Ebusco 3.0 Ebusco will leichter werden

Ebusco 3.0 Foto: Ebusco 10 Bilder

Der niederländische Elektrobus-Pionier Ebusco setzt auf Leichtbau und verwendet dazu Carbon. Auch an andere Themen geht er mit dem Modell 3.0 wagemutig heran.

Die Elektrobusszene wurde bis 2018 weniger von großen Herstellern als vielmehr von kleineren Start-ups beherrscht – freilich bei homöopathischen Absatzzahlen. Namen wie Sileo, Linkker oder Ebusco machten erstmals die Runde neben Importeuren wie Solaris oder VDL, die derzeit um die Marktführerschaft ringen, solange die großen Hersteller noch im langsamen Produktionshochlauf oder Serienstart begriffen sind. Der Zustand könnte sich für einen der Genannten bald ändern: Der niederländische Hersteller Ebusco, der 2012 mit seinem auf einer chinesischen Karosse basierenden Ebusco 1.0 begonnen hatte, startet jetzt durch.

Mehr Reichweite erfordert Leichtbau

Die Elektropioniere haben auf der Busworld nicht nur eine neue Leichtbaukonstruktion mit dem Generationenzähler 3.0 vorgestellt und gleich einen Innovation-Award dafür bekommen. Die Niederländer bereiten sich auch darauf vor, ab 2020/21 Komplettbusse in der Fabrik im beschaulichen Deurne nahe dem Industrie-Cluster Eindhoven zu fertigen. "2012 konnten wir mit der Generation 1.0 gerade mal 200 Kilometer Reichweite bieten, haben aber trotzdem einen ersten Kunden in Finnland für sehr anspruchsvolle Tests gefunden", erzählte CEO Peter Bijvelds während der Enthüllung des neuen Busses, die mit düsteren Klimavisionen eingeleitet wurde. "Das Ziel war aber von Anfang an, 300 Kilometer mit 90 Passagieren an Bord zu schaffen – und das geht nur mit Leichtbau." Insgesamt hat Ebusco bisher 150 Busse der 2.X-Baureihe verkauft. Um das Ziel, das mittlerweile auf 500 Kilometer mit 100 Passagieren angehoben wurde, zu erreichen, sei Leichtbau der Schlüssel – und das auch schon bei den bisherigen Modellen, die nicht mehr auf chinesischer, sondern auf australischer Basis, nämlich auf Bus and Coach International (BCI), aufsetzen.

Ein 2.2-Solobus bringt laut Ebusco-Website allerdings noch 12,8 Tonnen auf die Waage. Zeit also, im Elektrobusbau ganz neue Wege zu gehen. Die Zutaten heißen hier wie so oft im modernen Fahrzeugbau: Verbundmaterialien und Carbonwerkstoffe. Zwar baute schon Neoplan in den 90er-Jahren den MIC (Metroliner im Carbondesign) aus dem hochfesten und sehr leichten Werkstoff und mit alternativen Antrieben, aber das Konzept verlor sich in den Zwängen der Zeit wieder. Die Ebusco-Karosse soll mit tragender Carbonstruktur nur rund 8,5 Tonnen wiegen und für bis zu 500 Kilometer Reichweite gut sein. Um diesen Wert zu erreichen, packt Ebusco seine traditionellen Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) in den Boden des Busses, so wie es Proterra in den USA macht. "Wir werden dazu Batterien mit höherer Energiedichte und größerer Zyklenfestigkeit verwenden. Zudem sind unsere Batterien sehr sicher mit einer sehr hohen Beständigkeit gegenüber Hitze durch chemische Reaktionen", verspricht Bijvelds. Das macht die vor allem in China verwendeten Akkus sehr sicher gegenüber dem gefürchteten Batteriebrand. Die Leichtbaukarosserie sei zudem bis zu 20 Jahre einsatzbereit und fast vollständig wiederzuverwerten und biete eine hohe Isolationsfähigkeit für die Elektrokomponenten. Jedes Jahr steige die Batteriekapazität um fünf bis zehn Prozent, es seien also bald noch größere Reichweiten möglich.

Präsentation Ebusco 3.0 Foto: Thorsten Wagner
Steven Kessels (r.) und James Granger (l.) zeichnen auch für das Design des modernen Cockpits verantwortlich. Leitbild war vor allem die Flugzeugbranche, deren Effizienz und Präzision.

Auch das Design soll Leichtigkeit vermitteln

Zwar arbeitet Ebusco unter der Hand auch an der Schnellladung mit bis zu 350 kW, aber ein anderer Kniff macht sie wohl eher unnötig: Als erster Hersteller verbauen die Holländer gleich zwei CCS-Steckdosen, sodass ein Bus mit zweimal 60 kW (120 kW) oder zwei Busse mit 60 kW geladen werden können – einfach, aber wirkungsvoll! Tjaard Sijpkes, technischer Leiter von Ebusco mit viel Erfahrung in der Flugindustrie (er kam wie einige andere Mitarbeiter vom Flugzeugbauer Fokker), beschreibt seinen Ansatz für den Wagen so: "Man muss bereit sein, zu springen, aber auch dafür sorgen, dass man sicher auf der anderen Seite ankommt." Als Beispiel nennt er die gegenüber Stahl geringere Fähigkeit der Carbonstruktur, große Punktlasten aufzunehmen. "Daher haben wir momentan für die Elektroantriebsachse noch einen Metallhilfsrahmen verbaut, den wir aber später weglassen werden." Die ZF-Achse mit radnahen Asynchronmotoren wurde zudem so modifiziert, dass sie Super-Single-Reifen der Dimension 385/55 R 22,5 aufnehmen kann und somit einen breiten Durchgang von 900 Millimetern ermöglicht. Man darf gespannt sein, ob der dritte Anlauf in Sachen Super-Single nach MAN und Ziehl-Abegg diesmal von Erfolg gekrönt sein wird. Der Boden im Bus ist völlig eben, die Bodenfreiheit darunter ließ sich bisher jedoch nicht abschließend beurteilen. "Sehr wichtig ist die Positionierung der einzelnen Carbonfasern, die dann auf Molekularebene verschweißt werden und daher sehr stabil sind", führt Sijpkes weiter aus.

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Die Fensterholme des leicht flugzeugartig gerundeten Buskörpers zeigen stolz ihr schwarz kariertes Innenleben. "Das Design sollte sehr integral wirken und auch Leichtigkeit und zeitlose Eleganz vermitteln", sagt Designer Steven Kessels, der zusammen mit James Granger schon am Ebusco 1.0 gearbeitet hatte. "Das Design wurde sehr vom Flugzeugbau inspiriert, also sollte es auch so aussehen. Wir hatten sehr viel Freiheit und haben besonders auf Effizienz und fließende Linien ebenso wie auf Präzision geachtet." Sei es die auffällige Bugplakette, die Andeutung einer Tragfläche oder eines Flügels von vorn bis hinten oder die aufwendige Modellierung der unteren, nur geclipsten Seitenwände. "Es gibt eine Menge Oberflächendetails, die es so ansonsten in einem Bus nicht gibt", so Granger. Das setzt sich bis ins Heck fort, wo die beiden Designer keine Rücksicht auf verbaute Batteriepakete oder überkommene Motortürme nehmen mussten. Das zeigt sich auch im modernen Cockpit, das zweifarbig gestaltet werden kann und über einen digitalen Continental-Cluster sowie ein Spiegelersatzsystem mit Kameras verfügt. Alles Zutaten für einen großen Sprung in die Zukunft des Elektrobusses.

Foto: Ebusco
Anders als der ­aktuelle Ebusco 2.2 (o.) soll der neue Typ 3.0 ab 2020/21 ausschließlich im Werk im ­holländischen Deurne gebaut werden.

Stromschnellen voraus

Bis vor Kurzem waren die Elektrobusse von Ebusco bis zum Typ 2.1 als reine Niederflur-Solobusse konzipiert. Rund 150-mal sind sie inzwischen auf Europas Straßen unterwegs. Erster deutscher Kunde war 2017 die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) mit zwei Fahrzeugen. Die MVG wird nun auch als Entwicklungspartner für den Typ 3.0 dienen, bis dann 2021 die Produktion in der Fabrik in Deurne anläuft. Die ersten MVG-Solobusse bieten Platz für 67 Passagiere und eine Batteriekapazität von 311 kWh. Sie soll aber auf maximal 400 kWh erhöht werden und dann für bis zu 450 Kilometer Reichweite gut sein. Derzeit sind von der MVG zwei Elektrogelenkbusse ausgeschrieben. Auch hier kann Ebusco jetzt mitbieten, da der Typ 2.2 nun auch als solcher sowie als Zwölf-Meter-Low-Entry angeboten wird. Dieses Modell bevorzugt sowohl die DB Regio für eine Entwicklungspartnerschaft als auch der ÖPNV-Konzern Transdev in Holland, der soeben 156 Busse von Ebusco für einen Gegenwert von etwa 130 Millionen Euro geordert hat, der bisher größte Auftrag für das junge Unternehmen, an dem unter anderen die ING-Diba-Bank eine Minderheitsbeteiligung hält.

Die Fertigung in Deurne wird mit Partnern aufgebaut, eine eigene Carbonfertigung ist laut Technikchef Tjaard Sijpkes nicht geplant. Zwar sind nach CEO Peter ­Bijvelds noch keine strategischen Entscheidungen gefällt worden, aber bei erfolgreichem Test des 3.0 sollen mittelfristig nur noch die ­neuen Leichtbaumodelle verkauft werden.

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Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
lao 12 2019 Titel
lastauto omnibus 12 / 2019
23. November 2019
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