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Betriebssterben befürchtet Mosolf warnt: Maut vernichtet Existenzen

Foto: Norbert Böwing

Die Mauterhöhung bringt kleine Unternehmen in Bedrängnis, so die Prognose von Automobilspediteur Dr. Jörg Mosolf. Gemeinsam mit dem Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg sucht er das Gespräch mit den Bundestags-Abgeordneten Renata Alt (FDP), Matthias Gastel (Grüne) und Dr. Nils Schmid (SPD).

Der Ärger über die geplante CO2-Maut kommt nicht von ungefähr. Tritt sie zum 1. Dezember ohne weitere Änderungen in Kraft, wird sie die Existenz vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen vernichten. Das ist die Prognose von Dr. Jörg Mosolf, dem Vorstandsvorsitzenden (CEO) des Automobillogistikers Mosolf aus Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen). „Wir als große Firma werden es überleben“, sagt der Chef der Mosolf-Gruppe, die an 38 Standorten rund 3.500 Mitarbeiter beschäftigt und in Europa etwa 1.000 eigene Lkw einsetzt. „Doch wir können kein Interesse daran haben, dass der Mittelstand kaputt gemacht wird“, betont er.

Foto: Norbert Böwing
Politik trifft Praxis: Die FDP-Abgeordnete Renata Alt im Austausch mit Mosolf-Geschäftsführer Egon Christ (links), CEO Dr. Jörg Mosolf und VSL-Geschäftsführer Andrea Marongiu (rechts).

Der Grund für die Annahme, dass viele keine Unternehmen auf der Strecke bleiben: Die wirtschaftliche Lage ist angespannt – auch bei der verladenden Wirtschaft. Daher geht Unternehmer Mosolf davon aus, dass es den Transport- und Logistikdienstleistern mehrheitlich nicht gelingen wird, die zusätzlichen Kosten komplett weiterzureichen. Entsprechende Rückmeldungen bekomme er von seinen eigenen Großkunden, die ihrerseits schon Sparprogramme aufgelegt hätten, um die steigenden Kosten in den Griff zu bekommen. „Das bedeutet meist, dass der Einkauf dominant wird“, erklärt er. Soll heißen: Verlader schauen wieder verstärkt auf die Logistikkosten. Mosolf selbst sei sich seiner Verantwortung bewusst und werde seinen Transportpartnern – die etwa 20 Prozent des Volumens bewegen – die erhöhte Maut erstatten. Natürlich ist die CO2-Maut für Mosolf auch kein Pappenstiel. „Sie bedeutet bei uns eine Verdopplung der Mautkosten von aktuell rund neun Millionen Euro im Jahr.“

Mosolf: Gespräch mit Abgeordneten im Wahlkreis suchen

Noch ist aber nicht Dezember und sind die Pläne nicht umgesetzt. Also besteht im nun anstehenden parlamentarischen Verfahren noch Gelegenheit, das Gespräch mit den Abgeordneten zu suchen, um ihnen die Folgen aufzuzeigen sowie um Anpassungen im Sinne der Branche anzuregen. Denn der Gesetzentwurf muss ja zunächst noch den Bundestag passieren. Noch bleibt also eine gewisse Frist. Genau dieses Vorgehen, also das Gespräch mit den Wahlkreisabgeordneten zu suchen, empfahl Mosolf seinen Unternehmerkollegen bei der Mitgliederversammlung des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL) kürzlich in Rust.

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Speditionen warnen: Es geht ums Überleben

Mosolf selbst machte nun den Anfang und lud – organisiert von trans aktuell – die Abgeordneten seines Wahlkreises Nürtingen zum Austausch zu sich nach Kirchheim ein: Renata Alt (FDP, vor Ort), Matthias Gastel (Grüne, online zugeschaltet) und Dr. Nils Schmid (SPD, online zugeschaltet). CDU-Mann Michael Hennrich war vor wenigen Wochen in die Wirtschaft gewechselt, weshalb die Christdemokraten nicht dabei waren. Alt ist Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Schmid ist Obmann des Auswärtigen Ausschusses und war bis 2016 fünf Jahre Finanz- und Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg. Für Gastel wiederum sind Verkehrs- und Mobilitätsthemen sein täglich Brot: Er ist Mitglied des Verkehrsausschusses und seit 2013 im Bundestag. Mit von der Partie waren ferner Andrea Marongiu, Geschäftsführer des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL), sowie Mosolf-Vorstandsmitglied Wolfgang Göbel und Mosolf-Geschäftsführer Egon Christ.

Foto: Büro MdB Alt
„Wichtig ist, dass man sich in der Phase der Beratung des Entwurfs an einen Tisch setzt und die Belastung auf ein Minimum reduziert“: Renata Alt, FDP-Abgeordnete aus Kirchheim, Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

„Wir sind uns einig, dass wir ein neues Instrument gebraucht haben“, sagte VSL-Vertreter Marongiu an die Adresse der Abgeordneten. Am Wesen einer Maut, die über eine CO2-Komponente eine Verkehrslenkung auslösen soll, sei nichts auszusetzen. „Wir tun uns nur schwer, wenn die Politik nicht nur die Ziele, sondern auch den Weg dorthin vorgibt“, erklärte er. Der VSL setzt sich wie sein Mitgliedsunternehmen Mosolf dafür ein, dass die Politik Anreize für die Nutzung von alternativen Kraftstoffen gibt, etwa für die Dieselalternative HVO (hydriertes Pflanzenöl), die erhebliche CO2-Einsparungen mit sich bringen. Im Mautgesetz sind hier keine Vergünstigungen vorgesehen, weshalb dafür ein anderer Rahmen geschaffen werden müsste. „Wir könnten über Nacht CO2 einsparen, ohne unsere Infrastruktur ändern zu müssen“, sagte Marongiu.

VSL: neues Mautgesetz verschieben

Dem VSL geht es aber auch um das Timing bei der Maut. Die Stimmung in den Unternehmen sei in den vergangenen Wochen komplett gekippt. Speditionen könnten Kostensteigerungen in dieser Größenordnung nicht ohne Weiteres an die Kunden überwälzen. Daher fordert der Verband, die CO2-Maut zu verschieben. Laut Mosolf-Vorstandsmitglied Göbel kommt die Mauterhöhung im Schnitt einer Kostensteigerung von sieben bis acht Prozent gleich. „Das ist in unserer Branche der Faktor 2 bis 3 der Margen.“ Je nach Segment ist der Anteil an den Gesamtkosten sogar noch höher: Unternehmen, die im Teil- und Komplettladungsverkehr tätig sind, beschert die Maut einen Kostenschub von zehn bis zwölf Prozent.

Die Wirtschaft werde zur Unzeit massiv belastet, führte Marongiu aus. „Die Mauterhöhung kommt einer Mehrwertsteuer-Erhöhung um 0,5 Prozent gleich“, rechnete er vor. Zugleich macht er sich für den im Koalitionsvertrag zugesagten Ausgleich zur Doppelbelastung durch CO2-Preis und CO2-Maut stark und warnt davor, die Zusatzeinnahmen in den allgemeinen Haushalt fließen zu lassen. „Das wäre für uns die Hiobsbotschaft schlechthin“, sagte Marongiu, der entsprechende Signale aus der Politik wahrgenommen hat.

Foto: Büro MdB Gastel/Stefan Kaminski
„Es ist wichtig, auch das Thema Transformation beziehungsweise Ladeinfrastruktur zu berücksichtigen": Matthias Gastel, Verkehrsexperte der Grünen, macht sich dafür stark, einen Teil der Mauteinnahmen auch für KV-Terminals oder Ladesäulen zu nutzen.

Doch hier weiß die Branche die Verkehrspolitik an ihrer Seite: „Dass das Geld in den allgemeinen Haushalt fließen soll, ist in keinster Weise unsere Intention“, bekräftigte Grünen-Politiker Gastel. „Wir haben die Alarmglocken gehört und hocheskaliert, dass wir das nicht wollen.“ Er sehe auch ein Akzeptanzproblem, sollte die Maut verdoppelt werden, die Verkehrsinfrastruktur aber nicht in vollem Umfang davon profitieren. Es gebe eine Verständigung darüber, dass 50 Prozent der Mauteinnahmen in die Straße fließen und 40 Prozent in die Schiene. „Das war uns wichtig, weil viele Unternehmen gerne mehr auf der Schiene transportieren möchten, sie aber nicht ausreichend leistungsfähig ist.“

Die restlichen zehn Prozent sollen nach Vorstellungen der Ampelpartner zum Beispiel für KV-Terminals oder zum Bau von Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkw genutzt werden. „Es ist wichtig, auch das Thema Transformation beziehungsweise Ladeinfrastruktur zu berücksichtigen“, betont Gastel. Der Abgeordnete aus Filderstadt bedauert es, dass die im Koalitionsvertrag zugesagte Doppelbelastung nicht verhindert wird. „Wir haben das immer wieder zur Sprache gebracht. Aber wenn ein FDP-geführtes Ministerium sagt, sie haben weder eine rechtskonforme noch eine unbürokratische Lösung, muss man das so akzeptieren.“

Foto: Büro MdB Schmid/Susie Knoll
„Wir haben ein großes Interesse daran, dass die mittelständisch geprägte Wirtschaft nicht unter der neuen Maut leidet“: Dr. Nils Schmid (SPD), MdB und ehemaliger Finanz- und Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg.

Seine Wahlkreis-Kollegen der anderen Parteien hoben hervor, dass sie den Mittelstand vor zu hohen Lasten schützen wollen. „Wir haben ein großes Interesse daran, dass die mittelständisch geprägte Wirtschaft nicht unter der neuen Maut leidet“, sagte der SPD-Abgeordnete Schmid. Der Mittelstand stehe für qualifizierte und gut bezahlte Mitarbeiter. Es sei daher wichtig, dass diese Unternehmen nicht gefährdet werden, sondern sie die erhöhten Kosten weiterreichen können. „In einem idealen Markt gelingt das Überwälzen, und alle sind von der Maut betroffen“, sagt der SPD-Politiker aus Nürtingen. Denn Schmid ist sich dessen bewusst, dass sich die Wirtschaft gerade eher im Krisenmodus als im Idealzustand befindet. Der studierte Jurist begrüßt es, dass die Branchenvertreter nun gezielt das Gespräch mit den Parlamentariern suchen. „Es ist wertvoll, in einer frühen Phase auf die Wahlkreisabgeordneten zuzugehen, denn im Parlament wird es erst im Herbst richtig losgehen.“

Chancen auf Anpassungen im Gesetzentwurf sieht auch Renata Alt noch. „Wichtig ist, dass man sich in der Phase der Beratung des Entwurfs an einen Tisch setzt und die Belastung auf ein Minimum reduziert“, erklärt die Abgeordnete aus Kirchheim. Es gelte, eine überbordende Belastung des Mittelstands zu verhindern, erst recht eine Doppelbelastung, sagt die FDP-Politikerin. Generell hält sie eine CO2-basierte Maut aber für den richtigen Weg. „Wir haben uns dazu verpflichtet, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten“, bekräftigt sie. Und die Einnahmen würden für dem Verkehrssektor ebenfalls dringend benötigt. „Der Autobahnausbau wurde jahrzehntelang vernachlässigt. Wir brauchen ihn dringend, auch damit die Lkw nicht im Stau stehen.“

Mosolf auch auf der Schiene und mit E-Lkw unterwegs

Den Ausbau der Verkehrswege befürwortet auch Unternehmer Mosolf, engagiert er sich für eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur doch auch als Vorsitzender des Lenkungskreises Güterverkehr und Logistik im Deutschen Verkehrsforum (DVF). „Wir sind als Mosolf-Gruppe sehr schienennah“, sagt er. Auch die Wasserstraße wird genutzt, betreibt das Unternehmen doch zwei eigene Binnenschiffe. Dennoch ist der Umstieg auf Alternativen – sei es auf alternative Verkehrsträger oder alternative Antriebe – trotz Anreize durch die Maut kein Selbstläufer. „Wir beschäftigen uns schon sehr lange mit alternativen Antrieben auf der Straße“, berichtet Jörg Mosolf. Ende Mai nahm sein Unternehmen die ersten drei elektrisch angetriebenen Autotransporter in Betrieb, hergestellt von der Volvo-Tochter Designwerk, die Fahrzeuge für die Nische elektrifiziert.

Bei allem Interesse an den Stromern: In großem Stil umsteigen könne er noch nicht, erläutert Mosolf. „Bis die großen Hersteller liefern, müssen wir bis 2026 warten“, sagt er. Der Grund: Mosolf benötigt Spezialfahrzeuge, elektrisch angetriebene Lowliner, die es eben noch nicht in Serie gibt. Und auch bei den Reichweiten stoßen die aktuell verfügbaren Modelle an ihre Grenzen. „Wir sehen maximal ein Potenzial von 40 bis 50 Prozent der Verkehre, die wir auf Elektromobilität umstellen können“, berichtet er. Daher baut Mosolf, wie der VSL und dessen Bundesverband DSLV, auf einen raschen Einsatz von HVO – und das zu wettbewerbsfähigen Preisen, wenn die Politik entsprechende Anreize setzt.

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„Aktuell ist HVO um 15 bis 20 Cent pro Liter teurer. Das Mindeste wäre, HVO dem Diesel gleichzusetzen“, fordert Logistikunternehmer Mosolf. „Wenn ich Klimaneutralität möchte, muss ich allen nachhaltigen Mobilitätslösungen eine Chance geben.“ Mosolf-Geschäftsführer Egon Christ kritisiert in dem Zusammenhang, dass die Mautgesetzgebung hier zu kurz greift, weil sie den Förderfokus auf Elektro- und Wasserstoff-Lkw legt. „Beides gilt als klimaneutral, aber wenn wir die Energiekette vom Bohrloch zum Tank einbeziehen, stellen wir bei unserem Energiemix fest, dass wir zu einem großen Teil Kohle verfeuern, um Strom zu erzeugen.“ HVO dagegen sei CO2-neutral, weil die verarbeiteten Pflanzen zuvor der Atmosphäre Klimagas entzogen hätten. „Trotzdem gibt es für interessierte Unternehmer keinerlei Vorteile oder Förderprogramme.“ Der Ärger über die geplante Mauterhöhung – da sind wir wieder beim Anfang – kommt also nicht von ungefähr.

Das Unternehmen

  • Die Mosolf-Gruppe aus Kirchheim unter Teck beschäftigt an 38 Standorten rund 3.500 Mitarbeiter und erwartet fürs laufende Jahr einen Umsatz von 550 Millionen Euro.
  • Automobilverkehre betreibt sie mit rund 1.000 eigenen Lkw auf der Straße, auf der Schiene und der Wasserstraße (zwei eigene Binnenschiffe im Einsatz).
  • Mosolf befördert rund drei Millionen Fahrzeuge pro Jahr, das entspricht etwa der Menge an Pkw, die jedes Jahr in Deutschland zugelassen werden. Das Unternehmen verfügt über Flächen, um 215.000 Fahrzeuge abzustellen.
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