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Container-Reeder am Pranger Riesengewinne auf Kosten der Lieferkette

Maersk-Container bei der Verladung am Terminal Foto: Maersk

Die EU soll überprüfen, ob sich die Containerreeder auf Kosten der Lieferkette und der europäischen Verbraucher bereichern. Das fordern zehn Wirtschaftsverbände von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Ist eine die Inflation treibende Wettbewerbsverzerrung im Spiel?

Der Frust ist groß: Während Spediteure, Verlader und andere von der Containerschifffahrt abhängige Teile der Lieferkette unter einer Preisexplosion leiden, haben die Containerreeder 2021 den Angaben zufolge Gewinne in Höhe von 186 Milliarden Dollar eingefahren und gehen überall in der Transportbranche mit prall gefüllten Brieftaschen auf Einkaufstour. Die derzeit gültigen Ausnahmeregeln für die Schifffahrtsbranche stehen schon länger in der Kritik, aber bislang hat sich EU-Kommissarin Margrethe Vestager stets geweigert, sie vor ihrem Ablauf im April 2024 unter die Lupe zu nehmen.

Zehn Transportverbände fordern Prüfung

Die zehn Verbände aus der Transportbranche fordern jetzt in einem gemeinsamen Schreiben an die Dänin eine sofortige Überprüfung. Die sogenannte Gruppenfreistellungsverordnung „befreit Containerschifffahrtslinien von vielen der Kontrollen und Abwägungen des EU-Wettbewerbsrechts und erlaubt ihnen den Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen, um die Anzahl und Größe der eingesetzten Schiffe sowie die Häufigkeit und den Zeitpunkt der Fahrten auf den Handelsrouten rund um die Welt zu steuern“, erläutern sie.

Frachtraten massiv höher als vor Corona

Seit der letzten Verlängerung der Verordnung im April 2020 hätten europäische Unternehmen und andere Beteiligte der Lieferkette unter massiven Störungen des Warenverkehrs in der Containerschifffahrt gelitten. So seien viele Fahrten gestrichen oder in andere Häfen umgeleitet worden, ebenfalls wurden Häfen kurzfristig umfahren. „Gleichzeitig haben sich die Frachtraten auf vielen Routen mehr als vervierfacht und liegen weiterhin drei- bis viermal höher als 2019 vor der Pandemie“, wird kritisiert.

Gewinne auf Kosten der Verbraucher

Auch unter Betrachtung der erheblichen Auswirkungen der Pandemie mit ihren Lockdowns auf Produktion und Nachfrage falle auf, dass die Schifffahrtsindustrie die Krise kollektiv sehr gut bewältigt habe. Gleichzeitig seien „Gewinne in Höhe von über 186 Milliarden Dollar im Jahr 2021 auf Kosten der übrigen Lieferkette und letztlich der europäischen Verbraucher erzielt worden, was zeigt, dass etwas nicht stimmt“, wird argumentiert. Die Vorteile, die die Reedereien aus den Freistellungen vom allgemeinen Wettbewerbsrecht zögen, würden nicht gerecht zwischen den Reedereien und der übrigen Wirtschaft aufgeteilt. Allein dies sei ein zwingender Grund, um die Gruppenfreistellung dringend zu überprüfen.

USA mit neuem Schifffahrtsgesetz

In ihrem Schreiben an die Kommission verweisen die Unterzeichner auch auf die Enthüllungen und Empfehlungen der in den USA von der Federal Maritime Commission durchgeführten Untersuchungen. Sie hätten dazu geführt, dass im Mai ein neues Seeschifffahrtsreformgesetz verabschiedet wurde, das viele der Beschwerden von Nutzern und Dienstleistern der Containerschifffahrtslinien aufgreife. US-Präsident Joe Biden hatte das Gebaren der Reedereien zur Chefsache gemacht, nicht zuletzt, um die Inflation zu bekämpfen.

Neue Maßnahmen nötig

„Die Überprüfung der Verordnung gibt allen interessierten Parteien die Möglichkeit, Beweise und Argumente dafür vorzulegen, wie die Kommission vorgehen sollte, um sicherzustellen, dass der Markt für die Hochseecontainerschifffahrt in einer Weise funktioniert, die für alle Parteien in der maritimen Lieferkette fair und transparent ist“, heißt es in dem Schreiben. Dabei sollten auch neue Maßnahmen und Mechanismen in Betracht gezogen werden.

Maersk: Größtes Unternehmen Dänemarks

Ohne entsprechenden Druck aus den Mitgliedsstaaten könnte die Dänin Vestager ihren bisherigen Kursmöglicherweise weiterfahren. Die zweitgrößte Containerreederei der Welt, die dänische Reederei A.P. Moller-Maersk, war bereits 2020 das nach Umsatz mit Abstand größte Unternehmen des nordeuropäischen Landes. Wirtschaftliche Macht und politischer Einfluss dürften sich seitdem kaum verringert haben.

Die Unterzeichner des Schreibens an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager:

  • CLECAT - Europäischer Dachverband der Spediteure
  • FEPORT - Verband der europäischen privaten Hafengesellschaften und -terminals
  • ESC – Verband der europäischen Verlader
  • EBU - Europäische Binnenschifffahrtsunion
  • GSF - Global Shippers' Forum für die globale Verladerschaft
  • ETA - Europäischer Verband der Schleppunternehmer
  • UIRR - Union für den Kombinierten Verkehr Straße-Schiene
  • FIATA - Internationaler Verband der Spediteure
  • IAM - Internationaler Verband der Möbelspediteure
  • FIDI - Globale Allianz
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