahrbericht MAN TGX 18.510 GX Kaum Schwächen, viele Stärken

MAN TGX 18.510 Foto: Karl-Heinz Augustin 20 Bilder

Nach dem Modellwechsel Anfang 2020 ist bereits die zweite Generation der neuen MAN TG-Baureihen auf der Straße. Ein TGX 18.510 GX tritt an, die Qualitäten des stärksten D26-Motors und des größten Fahrerhauses unter Beweis zu stellen.

Der stärkste D26-Motor und das größte Fahrerhaus: Als Fernverkehrs-Sattelzugmaschine nennt sich diese Kombination MAN TGX 18.510 GX und tritt in dieser Form erstmals zum Test an. Zwar bestritt schon im Sommer 2020 ein 18.510 die Messstrecke, dabei fiel aber das Fahrerhaus als GM eine Nummer kleiner aus und im Triebstrang schaltete ein 12+2-Gang-Getriebe Scania GRS905R.

Test mit stärkstem D26-Motor und größtem Fahrerhaus

Beim aktuellen Testwagen ist dagegen die (wieder) neue erste Wahl der Münchner zu finden: ein 12-Gang-Getriebe ZF Traxon. Der D26 erfüllt nun außerdem Euro 6e, was mit Blick auf die Motorkurve aber keine Auswirkungen zeigt. In der 510-PS-Version mobilisiert der 12,4-Liter-Motor, der seit der jüngsten Generalüberholung mit ein- statt zweistufiger Aufladung arbeitet, unverändert 2.600 Nm Drehmoment.

Mit ZF-Getriebe und Intarder sind die Eckdaten des Triebstrangs identisch mit einem TGX 18.470, der den Test mit 470 PS und GM-Fahrerhaus absolvierte. Also mit 2,31 zu eins übersetzter Achse sowie den Fahrprogrammen Manoeuvre (Rangiermodus), Efficiency Plus (eingeschränkte manuelle Eingriffe, kein Kickdown, dynamische Drehmomentanpassung), Efficiency (jederzeit manuelle Gangwahl, Kickdown) und Performance (nach oben versetzte Schaltpunkte, Fokus auf Beschleunigung und Geschwindigkeit).

Doch während MAN beim 470er auf das Programm Efficiency Plus beharrte, das mit zeitweiliger Drehmomentbegrenzung das Gefühl vermittelte, mit einem verkappten 400er unterwegs zu sein, stimmte die Crew diesmal der Auswahl des normalen Efficiency-Modus zu. Bedauern dürfte es MAN kaum: Mit durchschnittlich 32,5 Liter Diesel und 83,5 km/h reiht sich der TGX in der 500-PS-Klasse ganz vorne ein.

Adblue-Verbrauch vergleichsweise hoch

Es geht zwar noch rund ein km/h schneller, in der Vergangenheit etwa mit einem Actros 1851 oder Volvo FH 500 Turbocompound, aber unterhalb der 33-Liter-Grenze mit knapp 40 Tonnen auf der bergigen Strecke kaum sparsamer. In der Kombination von Tempo und Verbrauch spielt die Fahrleistung somit in der ersten Liga. Mit der geringen Abgasrückführungsrate ("Soft-AGR") liegt der Adblue-Verbrauch mit knapp sieben Prozent vom Diesel aber vergleichsweise hoch.

Positiv fällt auf, dass MAN bei der gezeigten Fahrleistung auf "halblegale" Schwungspitzen verzichten kann: Den Tempomaten auf testübliche 85 km/h gesetzt, mit 5 km/h Über- und Unterschwung, läuft die Tachonadel bergab nicht über 90 km/h – einige Wettbewerber lassen gerne mal bis zu 45 Sekunden drüberrollen. Mit dem elektronisch geregelten Zusammenspiel aus Motorbremse und Retarder sind eigene Beibremsungen zudem so gut wie nie gefordert. Generell ist die Bremsleistung mit fortgesetztem Antippen des Lenksäulenhebels stufenweise abrufbar, beim Zug über eine spürbare Raste hinweg auch gleich das Maximum.

Mehr Zugkraftreserven am Berg

MAN TGX 18.510 Foto: Karl-Heinz Augustin
510 PS und 2.600 Nm sind beim aktuellen, 12,4 Liter großen D26-Motor das Maximum. Die jüngste Generation arbeitet mit ein- statt früher zweistufigem Turbolader. Die Alternativen: 430 oder 470 PS.

Beim Angasen vor Steigungen fährt der GPS-Tempomat im Efficiency-Modus zweigleisig: Aus der Ebene heraus geht es mit den gesetzten 85 in den Berg, im Anschluss an eine Senke gibt die Elektronik schon ab 86 bis 87 km/h wieder Gas. Um kein Tempo zu verschenken, scheint das ein guter Kompromiss.

In den Steigungen selbst fällt die Drehzahl zwar vorm Schalten regelmäßig auf knapp über 900 Umdrehungen, aber bei 2.600 Nm Drehmoment bis runter auf 930 Touren kann sich der TGX das kräftemäßig leisten. Das bei ähnlichem Verbrauch deutlich höhere Tempo gegenüber dem anfangs erwähnten 510er mit Scania-Getriebe und (auskuppelbarem) Scania-Retarder hat bei identischer Achse im Wesentlichen eine Ursache: Beim ZF-Getriebe ist der 11. Gang kürzer übersetzt als beim 12+2-Gang-Getriebe der Schweden, was am Berg mehr Zugkraftreserven lässt und in Summe auch die ein oder andere zusätzliche Schaltung spart.

Die erwähnten 5 km/h als Über- und Unterschwung sind standardmäßig nicht vorgesehen, aber auf Kundenwunsch einprogrammierbar – also kein realitätsfernes Testwagen-Feature. Ansonsten hält es MAN einfach: Statt zig verschiedener Einstellungen lauten die vier durchschaltbaren Alternativen +5/-3, +6/-5, +/-7 und +/-9 km/h. Das auch im Efficiency-Modus aktive "dynamische Segeln" bewirkt in Flachstücken und leichten Gefällen einen Wechsel aus Angasen und Rollenlassen von circa 2 bis 3 km/h um den Tempomatwert herum.

Auf der Teststrecke, die nur wenig Teillastanteil aufweist, fiel das System fast nur bei der Geräuschmessung auf: Im dafür vorgesehen Streckenabschnitt hing die Fuhre kaum konstant am Gas, sondern pendelte ständig zwischen circa 82 und 87 km/h. Aber, wie gesagt, ohne Phonmeter in der Hand wäre das glatt untergegangen.

Wer das System auf längeren Flachetappen dennoch als störend empfindet, kann es dauerhaft abschalten. Waren bei den vorherigen TGX-Testwagen noch rundum 315/70er aufgezogen, so sind vorne nun 385/55er zu verzeichnen. Vom Gefühl her sind die Breitreifen zu den leichten Einblattfedern die bessere Wahl, Bodenfugen werden klagloser geschluckt und der Fahrkomfort ist insgesamt angenehmer.

Die elektrisch unterstützte Lenkung leistet ihr übriges, das leichte Gegenmoment der aktiven Spurrückführung kommt unaufdringlich in den Armen an. Unterm Strich gibt sich der TGX bei Fahrverhalten und -komfort kaum eine Blöße, weder auf der Autobahn noch auf der kurvenreichen Handlingstrecke. Auch die unter Volllast spürbaren Vibrationen, die bei den ersten Modellen auftraten, hat MAN mit einer überarbeiteten Motorlagerung im Griff.

Hohe Innengeräusche im MAN TGX 18.510 GX

Arbeiten könnten die Münchner aber noch an den relativ hohen Innengeräuschen. Mit Blick auf die Assistenz- und Sicherheitssysteme lässt MAN bis hin zum teilautomatisierten Fahren mit Längs- und Querführung ("Cruise Assist") keine Wünsche offen. Auch das Testfahrzeug wartet diesbezüglich mit einer Vollausstattung auf, was sicherlich den Preis nach oben treibt, nicht aber das Gewicht: Mit 490 Liter Diesel und 80 Liter Adblue bringt der 18.510 GX nur knapp 7,4 Tonnen auf die Waage.

Mit nur 35 Kilogramm Mehrgewicht gegenüber dem kleineren GM ist dabei insbesondere das große GX-Haus ein überraschend geringer Faktor. Jene GX-Kabine hat mit Einführung der neuen TG-Baureihen die frühere XXL-Version abgelöst. Dabei hat sich MAN vom Reisebus-artigen Panoramaglas verabschiedet: Die Scheibe entspricht nun den GN- und GM-Häusern mit flachem oder mittelhohem Dach.

Vorstellung der neuen TG-Baureihen
MAN TGX 18.470 nochmals aufgefrischt

Im Vergleich zum XXL hat die Innenhöhe zwar um wenige Zentimeter gelitten, das Gardemaß von zwei Meter zwischen Motortunnel und Kabinendecke wird aber noch erreicht. Beibehalten hat MAN auch die Holzlattenroste unter den Matratzen, wenngleich das untere Bett nur noch in der Mitte auf knapp 80 Zentimeter Breite kommt. Hinter den (Recaro-)Sitzen sind es zehn Zentimeter weniger, was den Verstellwegen des Gestühls zugute kommt.

Sportlicher Aufstieg zur oberen Liege

Unten bietet die Liege eine hochstellbare Rückenlehne und die Rückwandkonsole mit Kabelfernbedienung hat Vorbildcharakter. Für den Obenschläfer sitzen zwar beidseitig weitere Bedienteile in den Flanken, an der Rückwand herrscht aber ablagemäßig Ebbe – wenigstens eine breite Netztasche sollte nicht das Problem sein. Zudem ist der Aufstieg ziemlich sportlich: Eine Leiter gibt es nicht, und der einstmals in den Innenraum ragende Kühlschrankdeckel als breiter Tritt ist passé. Ist sowieso kein zweites Bett gewünscht, ist aus dem Fundus von "MAN Individual" eine Schrankwand zu haben.

MAN TGX 18.510 Foto: Karl-Heinz Augustin
Charakteristisch für Optiview: Der rechte Monitor ist größer als der linke. Kontrast, Helligkeit und Bildansicht lassen sich mit Tasten im Türmodul einstellen.

Die digitalen Instrumente präsentieren sich als 12,3-Zoll-Bildschirm, in dem Tacho und Drehzahlmesser nur noch als Halbkreise dargestellt sind. Das Gesamtbild erschließt sich intuitiv, die Umstellung von der gewohnten Form geht schnell. Auch der Lenkrad-Verstellbereich kann vollauf überzeugen, fast 60 Grad Steilstellung bedeuten einen Spitzenwert.

Wer bei der Bestellung "Optiview" ankreuzt, ersetzt Seiten-, Front- und Rampenspiegel durch insgesamt fünf Kameras und zwei Monitore an den A-Säulen (links im 12-, rechts im 15-Zoll-Format). Geboten sind drei Grundansichten, die je nach Geschwindigkeit, Fahrtrichtung und Lenkwinkel automatisch oder auf Knopfdruck hin wechseln. Klar, das Fahren und Hantieren mit dem System erfordert eine gewisse Eingewöhnung, aber einige Vorzüge sind unbestreitbar.

So zum Beispiel die eingeblendeten Distanzlinien, die auf das Heck sowie 15 und 50 Meter dahinter zielen, die größeren Kamera-Sichtfelder praktisch ohne tote Winkel oder die Möglichkeit, bei zugezogenen Vorhängen in den Monitoren die Umgebung zu checken. Aerodynamisch sind die Kamerahalter ohnehin günstiger als die Spiegel, wobei MAN in dieser Disziplin noch mit einer neuen äußeren Sonnenblende nachgelegt hat: Die Ausrüstung mit der schicken Blende ist nun zwecks Verbrauchsoptimierung sogar empfohlen.

Fazit

Wer einen Lkw mit über 500 PS anschafft, möchte auch das Gefühl haben, mit dieser Leistung unterwegs zu sein. Im Economy-Modus schafft es der TGX 18.510 auf der schweren Teststrecke einen sehr guten Verbrauch mit einem ordentlichen Durchschnittstempo zu verbinden. Economy plus, so die Lehren aus einem früher gefahrenen 18.470, schießt mit hohem Gewicht auf anspruchsvoller Strecke über das Ziel hinaus. Was für die Fahrleistungen gilt, findet in der großen GX-Kabine seine Fortsetzung: Unterm Strich ist der TGX 18.510 GX ein Lkw mit nur wenig Schwächen, aber vielen Stärken.

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Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 05 2022 Titel
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14. Mai 2022
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